Der Weltkrieg am 5. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Abgewiesener belgischer Ausfall bei Nieuport

Großes Hauptquartier, 5. November.
Gestern unternahmen die Belgier, unterstützt von Engländern und Franzosen, einen heftigen Ausfall über Nieuport zwischen Meer und Überschwemmungsgebiet. Sie wurden mühelos abgewiesen.
Bei Ypern und südwestlich Lille sowie südlich Berry-au-Bac, in den Argonnen und den Vogesen schritten unsere Angriffe vorwärts.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz hat sich nichts Wesentliches ereignet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Sperrung der Nordsee

Berlin, 5. November.
Bei den Neutralen ruft das völkerrechtswidrige rücksichtslose und egoistische Vorgehen Englands zur See immer lebhafteren Widerspruch hervor. Die amerikanische Regierung hat bereits sehr energische Vorstellungen in London erheben lassen, und jetzt beginnen sich auch die kleineren neutralen Staaten, namentlich die skandinavischen Länder, gegen die englische Willkür zu regen. Aus Kristiania sind Zeitungsberichte hier eingetroffen, daß die Mißstimmung unter den Norwegern von Tag zu Tag wächst. Man spricht von unerhörten Übergriffen gegen das internationale Völkerrecht. Der Verein norwegischer Schiffsreeder hat eine Eingabe an das norwegische Ministerium des Äußern dagegen gerichtet, daß englische Kriegsschiffe neutrale Handelsschiffe mit Ladungen für Skandinavien völkerrechtswidrig in den englischen Hafen einbringen; sie verlangen Schadenersatz für die dadurch entstandenen Verluste von England. Aber bisher hat dieser Protest der skandinavischen Länder bei den Engländern nur geringen Eindruck gemacht. Diese verfolgen mit aller Brutalität das Ziel, Deutschland auszuhungern und von dem Weltverkehr abzuschneiden, und wenn darüber auch die Neutralen wirtschaftlich zu Grunde gerichtet werden. Nun schlägt das "Stockholms Dagblad" ein anderes Mittel vor, um gegen die englische Willkür aufzukommen. Das Blatt meint nämlich, daß es ernsthafte Beachtung finden werde, wenn die meist interessierten Länder wie die Vereinigten Staaten, Italien, Spanien, Holland, Dänemark, Norwegen und Schweden alle gemeinsam oder jeder für sich eine Erklärung abgeben, daß sie für ihren Teil ihre Neutralität bewahren und ein Festhalten der Seekriegsbestimmungen der Londoner Deklaration vom 26. Februar 1909 verlangen. Zu diesem Vorschlag bemerkt die "Deutsche Tageszeitung", nachdem sie hervorgehoben hat, daß England sich niemals bei der Seekriegsführung um die Neutralen gekümmert habe und auch niemals die Absicht zu erkennen gegeben habe, das jemals zu tun, unter anderem:
Wir stimmen dem Stockholmer Blatte vollkommen in seiner Ansicht zu, daß jetzt alle seefahrenden neutralen Mächte eine Erklärung dahin abgeben müßten, daß sie sich auf den Boden der Londoner Deklaration stellten. Gelänge es allen diesen Mächten, etwa unter Führung der Vereinigten Staaten gewissermaßen eine Liga der neutralen seefahrenden Mächte für die praktische Durchführung der Londoner Deklaration zu bilden und ebenso einig wie entschlossen diese ihre Forderung zu vertreten, so könnte das schwerlich ohne Erfolg bleiben. Wie gesagt aber: Einigkeit und Entschlossenheit wären durchaus notwendig. Mit Worten und diplomatischen Noten allein würde gar nichts erreicht. An solche Dinge hat England sich noch niemals gekehrt. England weicht nur zurück, wenn es einer entschlossenen und willenskräftigen Macht sich gegenüber sieht. Darüber sollten die neutralen Staaten sich zunächst vollkommen klar sein, sonst würde ihre Aktion von vornherein zum Scheitern verurteilt sein und alles noch schlimmer werden als zuvor. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, obgleich kriegführende Mächte, würden, ihren bisherigen Grundsätzen getreu, welche sie auf der Londoner Konferenz seinerzeit vertreten haben, den neutralen Mächten gegenüber ohne weiteres ihre Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Londoner Deklaration betonen. Bisher hat Deutschland gewissenhaft die Bestimmungen der Deklaration auch praktisch befolgt, jedoch vor einigen Tagen gegenüber den immer empörender werdenden Willkürakten Groß-Britanniens angedeutet: Wenn es damit so weiterginge, würde das Deutsche Reich sich nicht mehr wie bisher durch die Bestimmungen der Londoner Deklaration als gebunden ansehen können. Eine gemeinsame kräftige und zielbewußte Aktion der Neutralen könnte mithin von erheblicher Wirkung im Sinne ihrer Interessen sein. Gehen die Dinge aber so weiter wie jetzt, so wird für die neutralen Nordsee- und Ostseemächte wirtschaftlich das Allerschlimmste zu befürchten sein. Die englische Regierung begründet die Sperrung der Nordsee nördlich von Schottland mit der Behauptung, daß die Fahrt dort mit Gefahren verbunden sei. Natürlich trifft das nicht zu. Die Auslegung von Minen ist hier, wie beispielsweise auch im Skagerrak, wegen der großen Wassertiefen unmöglich. Tatsächlich ist die Schiffahrt nirgends so sicher als auf der Route um Nordengland herum. Das Ganze ist also ein englischer "Bluff", auf den nüchtern denkende Menschen kaum hereinfallen dürften. Die neutrale Schiffahrt wird in ihrem eigensten Interesse gut tun, die von der Admiralität angegebene Route durch die Downs und unmittelbar längs der englischen Küste zu vermeiden. Hier hat England überall Minen gelegt. Die südliche Nordsee wimmelt bei dem minderwertigen Minenmaterial von treibenden Minen englischen und französischen Ursprungs, die entgegen den Bestimmungen der Haager Konferenz noch scharf sind. Wie gefährlich das Befahren der südlichen Nordsee und der englischen Küstengewässer ist, zeigen die vielen Schiffsunfälle durch Auflaufen auf Minen. Für die Schiffahrt bedeutet die Befolgung der englischen Weisung eine enorme Gefahr, an der sich aber England in seiner gewohnten gewissenlosen Weise nicht weiter stößt. Auch hier wird Gut und Leben der Neutralen wieder einmal den eigenen Interessen Albions ohne Gewissensbisse geopfert. Mit der ganzen Bestimmung hat England aber für sich selbst wieder einmal ein der Komik nicht entbehrendes testimonium paupertatis abgelegt.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Neue österreichisch-ungarische Erfolge am San

Wien, 5. November.
Amtlich wird bekanntgegeben:
Auch gestern verliefen die Operationen auf dem nördlichen Kriegsschauplatz plangemäß und ungestört vom Feinde. Südlich von der Wieloka-Mündung warfen unsere Truppen den Gegner, der sich auf dem westlichen San-Ufer festgesetzt hatte, aus allen Stellungen, machten über tausend Gefangene und erbeuteten Maschinengewehre. Ebenso vermochte auch der Feind im Stryj-Tal unseren Angriffen nicht standzuhalten; hier wurden fünfhundert Russen gefangengenommen, eine Maschinengewehrabteilung und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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 Der türkische Heeresbericht:

Das Bombardement der Dardanellen

Konstantinopel, 5. November.
Amtlicher Bericht aus dem türkischen Großen Hauptquartier:
Die Russen haben begonnen ihre Stellungen nahe der Grenze zu befestigen, wurden jedoch aus den Gebieten von Karaklissa und Iskhan vollständig zurückgeworfen. Die Stimmung und Ausbildung unserer Truppen ist ausgezeichnet.
Nach späteren Meldungen nahmen an der Beschießung des Dardanelleneinganges die englischen Kriegsschiffe "Inflexible", "Indefatigable", "Gloucester" und "Defence", ferner eines der französischen Panzerschiffe "Republique" oder "Bouvet" sowie zwei französische Kreuzer und acht Torpedoboote teil. Sie gaben 240 Schüsse ab; es gelang ihnen noch nicht, irgend einen bedeutenderen Schaden zu verursachen. Unsere Forts gaben dann nur zehn Schüsse ab, von denen einer ein englisches Panzerschiff traf, worauf eine Explosion entstand.
In Aiwaly in Kleinasien wurde ein englischer Dampfer zum Sinken gebracht, nachdem die Besatzung und die Ladung gelandet war. Die Bemannung des russischen Dampfers "Korolewa Olga", die hier verhaftet wurde, ist zu Kriegsgefangenen gemacht worden.
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England erklärt der Türkei den Krieg

London, 5. November. (W. B. )
Eine Sonderausgabe der "London Gazette" enthält die förmliche Erklärung, daß der Kriegszustand mit der Türkei besteht.
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England annektiert Cypern

London, 5. November. (Havasmeldung.)
England hat die Insel Cypern annektiert.
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Die Neutralität Persiens

Paris, 5. November. (Priv.-Tel.)
Aus Bordeaux meldet die "Agence Havas": Die persische Regierung hat am 3. November ihre Neutralität erklärt.
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Die Seeschlacht bei Coronel

Amsterdam, 5. November. (Priv.-Tel.)
Die "Agence Havas" bestätigt aus Santiago, daß die deutschen Kreuzer "Scharnhorst", "Gneisenau" und "Nürnberg" am Sonntag in Valparaiso angekommen sind. Der deutsche Geschwaderchef berichtete, daß seine Schiffe den englischen Kreuzer "Monmouth" zum Sinken gebracht und die Kreuzer "Good Hope" und "Glasgow" schwer beschädigt hätten. Das Treffen wude in 60 Meilen Entfernung von Coronel geliefert. Der deutsche Geschwaderchef glaubt, daß alle Mannschaften der "Monmouth" ertrunken sind. Die chilenischen Behörden haben darüber noch keine andere Nachricht erhalten als die Mitteilung von dem Leuchtturm von Lavapia, daß dort am Sonntag Abend eine Kanonade gehört wurde. Auch sind noch keine Berichte eingelaufen, daß "Good Hope" und "Glasgow" einen anderen chilenischen Hafen angelaufen haben. Aber der "Morning Post" ist ein Telegramm des "New York Herald" aus Valparaiso übermittelt worden, in dem Beschrieben wird, in welch glänzender Weise das Geschwader des Admirals Craddock gegen den überlegenen Feind kämpfte.
Der Kreuzer "Monmouth" ließ danach seine Flagge wehen bis der Schiffskörper vollkommen von Geschossen durchlöchert war wie ein Sieb; die nicht in dem fürchterlichen Kampfe Getöteten standen bei den Kanonen und bedienten sie, bis der Kreuzer versank. Der Kreuzer "Glasgow" lief unter dem Schutz des stärkeren Kreuzers "Good Hope" nach dem Hafen von Coronel zurück, und weil die deutschen Schiffe sich gegen die "Good Hope" wandten, konnte die "Glasgow" entwischen. Der deutsche Admiral ließ die Kreuzer "Dresden" und "Leipzig" vor dem Hafen von Coronel liegen, um die "Glasgow" abzufangen.
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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