Der Weltkrieg am 13. März 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Schwere Kämpfe bei Neuve Chapelle

Großes Hauptquartier, 13. März.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Südlich von Ypern wurden vereinzelte Angriffe der Engländer mühelos abgewiesen.
Unser zur Wiedereinnahme des Dorfes Neuve Chapelle angesetzter Angriff stieß nach anfänglichem Erfolge auf eine starke englische Überlegenheit und wurde deshalb nicht durchgeführt. Die Engländer entwickelten in dieser Gegend eine rege Tätigkeit mit Fliegern, von denen vorgestern einer, gestern zwei heruntergeschossen wurden.
In der Champagne flackerte an einzelnen Stellen der Kampf wieder auf. Alle französischen Teilangriffe wurden mit starken Verlusten für den Feind abgeschlagen; 200 Gefangene blieben in unserer Hand.
Nebel und Schnee behinderten in den Vogesen die Gefechtstätigkeit.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Russen wichen aus der Gegend von Augustowo und nordöstlich bis hinter den Bobr und unter die Geschütze von Grodno zurück. Am Orzyc nordöstlich von Prasznysz wurde ein russischer Angriff abgewiesen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Karte zum 1. Weltkrieg: Champagne

Der mißlungene Durchbruchsversuch in der Champagne

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Die Angriffe der Franzosen gegen unsere Stellung im Raum zwischen Reims und dem Argonnenwald haben im Verlauf der großen Dezember-Offensive Joffres zum ersten Male eine Rolle gespielt, die über die im Verlauf der vorausgegangenen Annäherungsarbeiten unternommenen Vorstöße beträchtlich hinausging. Seit Mitte Dezember etwa versuchten die Franzosen wochenlang gegen die Linie Souain - Tahure mit dem Ziel auf die dahinterliegenden Orte Rethel und Vouziers durchzustoßen und unsere rückwärtigen Verbindungen zu durchschneiden. Dadurch konnten die französischen Positionen bei Reims und vor allem im weiteren Raum von Verdun erleichtert werden.
Etwas nördlich der Römerstraße, die von Reims durch die Champagne nach Vienne zu den Argonnen führt, war die französische Front seit der Neuaufstellung der Armeen in der zweiten Septemberhälfte zu suchen. Auf den Höhen in der Linie Souain-Perthes-Servon hatten sich die Deutschen eingegraben. Ein welliges Terrain, mit vielen scharfen Einschnitten und übersät mit zahllosen kleineren und größeren Waldparzellen, von denen unsere Skizze nur die hauptsächlichsten zeigt. Von Perthes nach Maisons de Champagne läuft ein Höhenweg, der über den Kamm einer wichtigen Hügelkette gezogen ist. Aus der Skizze ist ersichtlich, daß nördlich davon weitere beherrschende Hügelreihen dem Verteidiger zur Verfügung stehen. Hinter diesen liegt dann die Bahnlinie Reims - Verdun, deren Erreichung für die Franzosen ein sehr begehrenswertes Ziel sein muß. Als Ergebnis der Dezemberkämpfe, die angeblich, wie die Bulletins versicherten, zur Erstürmung zahlreicher deutscher Schützengräben geführt haben, meldete die französische Heeresleitung Anfang Januar als einzig greifbaren Erfolg, daß der Punkt 200 westlich von Perthes genommen und behauptet werde, und daß die Franzosen zwei Kilometer nordöstlich von Le Mesnil ein Gehölz in Besitz genommen hätten. Im übrigen las man zwar jeden Tag von Fortschritten und hörte von Ortsbestimmungen, wie westlich und nördlich von Perthes, nördlich von Mesnil und Beausejour, ohne daß es möglich gewesen wäre, aus diesen Angaben irgendwie die Lage der neuen französischen Gräben genauer bestimmen zu können. So viel stand aber fest, daß die französischen Stellungen im Verlauf der langen Offensive nur geringen und völlig belanglosen Raum gewonnen hatten und im ganzen etwa in einer Linie nördlich von folgenden Orten verlaufen mußten: Souain, Perthes, Le Mesnil, Beausejour, Massiges, Ville sur Tourbe. Durch einen deutschen Gegenangriff kam dann die beherrschende Höhe 191 bei Massiges in unseren Besitz.
Nun kam die große Offensive im Februar und März, die nach dem deutschen Tagesbericht völlig und kläglich gescheitert ist. Es sollte ein Durchbruchsversuch sein, bei dem in dem schmalen Raum zwischen Perthes und Beausejour über sechs feindliche Armeekorps zum Sturm angesetzt wurden, nachdem eine ungeheure Kanonade gegen unsere Gräben gerichtet worden war. - Und nun der Erfolg: anstatt daß unsere Linie durchbrochen oder wenigstens schwer eingeknickt worden wäre, finden wir die Franzosen im großen ganzen in denselben Stellungen, die sie schon im Januar vor diesem neuen Angriff eingenommen hatten, in Stellungen, die sich sogar von denen des vergangenen Herbstes nur dadurch unterscheiden, daß die Franzosen ein wenig auf die Höhen emporgekrochen sind. Nämlich: am 26. Februar sprachen die Bulletins davon, daß man ein Gehölz "nordwestlich von Perthes", und eines "nördlich von Mesnil" genommen habe und daß man nördlich von Mesnil am Kamm des Hügels stehe. Am 2. März war man irgendwo über einen Kamm gekommen, am 3. focht man im Wald "westlich (!) von Perthes", am 5 war man nordöstlich von Mesnil "jenseits des Kammes" und am 10 März hatte man ebendort und nur dort den Kammweg, der von Perthes nach Maisons de Champagne führt, erreicht und hielt die Höhe 196. Nirgends haben sie diese Linie überschritten. Bei Beausejour und Massiges können sie keinen Punkt nennen, wo sie einen auf der Karte von jedermann feststellbaren Fortschritt gemacht hätten, so daß ihnen nur die Genugtuung bleibt, zum hundertsten oder zweihundertsten Male zu versichern, daß sie "vorangekommen" seien, eine Art des Siegens, die die "Guerre Sociale" zu einem so unfreundlichen Kommentar angeregt hat, daß der französische Zensor von den "Gedanken eines einfältigen Zivilmenschen" nur die verheißungsvolle Überschrift und ein schönes Kärtchen von der Champagne hat stehen lassen. Dann vor einer großen, weißen Lücke die traurigen Worte: "Jeden Tag erzählt uns unser Bulletin, daß wir da vorrücken."

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Westfront 1915

 

Ein englischer Armeebefehl

Berlin, 13. März. (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier wird geschrieben:
Am 10. März wurde bei einem bei Givenchy gefangenen Soldaten des 1. englischen Armeekorps folgender Befehl gefunden:

"An die erste Armee! Wir sind im Begriff, den Feind unter ungewöhnlich günstigen Bedingungen anzugreifen. Bisher hat in diesem Feldzug die britische Armee durch ihren Schneid und Entschlossenheit Siege über einen Feind davongetragen, der an Zahl und Bewaffnung weit stärker war. Jetzt haben uns Verstärkungen dem Feinde vor unserer Front überlegen gemacht. Jetzt sind unsere Kanonen besser als die des Feindes, nicht nur an Zahl, sondern vor allem, es sind die wirkungsvollsten Kanonen, die jemals bei irgend einer Armee gebraucht worden sind. Unsere Flieger haben die deutschen Flieger aus der Luft vertrieben. Unsere Verbündeten, die Russen und Franzosen, haben merkliche Fortschritte gemacht und dem Feinde gewaltige Verluste beigebracht. Die Deutschen sind zudem durch Unruhen im Inlande und Mangel an allem zur Kriegführung Notwendigen geschwächt. Es steht daher nicht zu erwarten, daß sie gegen uns hier noch erhebliche Verstärkungen einzusetzen haben. Uns gegenüber steht nur ein einziges deutsches Korps mit einer Ausdehnung gleich der unserer ganzen ersten Armee. Wir werden jetzt mit etwa 48 Bataillonen einen Abschnitt dieser Front angreifen, der von nur etwa drei deutschen Bataillonen verteidigt wird. Am ersten Tage des Kampfes werden die Deutschen voraussichtlich höchstens noch vier weitere Bataillone zur Verstärkung für den Gegenangriff heranziehen können. Schnelligkeit ist daher die Hauptsache, um dem Feinde zuvorzukommen, und um Erfolge zu haben, ohne schwere Verluste zu erleiden. Niemals in diesem Kriege hat es einen günstigeren Augenblick gegeben, und ich bin des Erfolges gewiß. Die Größe des Erfolges hängt von der Schnelligkeit und Entschlossenheit unseres Vorgehens ab. Wenn wir auch in Frankreich fechten, so wollen wir uns doch immer vor Augen halten, daß wir für die Erhaltung des britischen Reiches kämpfen und für den Schutz unserer Heimat gegen die planmäßige Barbarei. Wir müssen alle zu dem Erfolg beitragen und wie Männer für Alt-Englands Ehre kämpfen.

9. März 1915 

gez. D. Haig
 Oberbefehlshaber der 1. Armee."

Dieser Befehl wird ein Dokument in der Kriegsgeschichte werden. Es zeigt, zu welchen Mitteln hohe englische Offiziere greifen müssen, um den ihnen unterstellten Truppen Mut und Entschlossenheit einzuflößen. In welch hohem Ansehen müssen die deutschen Truppen bei ihren Feinden stehen, wenn diese nur bei der gewaltigen Überlegenheit von 48 gegen 4 Bataillone einen Erfolg im Angriff erhoffen. Der angekündigte Angriff der englischen ersten Armee erfolgte am 10. März. Es gelang den Engländern in einer Breite von etwa 1½ Kilometern zu beiden Seiten von Neuve Chapelle in unsere vordersten Linien einzudringen. Auf den übrigen Teilen des Kampffeldes wurden die Engländer unter Verlusten abgewiesen. 2)

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Westfront 1915

 

Der Reichskanzler an die "Freie Vaterländische Vereinigung"

Berlin 13. März. (W. B. Amtlich.) 
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet: 
Der Geh. Justizrat, Professor Dr. Kahl, hat an den Reichskanzler ein Schreiben gerichtet, in welchem er die am 28. Februar erfolgte Gründung der "Freien Vaterländischen Vereinigung" mitteilt. Der Reichskanzler hat auf diese Mitteilung mit folgendem Schreiben geantwortet:

"Für die Mitteilung, die Sie mir von der Gründung der Freien Vaterländischen Vereinigung und ihrem Ziele machen, sage ich Ihnen aufrichtigen Dank. Sie wollen den Strom nationaler Gesinnung, den der Krieg gesammelt hat, in die Friedenszeit hinüberleiten. Die Bewahrung des großen Erlebnisses, daß dieser Krieg das deutsche Volk in allen seinen Gliedern und Schichten geeint gezeigt hat, soll uns ein heiliges Vermächtnis sein. Ich begrüße es daher mit Freude und Dank, wenn führende Männer aller Richtungen sich in dem warmen Bemühen einigen, dieses Vermächtnis zu sichern. In einem Augenblick, da um das Ziel des Krieges, die Niederwerfung unserer Feinde, noch gerungen wird, und da die Deutschen draußen und zu Hause ein einziger Wille ganz beherrscht, der Wille zum Siege, können wir nicht schon im einzelnen alle Fragen erörtern, die bei und nach dem Friedensschluß zu lösen sind. Möge der Tag bald kommen, da die Fesseln des freien Meinungskampfes gelöst sind, denn es wird zugleich der Tag sein, an dem das blutige Ringen zu Ende geht. Einstweilen aber mögen wir den Geist vorbereiten, in dem unser Volk die Bedingungen seines zukünftigen Lebens mitzuschaffen haben wird. In den Leitsätzen dieser Vereinigung glaube ich diesen Geist zu erkennen. Gewiß, der Parteienstreit wird wieder anheben. Aber wie sich alle Schichten des Volkes in der Stunde der Not so recht verstehen lernten, so müssen auch die neuen innerpolitischen Kämpfe von der gegenseitigen Achtung beherrscht sein, die alle Schichten des Volkes vom Fürsten bis zum Arbeiter umschließt. Sie haben zusammen geblutet, alle ihr Bestes gegeben und haben erfahren, wie Großes ein von heiliger Liebe zur Heimat beseeltes Volk leisten kann, wenn es einig ist. Wenn uns alle die Liebe zu einem tüchtigen, schaffenden Volk, und die Achtung vor jeder ehrlichen Gesinnung leitet, sehe ich mit freudigem Vertrauen der Aufgabe entgegen, die der Friede uns stellen wird, der Aufgabe, ein nach außen stärkeres Deutschland innerlich im Geiste der Freiheit und der gemeinsamen Vaterlandsliebe weiter aufzubauen."

Berlin, 13. März. (Priv.-Tel.) 
Der Brief, den der Reichskanzler an den Geheimen Justizrat Professor Dr. Kahl als dem Vorsitzenden der neu gebildeten "Freien Vaterländischen Vereinigung" gerichtet hat, und den heute die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" veröffentlicht, ist ein dem Kanzler in diesem Augenblick, wie es scheint, nicht unwillkommener Beweis dafür, daß er an der wiederholt bekundeten und in seiner Dezemberrede im Reichstage besonders stark hervorgetretenen Überzeugung festhält, daß der Strom nationaler Gesinnung, den der Krieg gesammelt hat, in die Friedenszeit hinübergeleitet werden soll, und daß bei dem Aufbau des neuen Deutschen Reiches alte Schranken und Vorurteile fallen, und daß die inneren Kämpfe, an denen es nicht fehlen wird, von gegenseitiger Achtung beherrscht sein sollen, wie es einem Volke geziemt, dessen Schichten alle vom Fürsten bis zum Arbeiter gemeinsam geblutet und ihr Bestes für die Heimat gegeben haben. Es ist ein neues Bekenntnis zu dieser Dezemberrede, wenn der Reichskanzler jetzt sagt, daß er mit freudigem Vertrauen der Aufgabe entgegensieht, nach dem Frieden ein nach außen stärkeres Deutschland innerlich im Geiste der Freiheit und gemeinsamer Vaterlandsliebe weiter aufzubauen. Wenn es Leute oder Parteien geben sollte, die den Kanzler deshalb einen Optimisten oder Idealisten nennen, so wird es viele andere geben, die ihm das zum Lobe anrechnen.
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 13. März.
Amtlich wird verlautbart:
In Russisch-Polen und Westgalizien keine Veränderung, während des Tages Geschützkampf. Angriffe einzelner feindlicher Abteilungen wurden durchweg unter Verlusten abgewiesen.
Die Kämpfe an der Straße Cisna-Baligrod in den Karpathen dauern weiter an. Eine Höhe, um die seit Tagen gekämpft wurde, gelangte gestern in unseren Besitz. Im Sappenangriff sprengten eigene Truppen Teile der feindlichen Stellung, warfen im folgenden Nahkampfe den Gegner zurück und nahmen über 1200 Mann und mehrere Offiziere gefangen. Noch nachts wurden russische Gegenangriffe auf diese Höhe sowie auf die Stellungen in den anschließenden Abschnitten unter schweren Verlusten des Feindes zurückgeschlagen.
An der Gefechtsfront in Südost-Galizien und im Raume bei Czernowitz herrscht im allgemeinen Ruhe.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der 1. Weltkrieg im März 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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