Der Weltkrieg am 13. Oktober 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erbitterte Kämpfe im Argonnenwald -
Russischen Niederlage bei Schirwindt

Großes Hauptquartier, 13. Oktober, vormittags.
Heftige Angriffe des Feindes östlich Soissons sind abgewiesen worden. Im Argonnenwalde finden andauernd erbitterte Kämpfe statt. Unsere Truppen arbeiten sich in dichtem Unterholz und äußerst schwierigem Gelände mit den Mitteln des Festungskrieges Schritt für Schritt vorwärts. Die Franzosen leisten hartnäckigen Widerstand, schießen von den Bäumen und mit Maschinengewehren von Baumkanzeln und haben durch etagenweise angelegten Schützengraben starke festungsartige Stützpunkte eingerichtet.
Die von der französischen Heeresleitung verbreiteten Nachrichten über Erfolge ihrer Truppen in der Woëvre-Ebene sind unwahr. Nach Gefangenenaussagen ist den Truppen mitgeteilt worden, die Deutschen seien geschlagen und mehrere Forts von Metz bereits gefallen. Tatsächlich haben unsere dort fechtenden Truppen an keiner Stelle Gelände verloren. Etain ist wieder voll in unserem Besitz. Die jetzigen französischen Angriffe gegen unsere Stellung bei St. Mihiel sind sämtlich abgewiesen worden.
Unsere Kriegsbeute von Antwerpen läßt sich auch heute noch nicht übersehen. Die Zahl der in Holland Entwaffneten ist auf über 28000 Mann gestiegen. Nach amtlichen Londoner und niederländischen Nachrichten befinden sich dabei auch 2000 Engländer. Scheinbar haben sich viele belgische Soldaten in Zivilkleidung nach ihren Heimatsorten begeben. Der Gebäude und Materialschaden in Antwerpen ist gering. Die Schleusen- und Fähren-Anlagen sind vom Feinde unbrauchbar gemacht worden. Im Hafen befinden sich 4 englische, 2 belgische, 1 französischer, 1 dänischer, 32 deutsche und 2 österreichische Dampfer, sowie 2 deutsche Segelschiffe. Soweit deutsche Schiffe bisher untersucht worden sind, scheinen die Kessel unbrauchbar gemacht worden zu sein.
Auf dem ostpreußischen Kriegsschauplatz verlief der 11. Oktober im allgemeinen ruhig. Am 12. Oktober wurde ein erneuter Umfassungsversuch der Russen bei Schirwindt abgewiesen. Sie verloren dabei 1500 Gefangene und 20 Geschütze.
In Südpolen wurden die russischen Vortruppen südlich von Warschau durch unsere Truppen zurückgewiesen. Ein Übergangsversuch der Russen über die Weichsel südlich Iwangorod wurde unter Verlusten für die Russen verhindert.
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Die Reiterkämpfe in Nordfrankreich

Paris, 13. Oktober. (Priv.-Tel.)
Die großen Reiterkämpfe von Lille bis zur Nordsee beweisen, daß der Wert der Kavallerie als Kampfwaffe heute noch besteht. In Paris weiß man nur, daß es zu malerischen Gemengen zwischen beiden Kavallerien gekommen ist. Das Gelände dort eignet sich wenig für Reiteroperationen, es weist nur wenige gute Landstraßen aus, ist sumpfig und durch zahlreiche Wasserläufe unterbrochen. Natürlich schreibt man in Paris das Vordringen der deutschen Reiterei in dieser schwierigen Gegend einem ausgedehnten Spionagedienst zu. Die Franzosen haben schon mit der Füsilierung ihrer eignen Landsleute begonnen. Über den deutschen Reitererfolg tröstet man sich mit der Annahme, daß die Absicht der Deutschen, die Bahnverbindungen zwischen den großen Industriezentren des Nordens zu zerstören, fehlgeschlagen sei.
Im Zentrum der Schlachtlinie, sagt man, herrsche seit einigen Tagen vollständige Ruhe, die Schützengräben seien einander so nahe, daß sich die Soldaten Beschimpfungen wie zur homerischen Zeit zuriefen. Das Wetter ist günstig, tagsüber laue Herbstsonne, nachts allerdings, empfindliche Kühle.
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Die deutschen Flieger über Paris

Paris, 13 Oktober. (Priv.-Tel.)
Das heutige Erscheinen deutscher Flieger macht großen Eindruck auf das Volk, namentlich da man ihm einredet, der Zweck ihres Erscheinens sei, auch Notre Dame und andere Bauwerke zu zerstören. Die gesamte Presse beschäftigt sich mit der Angelegenheit, die Abgeordneten von Paris fordern von der Regierung energische Maßregeln. Um Paris herum sollen Fesselballons zur Beobachtung aufsteigen, die das Nahen deutscher Flieger telephonisch melden. Auch auf dem Eiffelturm soll ein Beobachtungsposten eingerichtet werden. Ferner sollen fortwährend französische Flieger über Paris kreuzen.

Paris, 13. Oktober. (W. B.)
Gestern Vormittag 10 Uhr überflog eine Taube Paris und warf sechs Bomben ab. Eine durchschlug das Glasdach des Nordbahnhofs und fiel zwischen zwei Waggons; die andern fielen in die Rue Pouchet, Rue Chuchois und auf den Boulevard Clichy, ohne Schaden anzurichten. Fünf französische Flugzeuge nahmen die Verfolgung des deutschen auf. Es werden neue Fluggeschwader in den Dienst gestellt werden, um den weiteren Taubenangriffen entgegenzutreten.
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Die belgische Regierung siedelt nach Frankreich über

Genf, 13. Oktober. (Priv.-Tel.)
Um sich die Aktionsfreiheit zu erhalten, hat die belgische Regierung beschlossen, ihren Sitz nach Frankreich zu verlegen. Das ganze Kabinett außer dem Kriegsminister hat sich in Ostende nach Le Havre eingeschifft. Die französische Regierung hat bereits die nötigen Maßnahmen für die Installierung der Belgier getroffen.
Zugleich mit der belgischen Regierung begaben sich das bei ihr beglaubigte diplomatische Korps sowie eine Anzahl Beamte nach Le Havre. Der französische Marineminister ist sofort aufgebrochen, um dort die belgische Regierung, die für Dienstag erwartet wird, zu empfangen.
Die durch diese Verlegung entstandenen Fragen des internationalen Rechts sind zur Genugtuung der Verbündeten erledigt worden. Die belgische Regierung wird Exterritorialität, Abgabenfreiheit und Telegraphen-Priorität besitzen und dieselben Rechte genießen, wie sie dem Heiligen Stuhl von Italien im Gesetze über die konstitutionellen Garantien eingeräumt sind.
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Die Kämpfe in Flandern

Amsterdam, 13. Oktober. (Priv.-Tel.)
Durch den Besitz von Gent verfügt Deutschland über den wichtigsten Eisenbahn-Knotenpunkt. Nach hierher gelangten Berichten geschieht der Vormarsch auf der ganzen Strecke von Courtrai über Gent bis Selzaete, das in deutschem Besitz ist. Der Versuch des Restes des belgischen Heeres, der durch Abteilungen englischer und französischer Marinesoldaten verstärkt ist, zu der verbündeten Armee in Frankreich durchzustoßen, ist jetzt schon als mißglückt anzusehen, während die Umschließungsoperationen sich automatisch vollziehen.
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Feindliche Flieger

Karlsruhe, 13. Oktober. (Priv.-Tel.)
Nachdem bereits gestern Mittag ein feindlicher Flieger gesichtet worden war.
überflog gestern Abend ein französisches Flugzeug in mäßiger Höhe die Stadt. Der Flieger kam von Süden und ist offenbar der gleiche, der über der Baden-Badener Luftschiffhalle gesehen und von den dortigen Wachmannschaften erfolglos beschossen worden war. Auch hier wurde das Flugzeug von der Bahnhofswache und anderen Mannschaften beschossen, entkam aber in nördlicher Richtung.
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Ein russischer Kreuzer gesunken

Berlin, 13. Oktober. (W. B. Amtlich.)
Ein russischer Panzerkreuzer der Bajan-Klasse ist am 11. Oktober vor dem finnischen Meerbusen durch einen Torpedoschuß zum Sinken gebracht worden.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabs.
v. Behncke.

Berlin, 13. Oktober. (W. B. Nichtamtlich.)
Nach uns zugehenden Telegrammen verbreitet die russische amtliche Telegraphen-Agentur zu dem amtlich gemeldeten Untergang des russischen Panzerkreuzers folgende Nachricht: Am 11. Oktober, 2 Uhr nachmittags (russische Zeit) griffen feindliche Unterseeboote von neuem unsere Kreuzer "Bajan" und "Pallada", die in der Ostsee auf Vorposten waren, an. Obgleich die Kreuzer sofort ein starkes Artilleriefeuer eröffneten, gelang es gleichwohl einem Unterseeboot, ein Torpedo gegen die "Pallada" zu schießen. Auf dieser entstand eine Explosion und der Kreuzer sank mit seiner ganzen Besatzung senkrecht in die Tiefe.
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Die Kriegslage im Osten

Petersburg, 13. Oktober. (W. B. Nichtamtlich.)
Der Große Generalstab teilte am 11. Oktober folgendes mit: Auf dem linken Weichselufer haben Kämpfe in der Richtung aus Iwangorod und Warschau begonnen. Auf der übrigen Front sind keine Veränderungen zu melden.

London, 13. Oktober. (W. B. Nichtamtlich.)
Die "Morning Post" meldet aus Petersburg: Hier werden augenblicklich die Kriegsoperationen in Rußland völlig geheim gehalten. Die Heere konzentrieren sich zu einer Riesenschlacht, deren Umfang alles übertreffen wird, was bisher gekannt wurde. Es dauert wahrscheinlich noch eine Woche, bis Nachrichten von Bedeutung zu erwarten sind.

Petersburg 13. Oktober. (W. B. Nichtamtlich.)
Prinz Oleg, der Sohn des Großfürsten Konstantin, ist gestern seiner Verwundung, die er im Kampfe erhielt, erlegen.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Russen bei Przemysl zurückgeschlagen

Wien, 13. Oktober, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Gestern schlugen unsere gegen Przemysl anrückenden Kräfte, unterstützt durch einen Ausfall der Besatzung, die Einschließungstruppen derart zurück, daß sich der Feind jetzt nur noch vor der Ostfront der Festung hält. Bei seinem Rückzug stürzten mehrere Kriegsbrücken nächst Sosnica ein; viele Russen ertranken im San. Östlich Chyrow dauert der Kampf noch an. Eine Kosakendivision wurde von unserer Kavallerie gegen Drohobycz geworfen. In den durch sehr ungünstige Witterung und schlechte Wegeverhältnisse außerordentlich erschwerten Märschen und Kämpfen der letzten Wochen hat sich die Leistungsfähigkeit unserer Truppen glänzend bewährt.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Der russische Rückzug aus Galizien und Ungarn

Budapest, 13. Oktober. (Priv.-Tel.)
Die noch innerhalb der Grenzen ungarischen Landes befindlichen russischen Truppen, die sich fluchtartig über die Grenzen zu retten versuchen, erlitten in den letzten Tagen abermals schwere Niederlagen. Bei Toronya, Kaszon-Mezoe und Terebes-Feherpatak wurden sehr viele Gefangene gemacht. Auf ihrer Flucht haben die Russen in mehreren Ortschaften viele Häuser zerstört und geplündert. Soweit sich bisher übersehen läßt, hat der Einfall nach Ungarn den Russen an Verwundeten, Toten und Gefangenen etwa 15000 Mann gekostet.
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Der Mordprozeß gegen Gavrilo Princip

Sarajevo, 13. Oktober. (W. B.)
In der von der hiesigen Staatsanwaltschaft verfaßten Anklageschrift wird die Anklage gegen Princip und Genossen, insgesamt 22 Personen, wegen Hochverrats erhoben, gegen weitere drei Personen wegen Verbrechens der Mitwissenschaft und der Verheimlichung von Waffen, die für das Attentat bestimmt waren. Die Anklageschrift behandelt ausführlich die Entstehungsgeschichte der in Belgrad von Organen der Narodna Ochrana angezettelten Verschwörung. Die Verschwörer Princip, Grabez und Cabrinowitsch haben eingestanden, daß sie in Belgrad den Haß gegen die Monarchie und ihre großserbische Gesinnung eingesogen, die politische Vereinigung aller Südslawen im Sinne hatten, und daß der Zerfall Österreich-Ungarns und das Erstehen eines großserbischen Reiches ihr politisches Ideal gewesen sei. Im Dienste dieses Ideals hätten sie den Plan zu dem Mordanschlag gegen den Erzherzog Franz Ferdinand gefaßt und schließlich verwirklicht.
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Der 1. Weltkrieg im Oktober 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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