Der Weg in den 1. Weltkrieg 

31. Juli 1914

 

Zustand der drohenden Kriegsgefahr

Berlin, 31. Juli.
Aus Petersburg ist heute die Nachricht des deutschen Botschafters eingetroffen, daß die allgemeine Mobilmachung der russischen Armee und Flotte befohlen worden ist.
Darauf hat Seine Majestät der Kaiser den Zustand der drohenden Kriegsgefahr befohlen. Seine Majestät der Kaiser wird heute nach Berlin übersiedeln.

 

Erklärung des Reichsgebietes in Kriegszustand

Berlin, 31. Juli.
Seine Majestät der Kaiser haben auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet ohne Bayern in Kriegszustand erklärt. Für Bayern ergeht die gleiche Anordnung.

 

Der kommandierende General des XVIII. Armeekorps erließ folgende Bekanntmachung:
Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers wird für den Bezirk des XVIII. Armeekorps hierdurch der Kriegszustand erklärt. Die vollziehende Gewalt geht damit an mich, im Befehlsbereich der Festungen Mainz und Koblenz an den Gouverneur bezw. Kommandanten der Festung über. Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden verbleiben in ihren Funktionen. Sie haben aber meinen Anordnungen und Aufträgen, im Befehlsbereich der Festungen Mainz und Koblenz denen des Gouverneurs bezw. Kommandanten der Festung Folge zu leisten.

In Frankfurt richtete der kommandierende General an die Bevölkerung des Bezirks des XVIII. Armeekorps folgende Bekanntmachung:
Seine Majestät der Kaiser hat das Reichsgebiet in Kriegszustand erklärt. Für diese Maßregel sind lediglich Gründe der raschen und gleichmäßigen Durchführung der erforderlichen militärischen Vorkehrungen maßgebend und nicht etwa die Besorgnis, daß die Bevölkerung die vaterländische Haltung werde vermissen lassen. Die Schnelligkeit und Sicherheit unseres Aufmarsches erfordert einheitliche und zielbewußte Leitung der gesamten vollziehenden Gewalt. Wenn durch die Erklärung des Kriegszustandes die Gesetze verschärft werden, so wird dadurch niemand, der das Gesetz beachtet und den Anordnungen der Behörden Folge leistet, in seinem Tun und Wirken beschränkt. Ich vertraue, daß die gesamte Bevölkerung alle Militär- und Zivilbehörden freudig und rückhaltlos unterstützen und uns damit die Erfüllung unserer hohen vaterländischen Pflichten erleichtern wird. Dann wird auch der alte Waffenruhm des Heeres aufrechterhalten und es vor den Augen unseres Kaisers und den Blicken der Nation in Ehren bestehen.

Frankfurt a. M., 31. Juli 1914.

Der kommandierende General.
von Schenk.

 

Kriegszustand in Bayern

München, 31. Juli.
Nachdem der Kaiser auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet mit Ausnahme von Bayern in den Kriegszustand erklärt hat, ist für Bayern heute die gleiche Anordnung ergangen.

 

Allgemeine Mobilmachung in Österreich-Ungarn

Wien, 31. Juli.
Eine Verordnung des Kaisers Franz Josef verfügt die allgemeine Mobilmachung für den gesamten Umfang der Monarchie.

 

Ultimatum an Rußland und Anfrage an Frankreich

Berlin, 31. Juli.
Nachdem die auf einen Wunsch des Zaren selbst unternommene Vermittlungsarbeit von der russischen Regierung durch allgemeine Mobilmachung der russischen Armee und Marine gestört worden ist, hat die Regierung Seiner Majestät des Kaisers heute in St. Petersburg wissen lassen, daß die deutsche Mobilmachung in Aussicht steht, falls Rußland nicht binnen zwölf Stunden seine Kriegsvorbereitungen einstellt und hierüber eine bestimmte Erklärung abgibt. Gleichzeitig ist an die französische Regierung eine Anfrage über ihre Haltung im Fall eines deutsch-russischen Krieges gerichtet worden.

 

Ansprache des Kaisers an das Volk

Berlin, 31. Juli.
An die tausendköpfige Volksmenge auf dem Schloßplatze, die fort und fort in patriotische Kundgebungen ausbrach, hielt der Kaiser um ½7 Uhr folgende Ansprache:
Eine schwere Stunde ist heute über Deutschland hereingebrochen. Neider überall zwingen uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand. Ich hoffe, daß, wenn es nicht in letzter Stunde Meinen Bemühungen gelingt, die Gegner zum Einsehen zu bringen und den Frieden zu erhalten, wir das Schwert mit Gottes Hilfe so führen werden, daß wir es mit Ehren wieder in die Scheide stecken können. Enorme Opfer an Gut und Blut würde ein Krieg vom deutschen Volke erfordern, den Gegnern aber würden wir zeigen, was es heißt, Deutschland anzugreifen. Und nun empfehle Ich Euch Gott. Jetzt geht in die Kirche, kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer!

 

Einberufung des Reichstags

Berlin, 31. Juli.
Für den Fall des Kriegsausbruches ist Einberufung des Reichstags auf Dienstag, den 4. August 1914, in Aussicht genommen. Die Eröffnung wird im Weißen Saale des königlichen Schlosses zu Berlin um 1 Uhr nachmittags erfolgen. Die kaiserliche Verordnung wegen der Berufung steht noch aus.

 

Mobilmachung der Schweiz

Bern, 31. Juli. (Priv.-Tel.)
Der Schweizer Bundesrat beschloß, die ganze Armee, den Auszug, die Landwehr und den Landsturm auf Pikett zu stellen, sowie den Landsturm in den Grenzgebieten aufzubieten. Zugleich wird ein Ausfuhrverbot für Pferde, Automobile, Getreide und zahlreiche Artikel erlassen.

 

Mobilmachung in Holland

Haag, 31. Juli. (W. B.)
Die Königin der Niederlande hat heute mittag 11½ Uhr durch Erlaß die allgemeine Mobilmachung befohlen.

 

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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