Der Weltkrieg am 17. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Günstiger Fortgang des deutsch-russischen Kampfes

Großes Hauptquartier, 17. November, vormittags.
Auch der gestrige Tag verlief auf dem westlichen Kriegsschauplatz im allgemeinen ruhig. Südlich Verdun und nordöstlich Cirey griffen die Franzosen erfolglos an.
Die Operationen auf dem östlichen Kriegsschauplatz nahmen weiter einen günstigen Fortgang, nähere Nachrichten liegen noch nicht vor.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Gefangennahme des Gouverneurs von Warschau

Berlin, 17. November. (Priv.-Tel.)
Aus Gnesen wird gemeldet: Ein erfreuliches Begleitergebnis hat das unverhofft rasche Vordringen unserer Truppen in Russisch-Polen gehabt. Gestern Vormittag gelang es, den Gouverneur von Warschau, Exzellenz v. Korff, gefangen zu nehmen. Er war mit seinem Adjutanten Hauptmann Fechner früh von Warschau in einem eleganten Privatautomobil abgefahren in der Richtung auf Kutno, ohne Kenntnis davon, daß diese Stadt nach erbittertem Straßenkampf von uns genommen war. Er stieß plötzlich bei Tarnow auf die Kavalleriespitze der Deutschen. Sofort versuchte er umzukehren und zu entkommen, wurde jedoch von einer Abteilung der 9. Metzer Dragoner eingeholt und festgenommen. Der Gouverneur setzte sich nicht zur Wehr und ließ sich ruhig im eigenen Auto unter Begleitung eines Leutnants und eines Dragonergefreiten nach Deutschland abtransportieren. Er kam abends in Gnesen durch, wo er auf Anordnung des Platzkommandanten im Hotel Hensch, dem besten Gasthof der Stadt, für die Nacht untergebracht wurde. Der gefangene Gouverneur ist eine große Gestalt mit weißem Vollbart. Er trug Generalsuniform und Feldmantel und spricht fließend deutsch. Er wollte niemanden sehen, da er nicht in Stimmung sei und seine Nerven durch das Ereignis abgespannt seien. Der Chauffeur, ein Pole, erzählt, daß in Warschau große Angst vor den Deutschen, zumal vor Luftbomben, herrsche; diese hätten großen Schaden angerichtet. Die Stadt sei bereits vom russischen Militär geräumt gewesen. Der Chauffeur, der Zivilist ist, blieb vorläufig auf freiem Fuß, während der Gouverneur und sein Adjutant durch Doppelposten mit Bajonett vor der Zimmertür bewacht wurden. Heute früh erfolgte der Weitertransport.
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Die Einnahme von Valjewo

Budapest, 17. November. (Priv.-Tel.)
Nach den vorliegenden Einzelheiten über die Erstürmung von Valjewo wurde die dort aufgestellte serbische Armee infolge des gewaltigen Ansturmes der Unsrigen in zwei Teile zersprengt, von denen der eine über Kolubara zu flüchten versuchte. Diese unter dem Kommando des Generals Sturm stehende Truppe wurde von uns noch vor dem Überschreiten des Flusses umzingelt und geriet zwischen zwei Feuer, wobei ein Teil der Serben in den Fluß stürzte und ein anderer Teil niedergemetzelt wurde, wobei eine sehr große Zahl Geschütze und sehr viel Train in unseren Besitz gelangte. Mit dieser Niederlage war das Schicksal Valjewos entschieden. Bald darauf stürmten unsere Soldaten durch die Straßen Valjewos, wo sich vielfach Bewohner in zumeist heimtückischer Weise an der Verteidigung beteiligten.

Wien, 17. November. (W. B.)
Auf dem südlichen Kriegsschauplatz schoben sich unsere Truppen gestern bis an die Kolubara heran. Diese wurde auch schon mit Teilen überschritten, obwohl sämtliche Brücken vom Gegner zerstört waren. In Valjewo, wo bereits ein höheres Kommando eingetroffen ist, wurden Ruhe und Ordnung rasch hergestellt. Die Stadt wurde von den serbischen Truppen hart mitgenommen. Ein kleineres Kavalleriedetachement machte gestern 300 Gefangene.

Wien, 17. November. (W. B.)
Der Kriegsberichterstatter der "Neuen Freien Presse" meldet, daß sich die Serben nach dem Fall von Valjewo zehn Kilometer weit in der Richtung auf Kragujewatz zurückgezogen haben. Um die neue Stellung tobt ein neuer Kampf.
2)

 

Belgrad vor dem Fall

Budapest, 17. November. (Priv.-Tel.)
Unsere Truppen nähern sich der Hauptstadt Serbiens immer mehr. Seit Sonntag Nacht wird Belgrad von Semlin aus von unseren schweren Geschützen und auch von unseren Monitoren unaufhörlich beschossen. Nach Aussagen gefangener serbischer Offiziere versucht Prinz Georg die verzweifelten Einwohner zu ermutigen und zum letzten Widerstand anzuspornen. Seit Sonntag Nacht verlassen nach den Berichten unserer Piloten die Bewohner Belgrads fluchtartig die Stadt und ziehen nach Süden. Man glaubt, Belgrad werde nur noch ganz kurze Zeit Widerstand leisten können.
2)

 

Die japanische Militärvorlage

Aus der Schweiz, 17. November. (Priv.-Tel.)
Aus Tokio wird gemeldet: Am Samstag erklärte Graf Okuma in einer Versammlung der Regierungspartei, die gegen die Heeresverstärkung um 90000 Mann in Friedenszeiten zum
teil opponierte, es habe sich eine Richtung herausgebildet, die Inselpolitik statt Kontinentalpolitik treibe, um zu sparen.
Japan sei aber eine kontinentale Großmacht geworden und könne ohne Verzicht auf die Nationalehre nicht mehr zurück. Trotzdem bestand eine Minderheit auf Ablehnung der Heeresvorlage.
2)

 

Die neue Kreditforderung der Reichsregierung

Berlin, 17. November (Priv.-Tel.)
In der bevorstehenden Reichstagstagung wird die Regierung die Bewilligung eines neuen Kredits verlangen und zwar soll dieser Kredit nicht im Sinne einer Anleihe beschafft werden, sondern es sollen dafür Reichsschatzscheine ausgegeben werden. Die "B. Z" hört nun, daß die neue Kreditvorlage fünf Milliarden fordern wird. Mit der Zustimmung des Reichstages zu
dieser Kreditvorlage will sich die Regierung die Ermächtigung verschaffen, den Bedarf des Reiches bis zum Ende des Etatsjahres 1914/15, also bis zum 31. März 1915, zu sichern. Damit ist durchaus nicht gesagt, daß das Reich von diesem Kredit ganz oder zu einem größeren Teil Gebrauch machen muß, sondern es handelt sich lediglich um eine Vorsorge; deshalb soll auch vorläufig von einer Anleihe Abstand genommen werden. Die ordentliche finanzielle Regelung des Kriegsbedarfs wird erst im neuen Etat erfolgen, der dem Reichstage voraussichtlich im Februar vorgelegt werden wird.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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