Der Weltkrieg am 24. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Günstige Teilkämpfe im Westen

Großes Hauptquartier, 24. September, abends.
Auf dem westlichen Kriegsschauplatz sind heute im allgemeinen keine wesentlichen Ereignisse eingetreten. Einzelne Teilkämpfe waren den deutschen Waffen günstig.
Aus Belgien und vom östlichen Kriegsschauplatz ist nichts Neues zu melden.
1)

 

Vom siegreichen Heere Hindenburgs

Berlin 24. September (Priv.-Tel.) 
Die "Königsberger Hartungsche Zeitung" veröffentlicht folgenden in Insterburg am 15. September erlassenen Tagesbefehl des Generalobersten v. Hindenburg an seine Ostarmee:

Soldaten der 8. Armee. Ihr habt neue Lorbeeren um Eure Fahnen gewunden. In zweitägiger Schlacht an den masurischen Seen und in mehrtägiger rücksichtsloser Verfolgung durch Littauen hindurch bis weit über die russische Grenze hinaus habt Ihr nun auch die letzte der beiden in Ostpreußen eingedrungenen feindlichen Armeen, die aus den 2., 3., 4., 20., 22. Armeekorps, dem 3. sibirischen Armeekorps, der 1. und 5. Schützenbrigade, der 53., 54., 56., 57., 72. und 76. Reservedivision, der 1. und 2. Gardekavalleriedivision bestehende Wilnaer Armee, nicht nur geschlagen, sondern zerschmettert. Bis jetzt sind mehrere Fahnen, etwa 30000 unverwundete Gefangene, mindestens 150 Geschütze, viele Maschinengewehre und Munitionskolonnen sowie zahllose Kriegsfahrzeuge aus den weiten Gefechtsfeldern angebracht worden. Die Zahl der Kriegsbeute nimmt aber immer noch zu. Eurer Kampfesfreudigkeit, Euren bewunderungswürdigen Marschleistungen und Eurer glänzenden Tapferkeit ist dies zu danken. Gebt Gott die Ehre, er wird auch ferner mit uns sein. Es lebe Seine Majestät der Kaiser und König.

Der Oberbefehlshaber:
v. Hindenburg, Generaloberst.

 

Die deutsche Gesandtschaft in Kopenhagen hat dem Bureau Ritzau, wie das "B. T." erfährt, mitgeteilt daß sich die Reste der südlich von Insterburg geschlagenen Armee Rennenkampfs (russisches Njemenheer) nur durch eilige Flucht über den Njemen hinter die Festungen Olita und Kowno retten konnten. Nach einer vorläufigen Zählung sind allein bei Tannenberg und in den masurischen Seen 150000 Russen umgekommen. Die bisher auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen erbeuteten feindlichen Geschütze belaufen sich schon auf über 2000.

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb am 24. September 1914:
In Galizien ist nach der Räumung Lembergs und der Neuordnung der österreichisch-ungarischen Armeen in einer längst vorbereiteten, stark befestigten Stellung ein gewisser Stillstand der Operationen eingetreten, da die Russen offensichtlich nach den langen Kämpfen schwer ermüdet sind und der Nachschub von Verstärkungen anscheinend nicht mehr in dem nämlichen Tempo wie früher erfolgt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Siege der Armee Hindenburg die Russen nötigen, größere Kräfte an den durch die Deutschen bedrohten Stellungen zu bilden. Trotz alledem fahren sie fort, die Welt mit Siegesnachrichten zu überschütten, die der Tripelentente freilich nur eine geringe Entschädigung für das völlige Versagen ihrer Pläne gegen Deutschland bieten können. Wie unzuverlässig dabei selbst die amtliche Bekanntmachungen des russischen Oberkommandos sind, geht schon daraus hervor, daß am 14. September das amtliche Petersburger Nachrichtenbureau der Welt verkündete, Rußland habe bereits 200000 Kriegsgefangene gemacht während die nämliche Nachrichtenquelle zwei Tage später die Zahl der Kriegsgefangenen noch auf "über 100000" beziffert.
Bei solchen maßlosen Übertreibungen werden schließlich auch die Neutralen den Wert der russischen Meldungen sehr niedrig einschätzen.

 

38000 Eiserne Kreuze

Berlin, 24. September. (Priv.-Tel.) 
Wie wir hören, konnten in diesem Feldzuge bis jetzt etwa 38000 Eiserne Kreuze erster und zweiter Klasse verliehen werden. Die vor dem Feinde verliehenen Orden und Ehrenzeichen können beim Tode des Inhabers den Hinterbliebenen auf deren Wunsch belassen werden. Auch ist gestattet, diese Auszeichnungen auf Wunsch der Beteiligten in den Kirchen aufzubewahren.
2)

 

Die Vernichtung der englischen Panzerkreuzer

Amsterdam, 24. September. (Priv.-Tel.)
Die englische Presse sucht nach Möglichkeit den gewaltigen Eindruck abzuschwächen, den der Verlust von drei großen Kreuzern im Publikum hervorruft, aber die Tatsache, daß alle Blätter spaltenlange Leitartikel darüber bringen, zeigt zur Genüge, wie ernst der Vorfall genommen wird. Die "Daily News" sagt gerade heraus, das Unglück, das die britische Flotte in der Nordsee getroffen habe, sei das ernsthafteste, das irgend eine der Mächte zur See bis jetzt in diesem Krieg erlitten habe. Dann zeigt das Blatt, daß die deutsche Flotte in ihrem Hafen sicher geborgen, sozusagen blockiert sei, während die englische Flotte die Aufgabe habe, die Ratte aus dem Loch zu locken, weshalb sie immer Unterseeangriffen bloßgestellt sei. Einmütig möchte die Presse die verlorenen Schiffe als veraltet hinstellen. Die "Times" tut dabei entrüstet, weil zwei der großen Kreuzer in Grund gebohrt wurden, während sie die Schiffbrüchigen, des "Aboukir" retten wollten. Das Ereignis zeige, welch tödliche, machtvolle Waffe das Unterseeboot sei, das, wahrscheinlich von Emden kommend, einen Aktionsradius von 2000 Meilen besitze. Die "Daily News" betitelt ihren Artikel: "Ein neuer Schreck der Meere" und sagt, der Materialschaden sei zwar groß, man könne aber hoffen, daß der moralische Einfluß gleich Null sei.

London, 24. September. (W. B.)
Die "Times" schlägt anläßlich des Unterganges von drei Kreuzern vor, die deutsche Küste mit einem Minengürtel zu umgeben, um den Feind einzuschließen.

London, 24. September. (W. B.)
"Manchester Guardian" sagt, man dürfe den Verlust der Schiffe nicht leicht nehmen. Hätten englische Unterseeboote in wenigen Minuten drei Kreuzer zerstört, so hätte man das eine brillante Leistung genannt.

Rom, 24. September. (W. B.)
Die Vernichtung dreier großer englischer Kreuzer durch ein einziges deutsches Unterseeboot machte hier ungemein großen Eindruck. Man geht kaum fehl, wenn man sagt, daß diesem Seeerfolg für die Bewertung der deutschen Machtstellung durch die italienische Bevölkerung höher anzuschlagen ist als die bisherigen bedeutendsten Landsiege.
"Popolo Romano" schreibt: Für unsere Marine hat diese Tat unter Berücksichtigung unserer maritimen Lage ganz hervorragende Bedeutung. Die Episode ist der springende Punkt des Tages, während noch die Schlacht zwischen den Franzosen und den Deutschen ohne hervorstechende Veränderungen andauert. Die "Vita" schreibt: Der Verlust dieser drei schönen Schiffe ist auch für eine grandiose Flotte wie die englische fühlbar. Aber größer als der materielle Schaden wird für England der moralische Effekt fühlbar sein. Unterseeboote haben diese drei Kreuzer angegriffen, weil sie nichts Besseres vor sich hatten, aber sie hätten auf dieselbe Weise die stärksten Linienkreuzer angreifen und in gleicher Weise versenken können. Die "Tribuna" meint: Die Vernichtung der englischen Kreuzer ganz nahe an der belgischen Küste beweist, daß die Anwendung von Unterseebooten im modernen Kriege, wenn sie von kühnen und geschickten Leuten geführt werden, viel einschneidender ist, als bisher die Flottensachverständigen glaubten. Die Höhe von Hoek van Holland ist einige hundert Meilen von der Operationsbasis der deutschen Flotte entfernt. Es ist deshalb für uns ein gewisses Wunder, daß die Unterseeboote sich so weit von der Basis entfernen und dabei eine so große Offensivkraft in den Meeresarm der Nordsee tragen konnten, der die englische von der holländischen Küste trennt.

Stockholm, 24. September. (Priv.-Tel.)
Die Vernichtung der drei englischen Panzerkreuzer durch ein einziges deutsches Unterseeboot macht in Schweden tiefen Eindruck. Man sieht sich infolge der deutschen Überlegenheit mit dieser technischen Waffe zu einer Umwertung aller maritimen Werte gezwungen. Der Glaube, daß Englands Seeherrschaft durch seine Schiffsriesen unbedingt gesichert sei, ist in den nordischen Staaten ins Wanken geraten.
2)

 

Die Japaner gegen Tsingtau

Frankfurt, 24. September.
Die Meldungen, die bisher über die Vorgänge vor und um Tsingtau vorliegen, stammen, wie ganz erklärlich, lediglich aus japanischen beziehungsweise englischen Qullen. Sie sind daher in keiner Weise kontrollierbar, doch zeigen diese Meldungen eine gewisse Logik, so daß man ihrer Wahrhaftigkeit Glauben schenken und daraus Schlüsse über das Vormarschsystem der Japaner ziehen kann.
Von vornherein war es klar, daß die Japaner, um tatkräftig gegen das deutsche Schutzgebiet vorgehen zu können, auf chinesischem Boden Truppen landen, das heißt die chinesische Neutralität verletzen müßten. Das scheint nunmehr geschehen zu sein. Eine Pekinger Nachricht meldet zunächst, daß die chinesische Regierung, ihrer Handlungsweise im russisch - japanischen Kriege folgend - Präzedenzfälle sanktionieren in China alles - das Gebiet Lungkow - Laitschou -Kiautschou für die kriegerischen Operationen freigegeben habe. Durch dieses chinesische Zugeständnis wird den Japanern also die Möglichkeit gegeben, von der Landseite aus gegen Tsingtau vorzugehen. Das erscheint als ein keineswegs freundlicher Akt Chinas Deutschland gegenüber. Man geht indessen wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß sich die chinesische Regierung nur unter starkem Druck zu diesem Zugeständnis bereit erklärt hat. Wir wollen den Chinesen also nicht grollen, denn schließlich ist es am Ende besser für die deutschen Interessen im fernen Osten, daß China nicht selbst mit in den Krieg hinein verwickelt wird, als wenn die chinesische Regierung dem japanischen Neutralitätsbruch einen aussichtslosen Widerstand entgegensetzen würde.
Die von den Japanern getroffene Wahl des Operationgebietes ist durchaus geschickt. Lungkow ist ein Vertragshafen, den China kürzlich dem internationalen Handel geöffnet hat. Die natürliche Beschaffenheit dieses Hafens gestattet den kleinen Küstendampfern, über die Japan in großer Zahl verfügt, einen ungehinderten Zutritt. Truppenlandungen können also mit Leichtigkeit erfolgen. Lungkow liegt am Golf von Tschili, Port Arthur gegenüber. Die Truppentransporte haben demnach keinen großen Weg zurückzulegen, auch können sie leicht gegen Überraschungen geschützt werden; denn die durch zahlreiche Inseln beschränkte Zahl von Fahrstraßen durch die Meerenge von Tschili ist mit Leichtigkeit abzusperren. Von Lungkow bis zur Schantungbahn ist es nicht weit. Eine neue Meldung vom fernen Osten besagt nun, daß die Japaner in Schantung den Bau einer Feldbahn zum Transport von Truppen unternommen hätten. Die Annahme erscheint also berechtigt, daß die Japaner sich bemühen, Lungkow oder einen anderen Punkt an der Bucht von Laitschou mit der Schantungbahn durch einen Schienestrang zu verbinden. Die Japaner sind also bemüht, feste rückwärtige Verbindungen herzustellen, bevor sie die eigentliche Belagerung von Tsingtau eröffnen. Es ist ferner bemerkenswert, daß in dem von China eingeräumten Operationsgebiet der englische Hafen Weihaiwei liegt, die Japaner in tiefem also für ihre Landungsbewegungen einen seitlichen Stützpunkt haben.
Telegramme, die am 17. September hier eintrafen melden, daß die Bahnstation von Kiautschou von Japan benutzt sei und japanische Kavallerie Tsimo erreicht habe. Diese Meldungen brauchen in keiner Weise zu beunruhigen, sie bedeuten nur, daß die Japaner im Anmarsch auf unser Schutzgebiet sind. Das chinesische Kiautschou hat mit der deutschen Kolonie nichts als den Namen gemein. Kiautschou liegt am entgegengesetzten Ufer der Bucht, der es den Namen gibt, und es ist eigentlich unverständlich, wie unsere Besitzung als Kiautschou-Pachtgebiet bezeichnet werden konnte. Wenn die Japaner jetzt die Hand auf die Bahnstation von Kiautschou gelegt haben, so haben sie damit also keineswegs deutsches Gebiet besetzt und auch nicht in die deutsche Verteidigungslinie eingegriffen. Was nun Tsimo anbetrifft, so braucht uns das Auftreten von japanischer Kavallerie an jener Stelle erst recht nicht zu beunruhigen. Tsimo liegt weit außerhalb der Laoschang-Gruppe, die Tsingtau als natürliches Bollwerk gegen das chinesische Inland stützt, und so lange die Japaner dieses nicht überschritten haben, kann überhaupt von einer eigentlichen Belagerung von Tsingtau noch nicht die Rede sein. Wir haben also nach den vorliegenden feindlichen Meldungen bisher nur mit vorbereitenden Maßregeln der Japaner zu tun, und der eine Monat, der seit der japanischen Kriegserklärung verflossen ist, hat die deutsche Kolonie unbehelligt gelassen. Wenn jetzt der japanische Aufmarsch wohl auch bald beendet sein wird, so ist Tsingtau gerüstet und wird sich zu verteidigen wissen.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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