Der Weltkrieg am 4. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

Flandern 1. Weltkrieg: Von den Deutschen erobertes befestigtes Gehöft bei Zonnebeke
Von den Deutschen erobertes befestigtes Gehöft bei Zonnebeke in Flandern

 Der deutsche Heeresbericht:

21500 Russen in Westgalizien gefangen

Großes Hauptquartier, 4. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
In Flandern setzten wir unsere Angriffe von Norden und Osten mit großem Erfolg fort. Heute morgen fielen Zevenkote, Zonnebeke, Kesthoek, der Polygoneveld-Wald, Nonne Bosschen - alles seit vielen Monaten heiß umstrittene Orte - in unsere Hand. Der abziehende Feind steht unter dem Flankenfeuer unserer Batterien nördlich und südlich von Ypern. 
In den Argonnen versuchten die Franzosen nördlich von le Four de Paris vergeblich, einen von uns am 1. Mai eroberten Graben zurückzunehmen. 
Die Artilleriekämpfe zwischen Maas und Mosel nahmen auch gestern ihren Fortgang.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Zahl der in der Verfolgung auf Mitau gefangengenommenen Russen ist auf über 4000 gestiegen. 
Erneute russische Angriffe südwestlich von Kalwarja wurden abgeschlagen; 170 Gefangene blieben bei uns. Ebenso scheiterten russische Angriffe südöstlich von Augustow unter starken Verlusten für den Feind, der dort außerdem an Gefangenen 4 Offiziere, 420 Mann und 2 Maschinengewehre verlor. 
Auch bei Jedwabno nordöstlich von Lomza wurde ein russischer Nachtangriff abgeschlagen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Offensive zwischen Waldkarpathen und oberer Weichsel nahm guten Fortgang. Die Beute des ersten Tages beläuft sich auf 21500 Gefangene, 16 Geschütze, 47 Maschinengewehre und zur Zeit noch unübersehbares Kriegsgerät aller Art.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Luftschiff-Erfolge

Berlin, 4. Mai. (W. B. Amtlich.)
Am 3. Mai hat ein deutsches Marineluftschiff in der Nordsee ein Gefecht mit mehreren englischen Unterseebooten gehabt. Es bewarf die Boote mit Bomben und brachte eines von ihnen zum Sinken. Die Unterseeboote beschossen das Luftschiff mit Geschützen, ohne es zu treffen. Das Luftschiff ist wohlbehalten zurückgekehrt.

Berlin, 4. Mai. (W. B.) 
Unsere Flugzeuge in Flandern haben in letzter Zeit eine rege Tätigkeit entfaltet. Sie haben zahlreiche Angriffe auf Seestreitkräfte und Handelsschiffe des Feindes ausgeführt und dabei wiederholt Erfolge erzielt. Unter anderem wurde am 26. April im Westdiep ein britisches Linienschiff der "Formidable"-Klasse mit Bomben beworfen und durch Treffer beschädigt. Am gleichen Tage wurden einige englische Vorpostenfahrzeuge erfolgreich angegriffen.
2) 

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der siegreiche Vormarsch der Verbündeten in Westgalizien

Wien, 4. Mai.
Amtlich wird verlautbart:
In treuer Waffenbrüderschaft haben Deutschlands und Österreich-Ungarns verbündete Truppen einen neuen Sieg erfochten. Die seit dem Rückzug der Russen nach unserer siegreichen Schlacht bei Limanowa in Westgalizien haltende befestigte feindliche Front zwischen Weichsel und dem Karpathenhauptkamm wurde in ihrer ganzen Ausdehnung erobert. In Fortsetzung des Angriffs haben die österreichisch-ungarischen und die deutschen Streitkräfte auch gestern an der ganzen Front unter den Augen des Armeeoberkommandanten Feldmarschalls Erzherzog Friedrich neue Erfolge erkämpft, sind unaufhaltsam weiter nach Osten vorgedrungen und haben starke russische Kräfte erneut zum schleunigen Rückzug gezwungen. 
Die Bedeutung des Gesamterfolges läßt sich noch nicht annähernd übersehen. Die Zahl der bisherigen Gefangenen ist auf über 30000 Mann gestiegen und nimmt stündlich zu. In den zahlreichen eroberten russischen Stellungen wurde eine Unmenge Kriegsmaterial erbeutet: 22 Geschütze und 64 Maschinengewehre sind bei der ersten Beute. An allen übrigen Fronten ist die Situation im großen unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der Schauplatz des Durchbruchs

Kriegspressequartier, 4. Mai. (Priv.-Tel.)
Der Überschuß an Stoßkraft, mit dem unsere Angriffe gegen die westliche Flanke und hiermit auch gegen den Rücken der russischen Karpathenstellungen am Sonntag und Montag fortgesetzt wurden, hat diesen Flügel in ununterbrochener Breite von 40 Kilometer eingedrückt und bereits an die Wasserscheide der Höhen zwischen Dunajec und Wisloka verschoben. Die Verluste der Russen sind ungeheuer, da namentlich unsere schwere Artillerie mit hervorragender Wirkung in Tätigkeit trat. Obwohl schon bisher ein großer Sieg errungen wurde, ist die Aktion noch keineswegs abgeschlossen. Unsere Truppen drängen dem weichenden Gegner stürmisch nach und halten nur, wenn die schwere, gleichfalls folgende Artillerie ihr Feuer neuerdings gegen die vorbereiteten russischen Aufnahmestellungen richtet, um erneutes Festsetzen des Feindes in diesen zu verhindern.
Die Umfassung des südlichen Teiles der breiten geworfenen Fronten fängt bereits an, wirksam zu werden. Ebenso ist ein Teil der Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand bereits im Vorrücken begriffen. Der Kampf wird durch die größte Aktivität der Führung charakterisiert und erstrebt besonders, es nicht zu einem Versanden im Positionskriege kommen zu lassen.

Kriegspressequartier, 4. Mai. (Priv.-Tel.)
Der Übergang über den Dunajec wurde von unseren Pionieren am äußersten linken Flügel der westgalizischen Front durchgeführt. Als Übergangspunkt war die Gegend von Otfinow gewählt worden, wo in Friedenszeiten eine Fähre über den Fluß führt. Der Dunajec fließt dort zwischen hohen Überschwemmungsdämmen. Auf dem linken Ufer, wo unsere Truppen standen, dehnt sich zwischen Damm und freiem Wasser ein sumpfiges, stark mit Schilf verwachsenes Terrain. Der Übergang war äußerst schwierig, da jeder Mann, der in Sicht der Russen kam, sofort beschossen wurde. Die Pioniere begannen daher, im Damm ein Loch zu graben, eben breit genug, daß ein Ponton durchgebracht werden konnte. Diese Arbeit, die nur unter dem Schutz der Dunkelheit vorgenommen werden konnte, nahm drei Nächte in Anspruch. Bei Morgengrauen wurde das Loch gegen Sicht der Russen immer wieder mit Sandsäcken und Schilfbelag maskiert. Als es breit genug war, legten die Pioniere, abermals nachts, Gleise bis ins Wasser hinab. Auf diesen wurden mittels Rädern die Pontons in der Nacht von Samstag auf Sonntag hinabgelassen. Im Morgengrauen erfolgte der Überfall, der die Ortschaft Otfinow in unseren Besitz brachte und die Festsetzung am jenseitigen Dunajecufer zur Folge hatte, wobei 1000 Russen gefangen wurden.
Aussagen von Gefangenen schildern übereinstimmend die Wirkung der verbündeten Artillerie, die furchtbarer war, als man sie sich vorzustellen vermag. Die Leute, die sich von den erlittenen Qualen und Strapazen durchweg noch nicht zu erholen vermochten, sagen übereinstimmend, daß sie sich´s in der Hölle nicht ärger vorstellen können, als es vier Stunden lang in ihren Schützengräben gewesen sei. Korps, Divisionen, Brigaden und Regimenter schmolzen zusammen wie in der Glut eines Hochofens. Nach keiner Seite hin war eine Rettung möglich, denn es gab keinen Flecken Erde, auf den die vierhundert Geschütze der Verbündeten nicht gewirkt hätten. Bei einer russischen Reservedivision wurden sämtliche Generäle und Stabsoffiziere getötet oder verwundet. Dazu tobte der Irrsinn in den Reihen der Russen, und von allen Seiten übertönten hysterische Schreie noch das Gebrüll unserer Geschütze, das für menschliche Nerven zu stark war. Über die Reste der Russen, die sich scheu in die letzten Winkel der Schützengräben drückten, brach dann der gewaltige Ansturm unserer Infanteriemassen los, vor denen auch die herbeieilenden russischen Reserven zusammenschmolzen.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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