Der Weltkrieg am 24. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Beschießung von Zeebrügge durch englische Schiffe

Großes Hauptquartier, 24. November, vormittags.
Englische Schiffe erschienen auch gestern an der flandrischen Küste und beschossen Lombartzyde und Zeebrügge. Bei unseren Truppen wurde nur geringer Schaden angerichtet, eine Anzahl belgischer Landeseinwohner wurde aber getötet und verletzt.
Im Westen sind keine wesentlichen Veränderungen eingetreten.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz ist die Lage noch nicht geklärt.
In Ostpreußen halten unsere Truppen ihre Stellungen an und nordöstlich der Seenplatte.
Im nördlichen Polen sind die dort im Gange befindlichen schweren Kämpfe noch nicht entschieden.
Im südlichen Polen steht der Kampf in Gegend Czenstochau, auf dem Südflügel nördlich Krakau schreitet der Angriff fort.
Die amtliche russische Meldung, daß die Generale v. Liebert und v. Pannewitz in Ostpreußen gefangen genommen worden seien, ist glatt erfunden. Der erste befindet sich in Berlin, der zweite an der Spitze seiner Truppe, beide sind seit längerer Zeit nicht in Ostpreußen gewesen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

110000 russische Gefangene in Österreich-Ungarn

Wien, 24. November, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die Schlacht in Russisch-Polen wird bei strenger Kälte von beiden Seiten energisch fortgeführt. Unsere Truppen eroberten mehrere Stützpunkte, gewannen insbesondere gegen Wolbrom und beiderseits des Ortes Pilica Raum und machten wieder zahlreiche Gefangene. Ansonsten ist die Lage unverändert. Im Innern der Monarchie befinden sich jetzt 110000 Kriegsgefangene, darunter 1000 Offiziere.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Verurteilung deutscher Militärärzte und Krankenwärter in Frankreich

Berlin, 24. November. (Priv.-Tel.)
Neun deutsche Militärärzte und Krankenwärter sind wegen angeblicher Plünderung bei Einwohnern von den Deutschen besetzter Gegenden und wegen angeblicher Vernachlässigung Verwundeter von einem französischen Kriegsgericht zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt worden, obwohl sie lebhaft gegen eine derartige Beschuldigung protestierten. Wie fadenscheinig die Urteilsgründe gewesen sein müssen, geht zur Genüge daraus hervor, daß selbst das französische Gericht zunächst die Urteilsfällung aussetzte und schließlich sogar dazu kommen mußte, den Angeklagten mildernde Umstände zuzubilligen, da nicht erwiesen sei, daß sie an der Plünderung teilgenommen hätten; jedoch hätten sie wissentlich von dieser profitiert.

Paris, 24. November. (W. B.)
Das harte Urteil gegen die deutschen Militärärzte erregt auch in Frankreich großes Aufsehen; man hatte allgemein Freisprechung erwartet. Advokat Jules Ubry schreibt in der "Humanite" u. a.: Die Ansicht fast aller Advokaten, Journalisten und Militärärzte war, daß die Entscheidung des Gerichts tief schmerzlich sei.
Es wurde kein wirklicher Beweis geführt. Für die Barbaren wäre es eine gute Lehre gewesen, wenn man die Angeschuldigten namens des französischen Volkes und namens des Rechts freigesprochen hätte. Die folgenden Sätze sind von der Zensur gestrichen. - Die Zeugen haben nichts Belastendes ausgesagt. Der Bürgermeister von Lisy sur Ourq erkannte selber die korrekte Haltung der Angeklagten an. Sie hätten auch kranke Einwohner gepflegt und an der Sanierung der Gemeinde mitgearbeitet. Ein französischer General hatte die deutschen Ärzte beglückwünscht. Die französischen Militärärzte legten sich während der Verhandlung für ihre deutschen Kollegen anerkennend ins Zeug. Die drei Verteidiger baten nachdrücklich, nicht Unschuldige für Schuldige leiden zu lassen. Das Gericht versteifte sich aber auf den Standpunkt, daß die Angeklagten sich geplünderter Gegenstände und Genußmittel bedient hätten. Außer Ahrens erhielt der Berliner Chirurg Dr. Schulz sechs Monate Gefängnis. (Ein Urteilsspruch, der selbst im eigenen Lande als ein Schandurteil empfunden wird und den noch schärfer, als es geschehen ist, zu charakterisieren die Macht der Zensur dort augenblicklich zu verhindern weiß, trifft moralisch nicht diejenigen, die er treffen will, sondern seine eigenen Urheber. D. Red.)
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Die neue Kreditforderung des Reiches

Berlin, 24. November. (W. B.)
Durch den dem Reichstag nunmehr zugegangenen Entwurf des Gesetzes betreffend die Feststellung des zweiten Nachtrages zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1914 wird der Reichskanzler ermächtigt, zur Bestreitung einmaliger Ausgaben abermals eine Summe von fünf Milliarden Mark im Wege des Kredits flüssig zu machen. Ferner wird der Reichskanzler ermächtigt, zur vorübergehenden Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel der Reichshauptkasse über den im Etatsgesetz angegebenen Betrag hinaus nach Bedarf Schatzanweisungen bis zur Höhe von 400 Millionen Mark auszugeben. In den Erläuterungen heißt es, daß von dem neubewilligten Kredit ein Betrag bis zu 200 Millionen Mark nach näherer Bestimmung des Bundesrats bereitgestellt wird zur Gewährung von Wochenbeihilfen während des Krieges sowie zur Unterstützung von Gemeinden oder Gemeindeverbänden auf dem Gebiete der Kriegswohlfahrtspflege, insbesondere der Erwerbslosenfürsorge und der die gesetzlichen Mindestsätze übersteigenden Unterstützung von Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften.
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Überdreadnought "Audacious"
"Audacious"

Ein englischer Überdreadnought gesunken

Rotterdam, 24. November. (W. B.)
Nach Meldungen aus sicherer Quelle ist der englische
Überdreadnought "Audacious" am 28. oder 29. Oktober an der Nordküste Irlands auf eine Mine gelaufen und gesunken. Die Admiralität hält das Ereignis streng geheim, um eine Aufregung des Landes zu vermeiden. 
("Audacious" hatte ein Deplacement von 27000 Tonnen und eine Maschinenstärke von 28000 PS, eine Geschwindigkeit von 23 Seemeilen und eine Bestückung von zehn 34,3 cm und sechzehn 10,2 cm-Kanonen. Die Besatzung betrug etwa 1100 Mann.)
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Ein deutsches Unterseeboot gesunken

Berlin, 24. November. (W. B )
Nach amtlicher Bekanntgabe der englischen Admiralität vom 23. November ist das deutsche Unterseeboot "U18" durch ein englisches Patrouillenfahrzeug an der Nordküste Schottlands zum Sinken gebracht worden. Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus sind durch den englischen Torpedobootzerstörer "Garry" drei Offiziere und 23 Mann Besatzung gerettet worden, ein Mann ist ertrunken.

Kopenhagen, 24 November. (Priv.-Tel.)
"Berlingske Tidende" erfährt über den Untergang des "U 18" Folgendes aus London: Als die Anwesenheit des deutschen Unterseebootes "U 18" vor dem Küstengewässer von Schottland gemeldet wurde, ging eine Abteilung englischer Torpedojäger auf die Suche. Um die Mittagszeit wurde "U 18" von dem Torpedojäger "Garry" entdeckt. Dieser richtete einen Stoß gegen das Unterseeboot, das indessen eine Stunde später wieder auftauchte. Bevor "Garry" jedoch hinzukommen konnte, sank das Unterseeboot. Die ganze Mannschaft außer einem Mann wurde gerettet.
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Die Jagd auf unsere Kreuzer

Tokio, 24. November. (Priv.-Tel.)
Gegen das deutsche Geschwader, das kürzlich das englische Geschwader vor Chile vernichtete, sind seit dem 21. November in drei Geschwadern 22 Kriegsschiffe der Verbündeten konzentriert.
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Eine englische Schlappe in Ostafrika

Haag, 24 November. (W B.)
Die englische Gesandtschaft teilt mit: Aus den letzten Berichten aus Ostafrika geht hervor, daß die britische Truppenmacht aus Britisch-Ostafrika, als gemeldet wurde, daß eine wichtige deutsche Eisenbahn-Station nur schwach besetzt sei, dorthin geschickt wurde, um die Station zu erobern. Englische Truppen landeten am 2. November und rückten sofort gegen die feindliche Stellung vor. Es stellte sich aber heraus, daß diese sehr stark war. Es gelang zwar den englischen Truppen, die Stadt zu erreichen, sie mußten sich jedoch wieder zurückziehen. Ihre Verluste betragen 800 Mann.
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Das Ergebnis der österreichischen Kriegsanleihe

Wien, 24. November. (Priv.-Tel.)
Das Ergebnis der österreichischen Kriegsanleihe, deren Subskriptionsfrist heute um 12 Uhr mittags abgelaufen ist, beträgt bis 12 Uhr mittags 1441 Millionen Kronen. Da die formale Durchführung zahlreicher Zeichnungen durch den Krieg erschwert ist, dürfen die Zeichnungsstellen auch weiterhin Anmeldungen entgegennehmen.

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb dazu:
Dieses Ergebnis der österreichischen Anleihe-Emission wird man auch in Deutschland mit lebhafter Befriedigung begrüßen. Als Österreich und Ungarn ihre Kriegsanleihen zur Zeichnung auflegten, wählten sie denselben Weg, den im September Deutschland für seine Kriegsanleihe mit so großem Erfolg beschritten hatte: sie setzten nicht einen bestimmten Anleihebetrag fest, sondern ließen die Summe der Anleihe frei, um so nur ernsthafte Zeichnungen zu erhalten und alle Schein-Zeichnungen, die nur in der Spekulation auf eine Reduktion bei der Zuteilung abgegeben würden, zu verhindern, und um auf der anderen Seite der Sparkraft und dem Patriotismus der Bürger jeden Spielraum zu lassen. Jede Zeichnung mußte auf volle Zuteilung rechnen, aber jede Zeichnung durfte auch volle Zuteilung erwarten: wer dem Staate Geld zur Führung seines Existenzkampfes zur Verfügung stellen wollte, der fand dazu in dem Erwerb der hochrentierenden Anleihen Gelegenheit.
Dieser Appell an die Freiwilligkeit der Bürger hat auch bei unseren Verbündeten einen vollen Erfolg gehabt. Die österreichisch - ungarischen Behörden erwarteten, als sie zu der Emission schritten, in beiden Hälften der Monarchie einen Gesamtbetrag von etwa 1½ Milliarden Kronen. Jetzt stellt sich heraus, daß diese Summe schon fast allein von der österreichischen Hälfte aufgebracht worden ist: die Zeichnungen in Österreich erreichen schon jetzt (sie werden noch wachsen, da die Listen noch weiter offen gehalten werden sollen) einen Betrag von 1441 Millionen Kronen, in Ungarn aber werden die Zeichnungen gleichzeitig bereits auf 800 Millionen Kronen geschätzt - das ergibt mithin schon eine Summe von 2½ Milliarden Kronen, reichlich 1900 Millionen Mark, die die beiden Reichshälften für ihre finanzielle Kriegsrüstung mit dieser ersten Emission aufgebracht haben.
Unseren Gegnern wird dieses Resultat wieder einiges zu denken geben, das ihnen wenig Freude bereiten wird. Sie hatten darauf gebaut, daß Österreich-Ungarn finanziell schwach sei, geschwächt vor allem auch durch die außerordentlichen Aufwendungen für die Teilmobilisierungen, die es während der Balkankrisen der letzten Jahre, in diesem Vorspiel unseres Krieges, hatte vornehmen müssen - und nun erfahren sie, daß dieses Österreich-Ungarn ganz aus eigener Kraft und ohne Zwang, rein auf dem Wege der freiwilligen Zahlung, einen Betrag von 2½ Milliarden Kronen aufzubringen imstande ist. Und sie hatten noch viel mehr darauf gebaut, daß Österreich-Ungarn politisch schwach sei durch den Widerstreit der Nationalitäten - und müssen nun dieses Zeichnungsresultat erleben, das doch nur möglich war durch die Hingabe und Opferbereitschaft der weitesten Schichten des Volkes. Das ist für unsere Gegner eine sehr nützliche Lehre. Sie wird noch eindringlicher durch das bisherige Ergebnis ihrer eigenen Finanzrüstung, vor allem in Frankreich (von Rußland, dessen Finanz- und Wirtschaftslage immer problematischer wird, gar nicht zu reden). Frankreich, das sich vor dem Kriege so gern den "Bankier der Welt" nennen ließ, ist noch immer nicht imstande gewesen, eine wirkliche, große Kriegsanleihe auszugeben, hat es doch in großem Umfange nicht einmal die Einzahlungen auf die große, vor dem Kriege aufgenommene Rüstungs-Anleihe einziehen können; jetzt muß es den Griechen mitteilen, daß sie das Geld auf die Anleihe, die Frankreich ihnen im Frühjahr bewilligt hatte, "erst nach dem Kriege" erhalten könnten. Mit welchem Neide mag das reiche Frankreich jetzt auf das arme Österreich-Ungarn blicken, das so prompt die Milliarden aufbringt, die man in Frankreich bisher so gar nicht flüssig machen konnte.

 

Die Neutralität Bulgariens

Bulgarien 1. Weltkrieg: Ministerpräsident Wasil Radoslawow
Wasil Radoslawow

Sofia, 24. November. (W. B.)
In der Sobranje erklärte heute der Ministerpräsident Radoslawow in Beantwortung der Kritiken der Opposition, daß die Regierung der Neutralität, die sie seit Beginn der europäischen Krise erklärt habe, treu bleibe und daß sie diese Neutralität stets loyal ausübe trotz der ungerechtfertigten Vorwürfe, die ihr von der Opposition gemacht würden, die sie energisch zurückweise. Da gewisse Mächte geglaubt hätten, über diesen Gegenstand Bemerkungen aussprechen zu müssen, gab die Regierung gleich Erklärungen ab, die als genügend angesehen wurden. Gegenwärtig billigten alle Großmächte die Haltung Bulgariens. Dieses unterhalte die freundschaftlichsten Beziehungen zu Rumänien, Griechenland und selbst zu dem kriegführenden Serbien. Seine Beziehungen zu der Türkei sei außerordentlich aufrichtig. Die Regierung sei glücklich, der Nation mitteilen zu können, daß sie die Integrität des Territorialbesitzes gesichert habe. Radoslawow fügte hinzu: Wenn die Umstände uns zwingen, in Verhandlungen für die Vergrößerung unseres nationalen Besitzstandes einzutreten, so werden wir es mit dem Wohlwollen des gesamten europäischen Konzertes tun, mit welchem wir die bestmöglichen Beziehungen unterhalten wollen. Laute, anhaltende Beifallsrufe folgten den Worten.
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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