Der Weltkrieg am 24. April 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Zusammenbruch englischer und französischer Angriffe bei Ypern

Großes Hauptquartier, 24. April.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Alle Versuche des Feindes uns das nördlich und nordöstlich von Ypern gewonnene Gelände streitig zu machen, mißlangen. Nördlich von Ypern brach ein starker französischer, nordöstlich von Ypern bei St. Julien ein englischer Angriff unter schweren Verlusten zusammen. Ein weiterer feindlicher Angriff an und östlich der Straße Ypern-Bixschote hatte heute dasselbe Schicksal. Westlich des Kanals wurde nachts der Ort Lizerne von unseren Truppen gestürmt. Die Zahl der gefangenen Franzosen, Engländer und Belgier hat sich auf 2470 erhöht; außer im ganzen 35 Geschützen mit Munition fielen eine größere Anzahl von Maschinengewehren, viele Gewehre und sonstiges Material in unsere Hände.
In der Champagne sprengten wir nördlich der Beau-Séjour-Ferme heute Nacht mit vier Minen einen feindlichen Schützengraben; die Franzosen erlitten hierbei starke Verluste, zumal ihre Artillerie das Feuer auf die eigenen Gräben legte.
Zwischen Maas und Mosel erneuerten die Franzosen an mehreren Stellen ihre Angriffe; im Ailly-Walde behielten wir im Bajonettkampf die Oberhand; weiter östlich wurden die an einzelnen Stellen in unsere Linien eingedrungenen Franzosen wieder hinausgeworfen; im Priesterwalde machten wir weitere Fortschritte.
In den Vogesen hinderten Nebel und Schnee die Gefechtstätigkeit.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Im Osten ist die Lage unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Mit ungeschwächter Kraft

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Seit den Tagen von Soissons hat sich auf dem westlichen Kriegsschauplatz kein Gefecht zugetragen, das einer der Kriegsparteien einen größeren Geländegewinn und einen beträchtlicheren Offensiverfolg gebracht hätte als der siegreiche Vorstoß unserer Truppen im Nordosten von Ypern, von dem der neueste deutsche Tagesbericht Kunde gibt. Die großen Angriffsschlachten, die uns die Franzosen in der Champagne und jüngst zwischen Maas und Mosel lieferten, haben, an unserem neuesten Erfolg gemessen, einen nennenswerten Gewinn an Gelände, an taktischen Positionen oder an sonstigem Vorteil im Vergleich zu den eigenen Opfern den Angreifern überhaupt nicht gebracht. Und die Engländer werden zur Erkenntnis kommen müssen, daß Neuve Chapelle ein armseliges Nest ist gegenüber dem strategisch sehr wertvollen Besitz der Höhen von Pilkelm und des Brückenkopfs auf dem westlichen Kanalufer, den wir ihnen und den Franzosen entrissen haben.
Der Name Ypern, der uns in diesem Krieg schon wochenlang alltäglich vor Augen stand, der in den schweren Schlachten des vergangenen Spätherbstes gleichsam zu einem Wahrzeichen deutschen Heldenmuts, aber auch der furchtbaren Größe des Krieges geworden ist, klang neulich unversehens wieder in den Berichten unserer Heeresleitung auf, die uns über den verhallenden Kampflärm um Verdun und über die scheinbar Ruhe im Osten Nachricht gaben; alte Erinnerungen und neue Begierden wachrufend. Man vernahm dann, daß im Südosten der flandrischen Festung von neuem gekämpft werde, und daß ein starker Angriff der Engländer Stück für Stück zurückgeschlagen worden sei. Dann wurde gemeldet, daß auch im Norden von Ypern ein Gefecht im Gange sei. Im letzten französischen Bericht stand zu lesen, die deutschen Angriffe bei Langemarck seien zurückgeschlagen worden; es sei den Deutschen nicht gelungen, die Schlappe, die sie neulich dort erlitten hätten, wieder auszuwetzen. Was werden die Bulletins von heute sagen? Der deutsche Erfolg wird sich kaum wegdisputieren lassen: In einer Frontbreite von neun Kilometer sind die deutschen Regimenter in einem einzigen Anlauf vorgestürmt und haben vier Dörfer, Langemarck. Steenstraat, Het Sas und Pilkelm erobert, haben reiche Kriegsbeute gemacht und wichtige Stellungen gewonnen. Die Raumtiefe des gewonnenen Bodens wird im deutschen Bericht nicht angegeben, aber sie kann danach geschätzt werden, daß die Höhen östlich und südlich von Pilkelm, die annähernd 20 Meter hoch sind, über 3 Kilometer südwestlich von Langemarck und über 3½ Kilometer südöstlich von dem am Yser-Ypern-Kanal gelegenen Steenstraat zu suchen sind. Pilkelm liegt etwa 5 Kilometer nördlich von Ypern. Zwischen Steenstraat und Pilkelm ist am östlichen Kanalufer Het Sas zu suchen.
Wie groß die strategische Tragweite unseres Vorstoßes ist, ob und in welcher Weise man ihn auszuwerten beabsichtigt, läßt sich vorerst nicht erkennen. Die stärksten Stellungen unserer Gegner auf der östlichen Hälfte des Raumes um Ypern liegen vermutlich im Südosten, wo die Höhen steiler und erhabener sind, andererseits wurden die erstürmten feindlichen Positionen bei Langemarck von jeher als der "Schulterpunkt" der Befestigungen von Ypern bezeichnet. Soviel ist sache, daß unsere Truppen aufs neue ihre ausgezeichnete feindlichen Linien in Flandern, wieder fester geschraubt worden ist. Aber weit über diesen Bodengewinn und über die Hoffnungen, die sich darauf bauen lassen, stellen mir die Tatsache, daß unsere Truppen aufs Neue ihre ausgezeichnete Stoßkraft und ihre alte Frische uns und aller Welt klar und unbestreitbar bewiesen haben. Der Sturm auf Langemarck und Pilkelm ist nur ein Vorspiel. Wir warten und werden siegen.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Gescheiterte russische Nachtangriffe in den Karpathen

Wien, 24. April.
Amtlich wird verlautbart:
In den Karpathen stellenweise heftiger Geschützkampf. Im Abschnitt des Uzsoker Passes während des Tages vereinzelte Vorstöße der Russen, die durchweg abgewiesen wurden. Nachtangriffe des Feindes entlang der Turkaer Straße und westlich dieser scheiterten neuerdings unter großen Verlusten des Gegners. Die sonstige Lage ist unverändert.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der 1. Weltkrieg im April 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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