Der
österreichisch-ungarische Heeresbericht:
Die
Kämpfe im Südosten
Wien,
4. Septbr. (W. B.)
Aus dem Bereich der Armeen Dankl und Auffenberg wurden bisher 11600
Kriegsgefangene abgeschoben, etwa 7000 sind vorerst noch angekündigt.
In der Schlacht an der Huczwa wurden, soweit bisher bekannt, 200 Geschütze,
sehr viel Kriegsmaterial, zahlreicher Train, vier Automobile und die Feldkanzleien
des 9. und 10. russischen Armeekorps mit wichtigen Geheimakten erbeutet.
Der Feind ist in vollem Rückzuge. Unsere Armee verfolgt ihn mit ganzer
Kraft.
Auf dem Kriegsschauplatz am Balkan drang die von Generalmajor Pongracz
befehligte 3. Gebirgsbrigade, die schon einmal einen kühnen Vorstoß
in das rauhe, kriegerische Montenegro erfolgreich durchgeführt hat,
vor einigen Tagen von neuem gegen die auf den Grenzhöhen bei Bilek
stehenden Montenegriner vor und warf die an Zahl überlegenen feindlichen
Kräfte in mehrtägigem Angriff zurück, nahm ihnen dabei
auch schwere Geschütze ab und degagierte durch die kühne Tat
die von den Montenegrinern bedrängte Grenzbefestigung.
Der Stellvertreter
des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
Österreichisches
Kriegspressequartier, 4. Septbr. (Priv.-Tel.)
Während heute in dem ungeheuren Ringen um Lemberg eine Kampfpause
eingetreten ist, nützt die Armee Auffenberg ihren nach achttägigem
schweren Kampfe errungenen Sieg nach Kräften weiter aus. Der Armee
Auffenberg war nämlich die schwerste Aufgabe zuteilgeworden, da der
mit weit überlegenen Kräften unternommene Vorstoß der
Russen aus dem Versammlungsraume um Cholm direkt von Norden nach Süden
auf Lemberg, also in die Flanke und in den Rücken der östlich
hiervon stehenden österreichisch-ungarischen Armee geführt hatte,
gegen die ohnehin der Stoß der russischen Hauptmacht gerichtet war.
Ein Erfolg der russischen Westarmeen hätte daher zu einer erdrückenden
Umklammerung und einer schließlichen Katastrophe der in Ostgalizien
ohnehin schwer gegen die russische Übermacht kämpfenden Armeeteile
führen können. Viel weniger bedenklich war der Vorstoß
der anderen russischen Westarmee über Lublin, da dieser im Falle
des Erfolges doch zu weit von den in Ostgalizien engagierten österreichischen
Truppen geendet hätte. Wie besonders die Bedeutung der russischen
Offensive über Zamosc vom Armeeoberkommando eingeschätzt wurde,
erhellt wohl daraus, daß man trotz des Bewußtseins, daß
ein übermächtiger Stoß von Osten zu gewärtigen sei,
die noch nicht eingesetzte Armee Auffenberg nordwärts dirigierte
und sie schließlich noch durch das Korps des Erzherzogs Josef Ferdinand
verstärkte. Im Osten konnte man hoffen, allerdings nur im festen
Vertrauen auf die eherne Widerstandskraft und Disziplin der Truppen, genügend
lang ausharren zu können. Freilich gehörte zu diesem Entschlusse
auch ein ungewöhnliches Maß von Großzügigkeit und
Mut der Verantwortung. Alle Voraussetzungen sind glänzend eingetroffen.
Ein für die künftige Kriegsgeschichte mustergültiges Beispiel
für Kämpfe größten Stiles auf der inneren Linie gegen
einen übermächtigen Feind ist von der österreichisch-ungarischen
Armee mit herrlichem Erfolge unter schwersten Verhältnissen durchgeführt
worden.
Die genaueren Mitteilungen, die ich erhielt, ergänzen das gestern
vom Generalstabe ausgegebene Communiqué. In den schweren, den endlichen
Sieg der Armee Auffenberg vorbereitenden Kämpfen um Zamosc wetteiferten
mährische Truppen und niederösterreichische Landwehr-Regimenter
in ihrem unaufhaltsamen Drange nach vorwärts. Die Schwierigkeiten
waren außerordentlich, da die Russen sich überall in stark
befestigten Stellungen befanden und sich in Folge ihrer bereits zur Stelle
befindlichen Reserveformationen in den Schützengraben ablösen
konnten, während die unseren, wie übrigens auch um Lemberg,
ihre Kampflinie Tag und Nacht nicht verlassen konnten und es stets mit
gut ausgeruhten Gegnern zu tun hatten. Schließlich bildeten die
Höhen um Komarow den Brennpunkt der Kämpfe und den Schlüssel
der russischen Position. Die Russen erkannten dies sehr wohl und konnten
infolge ihrer numerischen Überlegenheit den Durchbruch sackartig
nach Westen versuchen, bis in diesem kritischsten Schlachtmomente das
Korps des Erzherzogs durch die Erstürmung der Höhen von Tyszowce,
die stark befestigt waren und auch eine Reihe feldmäßig verstärkter
Ortschaften als Stützpunkte aufwiesen, der Krise die entscheidende
Wendung zum Guten brachte. Im Westen schlossen sich die Truppen des Generals
Boroevics dieser Aktion an.
Nun waren die Russen, deren Zentrum sich unmittelbar vor der gänzlichen
Einschließung sah, gezwungen, den Angriff auf die Mitte der österreichisch-ungarischen
Front einzustellen Unsere Truppen drängten aber den zurückgehenden
feindlichen Abteilungen sofort mit allem Nachdruck nach und ließen
die Russen nicht zu Atem kommen. Diese suchten durch die zähe Verteidigung
der Höhen von Komarow den Abmarsch ihres östlichen Flügels
soweit zu decken, daß er möglichst geordnet vor sich gehen
konnte. In diesem Augenblick erst kam der ungemein kräftig geführte
Vorstoß der Armee des Erzherzogs zu seiner vollen Geltung. Der Schneid
der tiroler, salzburger und der oberösterreichischen Truppen war
bewunderungswürdig. Sie erkämpften die Herrschaft über
die beiden für den russischen Rückzug bedeutsamen Straßen
von Staroe, Sielo und Tyszowce nach Krylow und Grubieszow zum Bug, sodaß
die noch nicht entkommenen Teile der russischen Armee in schwere Bedrängnis
gerieten Tatsächlich krönte dann die Gefangennahme großer
Teile der zurückgehenden Russen sowie die Eroberung fast der ganzen
russischen Artillerie das Werk des ruhmvollen Tages. Die Vernichtung des
Artilleriebestandes der russischen Westarmee ist umso bedeutsamer, als
die zahlenmäßige Überlegenheit der feindlichen Artillerie
die österreichisch-ungarischen Truppen zeitweise stark leiden ließ.
Die ungeheure Bedeutung dieser gesamten Ereignisse liegt darin, daß
die drohende nördliche Umfassung des österreichisch-ungarischen
Zentrums endgültig verhindert ist.
Lemberg wurde gestern von unseren Truppen freiwillig geräumt. Die
Russen beschossen noch heute morgen längere Zeit unsere verlassenen
Stellungen. 2)
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