Die
Erfolge der ersten Woche
Aus
der "Frankfurter Zeitung":
Wir sind schon über eine Woche im Krieg. Die Frage ist daher
berechtigt: Was haben eigentlich die Gegner bis jetzt bei uns erreicht?
Wir können mit Stolz darauf antworten: Nichts. Bei Beginn der
Mobilmachung war ein ganzes Netz von Spionen über Deutschland verbreitet,
um durch Zerstörung wichtiger Brücken und anderer Punkte die
Mobilisierung zu stören, aber an der glänzenden Wachsamkeit unserer
Posten scheiterten alle Anschläge und manchem dieser üblen Teilnehmer
des großartig angelegten Zerstörungsplanes wurde das Reisegeld ins
Jenseits mit einer Kugel ausgezahlt.
Der Ausmarsch und die ganze Mobilisierung rollt wie ein Uhrwerk ab, genau
nach dem vorher aufgestellten Plan, ohne jede Stockung, ohne jede Verzögerung.
An der Ostgrenze hatte Rußland schon großenteils in der Friedenszeit,
nach genauer Verabredung mit Paris, seine Reiterdivisionen
zusammengezogen, damit sie beim Ausbruch des langersehnten Krieges sengend
und verwüstend in die deutschen Gebiete einfielen. Nun sind alle
Hoffnungen, die die verbündeten Gegner auf die Kosakenscharen setzten, an
unserem Grenzschutz zu nichte geworden. Wir haben nicht einmal unsere
selbständigen Kavalleriedivisionen einsetzen müssen; es genügte die
Wachsamkeit und Tapferkeit unserer ostpreußischen Linieninfanterie und
Landwehrmannschaften, um uns jene unkultivierten Gäste vom Halse zu
halten. Wie verhältnismäßig gering sind die Verluste, die unsere
tapferen Truppen bei Erfüllung ihrer schweren Aufgabe erlitten haben. Daß
es im Kriege nun einmal nicht ohne Verluste abgeht, ist eine traurige,
aber unabwendbare Tatsache, doch im Vergleich
zu dem Erreichten, im Vergleich dazu, daß es bis jetzt verhindert werden
konnte, daß unsere blühenden Dörfer und Städte an der Grenze in
Flammen aufgingen, ist die Zahl der Toten und Verwundeten, über die die
jetzt ausgegebene Verlustliste berichtet, nicht hoch. Denn daß die Kämpfe
hart gewesen sind, beweisen die großen Verluste, die den russischen
Eindringlingen von unseren Truppen beigebracht worden sind. Eine ganze
russische Kavalleriebrigade wurde vernichtet, acht Geschütze sind in
unsere Hände gefallen und eine große Anzahl der gefürchteten Kosaken
sind zu Gefangenen gemacht worden. Die verhältnismäßig geringen
Verluste auf deutscher Seite sind ein Beweis dafür, wie sparsam unsere Führung
mit dem Blute der ihr anvertrauten Truppen umgeht. Man kann nun die feste
Zuversicht haben, daß nur die Opfer an Menschenleben gebracht werden, die
zur Erreichung des hohen Zieles unbedingt notwendig sind.
Ein Zeugnis größter Tapferkeit und kühnen Wagemutes ist die Eroberung
von Lüttich, auf dessen Besitz unsere Heeresleitung den größten Wert
legen mußte. Eine von den Gegnern als uneinnehmbar bezeichnete moderne
Festung wurde ohne jede Belagerung im Sturme genommen. Das hätten die
Belgier wohl nicht erwartet, als sie sich an die Seite Frankreichs
stellten und die französischen Truppen zum Einmarsch einluden. Der Sturm
auf Lüttich wird natürlich Opfer gekostet haben, aber wie viel höher wären
diese geworden durch eine langwierige Belagerung, bei der sich der
schlimmste Feind einer Feldarmee, Krankheit, einzustellen pflegt. Diese
Eroberung von Lüttich hat aber auch bewiesen, daß wir uns auf die
Mitteilungen unserer Heeresleitung unbedingt verlassen können. Als der
erste Handstreich nicht glückte, ist es offen zugegeben worden, ohne jede
Beschönigung. Diese Offenheit und Ehrlichkeit wird auch in Zukunft von
dem Großen Generalstab geübt werden. Deshalb ist es auch eine
patriotische Pflicht, daß unsere Bevölkerung allen alarmierenden Gerüchten
entschieden entgegentritt. Solche Gerüchte werden von den Agenten unsrer
Gegner ausgestreut, um zu verwirren und um unserem Volke die Besonnenheit
und das Vertrauen zu unserer militärischen Führung zu rauben. Diese
Irreführung muß mit der größten Bestimmtheit zurückgewiesen werden,
und es muß sich in allen Schichten durchsetzen, daß man nur das als wahr
hinnimmt, was von amtlicher militärischer Seite uns mitgeteilt wird. Dazu
muß natürlich jeder ein Opfer an Geduld bringen. Solange der Aufmarsch
nicht vollendet ist, kann ohne Schaden für unsere Armee über
Einzelheiten nicht berichtet werden; wenn erst entscheidende Schlachten
geschlagen sind und die Karten offenliegen, dann werden die Nachrichten reichlicher fließen. Also bis dahin Geduld.
Diese können wir umso eher üben, als jeder schon nach den vortrefflichen
Gang unserer Mobilmachung und der Zuversicht, die in unseren Truppen gegenüber
ihrer Führung herrscht, die Gewißheit haben kann: Es geht alles gut.
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