Der Weltkrieg am 26. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

40 000 Russen bei Lodz gefangen

Großes Hauptquartier, 26. November, vormittags.
Die Lage auf dem westlichen Kriegsschauplatz ist unverändert. In St. Hilaire-Souain wurde ein mit starken Kräften angesetzter, aber schwächlich durchgeführter französischer Angriff unter großen Verlusten für den Gegner zurückgeschlagen. Bei Apremont machten wir Fortschritte.
In den Kämpfen der Truppen des Generals v. Mackensen bei Lodz und Lowicz haben die russische erste und zweite und Teile der fünften Armee schwere Verluste erlitten. Außer vielen Toten und Verwundeten haben die Russen nicht weniger als etwa 40000 unverwundete Gefangene verloren; 70 Geschütze,160 Munitionswagen, 150 Maschinengewehre sind von uns erbeutet, 30 Geschütze unbrauchbar gemacht geworden. Auch in diesen Kämpfen haben sich Teile unserer jungen Truppen trotz großer Opfer auf das glänzendste bewährt. Wenn es ungeachtet solcher Erfolge noch nicht gelungen ist, die Entscheidung zu erkämpfen, so liegt das an dem Eingreifen weiterer starker Kräfte des Feindes von Osten und Süden her. Ihre Angriffe sind gestern überall abgewiesen worden, der endgültige Ausgang des Kampfes steht aber noch aus.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der amtliche Bericht über den Untergang der "Emden"

Berlin, 26. November. (W. B.)
Von dem Kommandanten S. M. Schiff "Emden", Fregattenkapitän v. Müller, ist nachstehender telegraphischer Bericht über das Gefecht von S. M. Schiff "Emden" mit dem englischen Kreuzer "Sydney" bei den Kokosinseln eingetroffen:
Der englische Kreuzer "Sydney" näherte sich den Kokosinseln mit hoher Fahrt, als dort gerade eine von S. M. Schiff "Emden" ausgeschiffte Landungsabteilung das Kabel zerstörte. Das Gefecht zwischen den beiden Kreuzern begann sofort. Unser Schießen war zuerst gut: aber binnen kurzem begann das Feuer der schwereren englischen Geschütze, wodurch schwere Verluste in unseren Geschützbedienungen eintraten. Die Munition ging zu Ende, und die Geschütze mußten das Feuer einstellen. Trotzdem die Ruderanlage durch das feindliche Feuer beschädigt war, wurde der Versuch gemacht, auf Torpedoschußweite an die "Sydney" heranzukommen. Dieser Versuch mißglückte, da die Schornsteine zerstört waren und infolgedessen die Geschwindigkeit der "Emden" stark herabgesetzt war. Das Schiff wurde deshalb in voller Fahrt an der Nord-(Luv-) Seite der Kokosinseln auf ein Riff gesetzt. Inzwischen war es der Landungsabteilung gelungen, auf einem Schoner von der Insel zu entkommen. Der englische Kreuzer nahm die Verfolgung auf, kehrte aber am Nachmittag wieder zurück und feuerte auf das Wrack von S. M. Schiff "Emden". Um weiteres unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, kapitulierte ich mit dem Rest der Besatzung. Die Verluste von S. M. Schiff "Emden" betragen: 6 Offiziere, 4 Deckoffiziere, 26 Unteroffiziere und 93 Mann gefallen; 1 Unteroffizier, 7 Mann schwer verwundet.
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Fregattenkapitän v. Müller

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der stehende Kampf in Polen

Wien, 26. November, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die Schlacht in Russisch-Polen hat an einem großen Teile der Front den Charakter eines stehenden Kampfes angenommen. In Westgalizien wehren unsere Truppen die über den unteren Dunajec vorgedrungenen russischen Kräfte ab. Auch die Kämpfe in den Karpathen dauern fort.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
 v. Hoefer, Generalmajor.
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Erstürmung von Lazarewatz in Serbien

Wien, 26. November.
Vom südlichen Kriegsschauplatz wird amtlich gemeldet:
In den Kämpfen an der Kolubara ist seit gestern ein wesentlicher Fortschritt zu verzeichnen. Das Zentrum der feindlichen Front wurde in einer starken Stellung bei Lazarewatz von den durch ihren Elan rühmlichst bekannten Regimentern Nr. 11, 73 und 102 erstürmt. Hierbei wurden 8 Offiziere und 1200 Mann gefangen genommen und drei Geschütze, vier Munitionswagen und drei Maschinengewehre erbeutet. Auch südlich des Ortes Ljig gelang es, die östlich des gleichnamigen Flusses gelegenen Höhen zu nehmen und 300 Gefangene zu machen. Die von Valjewo südwärts vorgerückten Kolonnen stehen vor Kosjerici.
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Der Krieg im Orient

Enver Pascha
Enver Pascha
Dschemal Pascha
Dschemal Pascha
Izzet Pascha
Izzet Pascha

Konstantinopel, 26. November. (Priv.-Tel.)
Der Oberkommandierende des türkischen Heeres, Enver Pascha, und der Marineminister Dschemal Pascha sind zu den gegen Ägypten operierenden Truppen abgereist.

Rom, 26. November. (Priv.-Tel.)
Nachrichten aus Kairo besagen: Die Engländer sperrten die Karawanenstraße aus der Cyrenaika nach Ägypten mit Schanzgräben. Die türkische Armee unter Izzet Pascha, 66000 Mann und 10000 Beduinen mit 5000 Kamelen, rücken auf der Bahnstrecke nach Mekka auf Maan vor, 80 Kilometer von der Grenze. Die Senussen bauen eine Feldbahn nach der Oase el Nachl, 100 Kilometer vom Kanal. Die Engländer verfügen über 50000 Mann außer den Garnisons- und Sicherheitstruppen.
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Der Heilige Krieg

Konstantinopel, 26. November. (W. B.)
Die Regierung ließ den Blättern die vom 21. November datierte Proklamation betreffend den Heiligen Krieg (arabisches Datum: 2. Muharrem 1333) zugehen. Die Proklamation trägt oben den eigenhändigen Namenszug des Sultans und darunter die Worte: Ich befehle, daß diese Proklamation in allen muselmanischen Ländern verbreitet werde. Sie ist gezeichnet vom gegenwärtigen und drei früheren Scheichs-ül-Islam sowie von großen geistlichen Würdenträgern. Der Proklamation geht eine Bemerkung voran, in der festgestellt wird, daß der Heilige Krieg gegen die Feinde des Islams gerichtet ist, die ihre Feindseligkeit durch Angriffe gegen das Kalifat kundgegeben haben, während für die Staatsangehörigen der übrigen Mächte, welche die Verträge beobachten und ihre Freundschaft bekunden, die islamitischen Grundsätze der Gerechtigkeit und des Friedens wechselseitige gute Beziehungen erheischen.
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Die Haltung der Senussi

Konstantinopel, 26. November. (W. B.)
Der Scheich Mehmet el Senussi, ein Neffe des Großen Scheich, und der Scheich Geschir el Senussi, die hier eingetroffen sind, erklärten gegenüber den Vertretern türkischer Blätter, sie seien drei Monate vor der türkischen Mobilmachung abgereist. Sie hätten sich in Sollum eingeschifft und seien über Alexandrien, Port Said und Damaskus nach Medina gereist und sodann über Aleppo zurückgekehrt. In allen türkischen Städten seien sie mit großen Ehrenbezeugungen empfangen worden. Der Große Scheich habe bereits vor der Proklamation des Heiligen Krieges allen Zaujas in Marokko und Tunis befohlen, den Heiligen Krieg gegen die Franzosen zu eröffnen. Der Krieg dauere seit Proklamierung des Dschihad fort. Auch die Zaujas in Ägypten erhielten denselben Befehl. In diesem Augenblick dürfte der Heilige Krieg gegen die Engländer bereits begonnen sein. Wir wollten, sagten die beiden Senussi, den Dschihad schon lange vorher eröffnen, aber eine innere Stimme gebot uns, eine günstigere Zeit abzuwarten. Die senussischen Streitkräfte, die gegen die Engländer marschieren sollen, belaufen sich auf einige hunderttausend Krieger. Alle wurden aufgefordert, ihre Pflicht zu erfüllen, um den Islam zu retten. Auf die Frage, ob der Krieg gegen Italien fortdauern werde, sagten die Senussi: Da die von dem Kalifat erlassenen Fatwas den Heiligen Krieg nur gegen die kriegführenden feindlichen Mächte proklamiert haben, wäre es unmöglich, gegen eine Macht vorzugehen, die heute mit dem Kalifat freundschaftliche Beziehungen unterhalte. Die Senussi richteten also ihren Haß gegen die Mächte, welche die Feinde des Kalifat seien.
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Täbris 

Das Blutbad in Täbris

Konstantinopel, 26. November. (W. B.)
"Terdjuman-i-Hakikat" bestätigt die gestern Abend hier eingelaufene Nachricht, daß in Täbris 2000 Russen von Angehörigen persischer
Stämme ermordet worden sind.

Konstantinopel, 26. November. (W. B.)
"Ikdam" zufolge befindet sich auch der russische Konsul in Täbris unter den dort von Angehörigen persischen Stämme getöteten Russen. Die Niedermetzelung der Russen in Täbris ist auf ihr herausforderndes Benehmen anläßlich der Kundgebungen zurückzuführen, die die persische Volksmenge beim Eintreffen der Nachricht von der Verkündigung des Heiligen Krieges veranstaltete. Die Erregung der Bevölkerung dauerte den ganzen Tag an, in dessen Verlauf alle in Täbris wohnenden Russen niedergemacht wurden.
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Neue Kriegsgerichtsurteile in Frankreich

Paris, 26. November. (Priv.-Tel.)
Havas meldet:
Das Kriegsgericht verurteilte 51 deutsche Krankenträger, die des Diebstahls beschuldigt waren, und zwei Ärzte zu einem Jahr Gefängnis, dreizehn Krankenwärter zu Strafen von einem bis drei Jahren Gefängnis, neun Diakonissinnen zu einem bis drei Monaten Gefängnis, Krankenpfleger, die kleine anscheinend gestohlene Gegenstände bei sich trugen, zu einem Monat Gefängnis. Elf weitere Angeklagte wurden freigesprochen.

Die Frankfurter Zeitung schrieb dazu:
Die Franzosen setzen also die Komödie, gefangene Deutsche wegen des Besitzes französischer Gegenstände als Diebe zu verurteilen, fort. Zum Verständnis der Sachlage verweisen wir auf eine Schilderung, die wir im Ersten Morgenblatt vom 29. Oktober unter der Aufschrift: "Zivilisiertes aus Frankreich" veröffentlicht haben. Es handelte sich um die Festnahme von 250 Sanitätern und 28 Ärzten. "In Paris - so heißt es darin - erfolgte eine genaue körperliche Untersuchung (auch bei den Schwestern) und wo man, wie das im Felde zum Ersatz eigener Sachen unvermeidlich ist, französische Gebrauchsgegenstände fand, wurde ein Protokoll aufgenommen und die Betreffenden wurden zurückgehalten." Es ist ohne weiteres verständlich, daß die in Frankreich stehenden Truppen mit Einschluß des Sanitätspersonals vielfach genötigt sind, ihre Ausrüstung zu ersetzen. Mag es sich um Hemden oder Stiefel, um Taschentücher oder Taschenmesser und ähnliche Dinge handeln, sie müssen ab und zu ersetzt werden und es ist begreiflich, daß dabei zu dem nächstliegenden Material gegriffen wird, sei es nun französischer oder deutscher Herkunft. Natürlich machen es die Franzosen genau ebenso, die sogar mit einer gewissen Vorliebe Sachen deutscher Herkunft benutzen. Es ist aber in Deutschland noch niemand eingefallen, einen französischen Soldaten oder Arzt deshalb wie einen gemeinen Verbrecher vor Gericht zu stellen, weil er ein deutsches Hemd oder deutsche Stiefel trug. Diese Methode ist dem zivilisierten Frankreich vorbehalten geblieben, das natürlich in der durchsichtigen Tendenz so verfährt, die Deutschen als Plünderer hinzustellen, während wir doch wissen, daß die Franzosen sogar im eigenen Lande geplündert haben. Eine beispiellose Gemeinheit der Franzosen ist es aber, Ärzte, Sanitätssoldaten und Schwestern, die ihre Hilfe den verwundeten Franzosen ebenso widmen wie den Deutschen, nun entgegen den Vorschriften der Haager Konvention unter so fadenscheinigen Anklagen zurückzuhalten.
Der Eindruck dieser abscheulichen Tendenzmacherei ist ja auch in Frankreich so stark, daß sich ehrliche Leute darüber empören. Wir können nur wünschen, daß die Protokolle und Verhandlungen vollständig veröffentlicht werden, damit sie als Dokumente der französischen Schande die weiteste Verbreitung finden. Wollten wir gleiches mit gleichem vergelten, würden unsere Kriegsgerichte zur Bewältigung dieser Aufgabe vermehrt werden müssen.

 

Die neue französische Felduniform

London, 26. November. (W. B.)
Die "Times" meldet aus Calais vom 22. November: Durch Calais marschierten französische Truppen, die mit einer neuen Felduniform ausgerüstet waren. Die neue Uniform hat eine helle blaugraue Farbe, die in der grauen Winterlandschaft schwer sichtbar sein soll, sich jedoch so sehr von der deutschen Felduniform unterscheidet, daß Verwechselungen ausgeschlossen seien. Kappe, Rock und Hose besitzen die gleiche Farbe. Um die französischen Patrioten mit dem Verschwinden der historischen roten Hosen zu versöhnen, sind in das Blau rote Fäden eingewebt. Einige ältere Truppen, die neu ausgerüstet werden mußten, sind mit dieser Uniform ausgestattet.
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Die englische Schlappe in Ostafrika

London, 26. November. (Priv.-Tel.)
Bei dem ergebnislosen Angriff der englischen Truppen auf eine Eisenbahnstation in Ostafrika waren unter den 800 Mann des englischen Verlustes 141 weiße Soldaten und Offiziere.

Amsterdam, 26. November. (Priv.-Tel.)
Die hier verspätet eingetroffene "Times" vom Dienstag veröffentlicht folgende Erklärung des Staatssekretärs von Indien über die Operationen in Deutsch-Ostafrika: Aus den letzten Mitteilungen ging hervor, daß einer der wichtigsten deutschen Eisenbahnpunkte sehr schwach besetzt sei, und es wurde daher eine Truppenmacht von Britisch-Ostafrika hingesandt, um die Eisenbahnstation zu erobern. Am Abend des 2. November landeten anderthalb Bataillone in einer Entfernung von zwei Meilen vom Platze und gingen dort vor. Die geringe Truppenmacht der Engländer aber kam in ein heftiges Gefecht gerade vor der Stadt, und da der Feind in der Übermacht war, so waren die Engländer genötigt, sich zurückzuziehen und Verstärkungen abzuwarten. Am 4. November um 11 Uhr morgens wurde der Angriff erneuert, aber in einem Abstand von 800 Yards von der Stellung des Feindes kamen unsere Truppen unter ein heftiges Feuer. Auf dem linken Flügel drang das 101. Grenadier-Regiment trotz starker Verluste in die Stadt ein und kam mit dem Feind in ein Bajonettgefecht. Das North Lancashire-Regiment und die Kaschmir-Schützen auf der rechten Seite gingen ebenfalls unter heftigem Feuer vor und erreichten die Stadt, aber sie wurden von einem Gewehrfeuer empfangen, das von den Häusern aus auf sie gerichtet wurde und waren so genötigt, 500 Yards zurückzuweichen. Die Verluste waren so schwer und die Stellung so stark, daß jeder weitere Angriff als nutzlos erachtet und die Truppenmacht wieder eingeschifft wurde und zu ihrer Operationsbasis zurückkehrte, um einen neuen Angriff für später vorzubereiten.
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Die Verluste der englischen Marine

London, 26. November. (Priv.-Tel.)
Reuter meldete Die britische Admiralität hat gestern Abend eine Liste der Verluste veröffentlicht die die Marine seit Beginn des Krieges erlitten hat: Offiziere 220 getötet, 37 verwundet, 57 vermißt oder gefangengenommen; Mannschaften 4107 getötet, 436 verwundet, 2492 vermißt oder gefangengenommen. (Die in Holland internierten und in Belgien gefangenen Truppen sind sicherlich nicht mit einbegriffen. Die Verlustziffern betreffen ohne Frage nur die Schiffsbesatzungen.)
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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