Der Weltkrieg am 16. August 1914

 

Die Abreise des Kaisers 

Berlin, 16. Aug. (W. B.) 
Der Kaiser hat heute 8 Uhr Vormittag in der Richtung Mainz Berlin verlassen.

Berlin, 16. Aug. (W. B.) 
Der Oberbürgermeister und der Stadtverordnetenvorsteher brachten heute Morgen dem Kaiser kurz vor der Abreise im Schloß die Abschiedsgrüße der Stadt Berlin.
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Der Kaiser an die Berliner Bürgerschaft 

Berlin, 16. Aug. (W. B.) 
Der Kaiser hat an den Oberbürgermeister von Berlin folgenden Erlaß gelangen lassen:

Der Fortgang der kriegerischen Operationen nötigt mich, mein Hauptquartier von Berlin zu verlegen. Es ist mir ein Herzensbedürfnis, der Berliner Bürgerschaft mit meinem Lebewohl innigsten Dank zu sagen für alle die Kundgebungen und Beweise der Liebe und Zuneigung, die ich in diesen großen und schicksalsschweren Tagen in so reichem Maße erfahren habe. Ich vertraue fest auf Gottes Hilfe, auf die Tapferkeit von Heer und Marine und die unerschütterliche Einmütigkeit des deutschen Volkes in den Stunden der Gefahr. Unserer gerechten Sache wird der Sieg nicht fehlen.

Berlin im Schloß, 16. August 1914.

Wilhelm. 2)

 

Eine Proklamation des hessischen Großherzogspaares

Ernst Ludwig von Hessen
Großherzog Ernst Ludwig von Hessen

Darmstadt, 16. Aug. 
Der Großherzog hat nach der "Darmst. Ztg." dem Staatsminister v. Ewald bei seiner Abreise zur Armee nachfolgendes Schreiben mit dem Auftrage übergeben, seinen Inhalt zur Kenntnis des Landes zu bringen:

An mein Hessenvolk! 

Jetzt, wo ich im Begriff stehe, zu den Brüdern, die im Felde sind, zu gehen, die im heißen Kampfe für die Freiheit des deutschen Geistes, des deutschen Volkes und unseres geliebten Hessenlandes stehen, grüße ich Euch noch einmal, alle meine Hessenkinder, die ich über alles liebe. Jeder Mann und Ihr Frauen alle, die Ihr zurückbleibt, seid nötig an unserer Stelle. Arbeitet mit frohem Mut, niemand bleibe müßig. So werdet Ihr zuhause das erhalten können, wofür unsere Soldaten ihr Alles und ihr Leben opfern, das strahlende deutsche Reich, in dessen stolzer Krone mein Hessenland eine der leuchtendsten Perlen ist. Gott grüße Euch! 

Ernst Ludwig.

Die Großherzogin hat in Anschluß hieran folgende Proklamation erlassen:

Der Großherzog, mein teurer Gemahl, ist ins Feld gezogen, um seinen Truppen nahe zu sein, die berufen sind, für unser Vaterland gegen die Feinde zu streiten. Für die Dauer seiner Abwesenheit hat er mich mit seiner Stellvertretung in Ausübung der Regierungsrechte betraut. Ich weiß, daß unser Volk mir hierin treu zur Seite stehen und mich in den schweren Aufgaben, die die Zeit uns auferlegt, unterstützen wird. Gott Schütze den Großherzog, unsere Truppen und unser Vaterland.

Eleonore, 
Großherzogin von Hessen und bei Rhein.
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Begnadigung der Fremdenlegionäre 

Berlin, 16. Aug. (Priv.-Tel.) 
Das neu erschienene "Armeeverordnungsblatt" enthält folgenden Erlaß des Kaisers: 

"Ich will, sofern nicht das Begnadigungsrecht einem der hohen Bundesfürsten zusteht, denjenigen Fremdenlegionären deutscher Abstammung, die sich der Fahnenflucht (§ 69 - Str.G.-B.) oder der Wehrpflichtverletzung (§ 140 R.Str.-G.-B.) schuldig gemacht haben, hinsichtlich der verwirkten
Freiheits- und Ehrenstrafen Begnadigung in Aussicht stellen, wenn sie während des gegenwärtigen Krieges, spätestens aber innerhalb dreier Monate, vom heutigen Tage ab gerechnet, sich bei einem deutschen Truppen- oder Marineteil, einem deutschen Kriegsschiff, einem deutschen Konsulat oder in einem deutschen Schutzgebiet zum Dienst melden. In besonderen Fällen wird eine Frist stattfinden. Ausgeschlossen von dieser Gnadenerweisung bleiben diejenigen, die zu Zuchthausstrafen verurteilt oder auf Grund eines gerichtlichen Urteils aus dem Heere oder der Marine entfernt worden sind oder im gegenwärtigen Kriege gegen Deutschland gekämpft haben.

Berlin, 12. August 1914.

Gez. Wilhelm." 2)

 

Delbrück Vizepräsident im Staatsministerium 

Dr. Clemens Delbrück
Dr. Clemens Delbrück

Berlin, 16. Aug. 
Die Ernennung des Staatsministers Dr. Delbrück zum Vizepräsidenten des Staatsministeriums wird bekannt gegeben.
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Vom östlichen Kriegsschauplatz 

Wien, 16. Aug. (Amtliche Meldung) 
Unsere Truppen haben am 14. August nach heftigen Kämpfen den Feind aus einer seit langer Zeit befestigten, stark besetzten Aufstellung auf den östlichen Uferhöhen der Drina nächst Ljesnica geworfen. Hier sowohl wie bei Schabatz wurden am 14. August nachmittags und in der Nacht zum 15. August zahlreiche mit großer Tapferkeit geführte Gegenangriffe der Serben abgewiesen. Heute haben unsere Truppen das Vorrücken fortgesetzt; eine Fahne, zwei Geschütze und zwei Maschinengewehre wurden erbeute. Die Verluste des Feindes sind schwer, doch auch unsere Verluste sind nicht unbeträchtlich. Montenegrinische Streitkräfte, die auf unser Gebiet einzudringen versuchten, wurden allenthalben zurückgeworfen.
Im Norden gingen unsere Truppen westlich der Weichsel vor. Auch östlich der Weichsel sind wir bereits im Vordringen begriffen. 
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Die Haltung Italiens 

Berlin, 16. Aug. (Priv.-Tel.) 
Die von dem italienischen Geschäftsträger in Berlin, der den nach Rom gereisten Botschafter Bollati vertritt, im Namen seiner Regierung erlassene Erklärung, daß die Ausstreuungen, Italien nehme gegenüber Deutschland und Österreich-Ungarn eine wenig freundliche Haltung ein, unbegründet seien, laßt den Schluß zu, daß die starken französischen und englischen Einflüsse, die Italien von seiner Neutralität abbringen sollen, bis jetzt erfolglos geblieben ist. Inzwischen ist Botschafter Bollati in Rom eingetroffen und wird über den tatsächlichen Stand der Dinge auf dem Kriegsschauplatz Klarheit verbreiten.
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Die Haltung Japans 

Rom, 16. Aug. (Priv.-Tel.) 
Nach einer in Rom verbreiteten Havas-Meldung aus London sollte Japan an Deutschland den Krieg erklärt haben. Hiergegen erklärt die japanische Botschaft in Rom, der casus foederis mit England liege noch nicht vor. Er trete erst ein, wenn Deutschland die englischen Besitzungen im fernen Osten bedrohe oder japanische Interessen verletze.
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Unsere Häfen sind offen 

Berlin, 16. Aug. (W. B.) 
Die in dem neutralen Ausland verbreitete Ansicht, daß deutsche Häfen blockiert und der Schiffsverkehr mit Deutschland unterbunden sei, ist unzutreffend. Kein Hafen ist blockiert, dem Schiffsverkehr neutraler Staaten mit Deutschland steht nichts im Wege. Die von englischer Seite ausgestreuten Behauptungen, die Nordsee sei von deutscher Seite mit Minen verseucht, sind unrichtig. Neutrale Schiffe für die deutschen Nordseehäfen haben bei Tage zehn Seemeilen nordwestlich von Helgoland anzusteuern. Dort ist deutscherseits für Lotsen gesorgt, welche die Schiffe in die Häfen geleiten. Die Ostseehäfen haben neutrale Schiffe direkt anzusteuern; vor jedem Hafen stehen Lotsen zur Verfügung. Das Kohlenausfuhrverbot ist nicht auf Bunkerkohlen ausgedehnt, die Kohlenversorgung ist gewährleistet.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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