Der Weltkrieg am 24. Juli 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

Ostfront 1. Weltkrieg: Das zerstörte Rozan
Das zerstörte Rozan

 Der deutsche Heeresbericht:

Sieg über die russische 5. Armee bei Schaulen -
Die Narewfestungen Rozan und Pultusk erstürmt - 120000 Russen seit 14. Juli gefangen

v. Mackensen
v. Mackensen

v. Woyrsch
v. Woyrsch

Großes Hauptquartier, 24. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Bei Souchez wiederholten die Franzosen auch heute nacht ihre erfolglosen Handgranatenangriffe.
Bei den gestern gemeldeten Sprengungen in der Champagne hat der Feind nach sicheren Feststellungen große Verluste erlitten. Seine Versuche, uns aus der gewonnenen Stellung zu vertreiben, scheiterten.
Südlich von Leintrey wiesen unsere Vorposten abermals feindliche Vorstöße ab.
Die im Bericht der französischen Heeresleitung vom 22. Juli 11 Uhr abends erwähnte, über die Seille geworfene starke deutsche Aufklärungsabteilung bestand aus fünf Mann, die das feindliche Hindernis durchschnitten hatten und sich unter Verlust eines Mannes zurückzogen.
In der Gegend von Münster fanden gestern Kämpfe von geringerer Heftigkeit statt. Nach den Gefechten der letzten Tage sind dort vor unserer Front etwa 2600 gefallene Franzosen liegen geblieben.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Armee des Generals v. Below siegte bei Schaulen (Szawle) über die russische 5. Armee. Seit zehn Tagen ständig im Kampf, Marsch und Verfolgung, gelang es den deutschen Truppen gestern, Russen in Gegend Rozalin und Szadow zu stellen, zu schlagen und zu zersprengen.
Der Ertrag ist seit Beginn dieser Operation auf 27000 Gefangene, 25 Geschütze, 40 Maschinengewehre, über 100 gefüllte bespannte Munitionswagen, zahlreiche Bagagen und sonstiges Kriegsgerät angewachsen.
Am Narew wurden die Festungen Rozan und Pultusk in zähem, unwiderstehlichem Ansturm von der Armee des Generals v. Gallwitz erobert und der Übergang über diesen Fluß zwischen beiden Orten erzwungen. Starke Kräfte stehen bereits auf dem südlichen Ufer. Weiter nördlich und südlich dringen unsere Truppen gegen den Fluß vor.
In den Kämpfen zwischen Njemen und Weichsel wurden seit dem 14. Juli 41000 Gefangene, 14 Geschütze, 90 Maschinengewehre genommen. Was in Rozan und Pultusk an Kriegsgerät erobert ist, läßt sich noch nicht übersehen.
Vor Warschau fielen bei kleineren Gefechten der letzten Tage 1750 Gefangene und 2 Maschinengewehre in unsere Hand.
Nördlich der Pilicamündung erreichten deutsche Truppen die Weichsel.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Von der Pilicamündung bis Kozienice (nordwestlich von Iwangorod) ist der Feind über die Weichsel zurückgedrückt. Vor Iwangorod schoben sich unsere Truppen näher an die Westfront der Festung heran.
Zwischen Weichsel und Bug dauert der Kampf hartnäckig an. In der Gegend von Sokal wurden russische Angriffe gegen die Brückenkopfstellungen abgewiesen; ein thüringisches Regiment zeichnete sich dabei besonders aus.
Den deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen der Armee des Generalobersten v. Woyrsch und der Armee des Generalfeldmarschalls v. Mackensen fielen seit dem 14. Juli etwa 50000 Gefangene in die Hände. Die genaue Zahl sowie die Höhe der Materialbeute lassen sich noch nicht übersehen.

Oberste Heeresleitung.

Notiz: 
Rozalin liegt 17 Kilometer nordwestlich Szadow.
1)

Ostfront 1. Weltkrieg: Der Narew bei Rozan
Der Narew bei Rozan

 

Die Bundesratsverordnung gegen den Lebensmittelwucher

Berlin, 24. Juli. (Priv.-Tel.)
Die Verordnung gegen den Lebensmittelwucher, die gestern vom Bundesrat verabschiedet worden ist, hat folgenden Wortlaut:

§ 1. 

Werden Gegenstände des täglichen Bedarfs, insbesondere Nahrungs- und Futtermittel aller Art, sowie rohe Naturzeugnisse, Heiz- und Leuchtstoffe, die vom Eigentümer zur Veräußerung erworben oder erzeugt sind und für die Höchstpreise nicht festgesetzt sind, dem Verbrauch vorenthalten, so kann dass Eigentum auf sie durch Anordnung der Landeszentralbehörde oder der von ihr bezeichneten Behörde auf eine in der Anordnung näher zu bezeichnende Person übertragen werden. Die Entscheidung dieser Behörde, falls die Voraussetzungen für die Anordnung vorliegen, ist endgültig. Die Anordnung ist an den Besitzer der Gegenstände zu richten. Das Eigentum geht über, soweit die Anordnung dem Besitzer zugeht.

§ 2. 

Der Übernahmepreis wird unter Berücksichtigung des Einkaufspreises und der Güte und Verwendbarkeit der Gegenstände von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung von Sachverständigen endgültig festgesetzt. Einkaufspreise auf Grund von Verträgen, die in den letzten zwei Wochen vor der Bekanntgabe der Enteignungsverordnung an den Besitzer oder vorher in der Absicht geschlossen worden sind, einen höheren Übernahmepreis zu erzielen, werden bei Feststellung des Preises nicht berücksichtigt. Die Preisfestsetzung durch die höhere Verwaltungsbehörde bedarf der Bestätigung des Reichskanzlers, sofern der festgesetzte Übernahmepreis 5 Prozent der Einkaufspreise übersteigt. Diese ist einzuholen durch Vermittlung der Landeszentralbehörde. Bei den nach einer bestimmten Frist aus dem Auslande eingeführten Gegenständen gilt als Mindestpreis der Einkaufpreis im Auslande. Es ist ein Zuschlag zuzubilligen, der unter Berücksichtigung der mit der Einführung verbundenen Kosten und Gefahren zu bemessen ist. Der Übernahmepreis ist bar zu zahlen.

§ 3.

Über Streitigkeiten, die sich bei dem Enteignungsverfahren ergeben, entscheidet endgültig die höhere Verwaltungsbehörde.

§ 4. 

Die Landeszentralbehörde erläßt die Bestimmungen zur Ausführung dieser Verordnung und sie bestimmt auch, wer als höhere Verwaltungsbehörde anzusehen ist.

§ 5. 

Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 10 000 Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 
1. Wer für Gegenstände des täglichen Bedarfs, insbesondere für Nahrungsmittel und für Nahrungs- und Futtermittel aller Art, für rohe Naturerzeugnisse, Heiz- und Leuchtstoff sowie für Gegenstände des Kriegsbedarf Preise fordert, die unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse, insbesondere der Marktlage, einen übermäßigen Gewinn enthalten oder solche Preise sich von einem anderen gewähren und vorschreiben läßt. 
2. Wer Gegenstände der bezeichneten Art, die von ihm zur Veräußerung erzeugt oder erworben sind, zurückhält, um durch ihre Veräußerung einen übermäßigen Gewinn zu erzielen. 
3. Wer, um den Preis für Gegenstände der erwähnten Art zu steigern, Vorräte vernichtet, ihre Erzeugung oder den Handel mit diesen Gegenständen einschränkt oder andere unlautere Machenschaften vornimmt. 
4. Wer an einer Verabredung oder Verbindung teilnimmt, die eine Handlung der erwähnten Art zum Zwecke hat. Dabei kann in dem Urteil auf Einziehung der Vorräte erkannt werden, auf die sich die strafbare Handlung bezieht. In dem Urteil kann ferner angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen sei.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russischer Rückzug zwischen Weichsel und Bistritza - Der Mißerfolg des italienischen Isonzoangriffs - Bombardement der italienischen Ostküste

Wien, 24. Juli, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Der Feind räumte gestern infolge der siegreichen Angriffe, die von der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand in den letzten Tagen geführt wurden, zwischen der Weichsel und Bistritza in einer Frontbreite von 40 Kilometern seine Stellungen und zog sich 8 bis 10 Kilometer nordwärts in eine dort vorbereitete Linie zurück. Seine Versuche, in gleichfalls bereits eingerichteten Zwischenstellungen festen Fuß zu fassen, scheiterten am Nachdrängen unserer Korps. Die Zahl der von der Armee des Erzherzogs eingebracht ten letzthin gemeldeten Gefangenen wuchs auf 45 Offiziere und 11500 Mann an.
Nördlich Grubieszow drangen deutsche Kräfte in die feindliche Stellung ein. Bei Sokal wiederholten sich die vergeblichen Angriffe der Russen gegen unsere Positionen. Am östlichen Bugufer unmittelbar westlich Iwangorod unternahm der Feind einige erfolglose Vorstöße gegen Truppen unseres siebenbürgischen Korps. An den anderen Teilen der Front ist die Lage bei wechselnder Stärke der Kämpfe unverändert. Den zwischen Pilica und Bug kämpfenden verbündeten Truppen sind seit 14. Juli etwa 50000 Gefangene in die Hände gefallen.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Obgleich die Schlacht im Görzischen auch gestern und heute nacht nicht zum Abschluß kam, wird der volle Mißerfolg des zweiten allgemeinen Angriffes der Italiener immer deutlicher. Gegen den Görzer Brückenkopf begann gestern abend auf die Höhen von Podgora ein neuer Angriff, der schon durch Artilleriefeuer im Keime erstickt wurde. Ein Gegenangriff unserer dortigen Truppen warf den Feind vollends zurück. Am Nordwestrande des Plateaus von Doberdo wurden die italienischen Vorstöße schwächer und seltener. Nachts setzten sie ganz aus. Abermalige Angriffsversuche des Gegners in der Front Polazzo-Vermigliano wurden leicht zum Stehen gebracht. Bei Selz drang der Feind gestern vormittag in einen Teil unserer Gräben am Plateaurand ein. Ein nächtlicher Gegenangriff brachte jedoch sämtliche früheren Stellungen wieder in unseren Besitz und warf den Feind auf der ganzen Linie zurück. Der heutige Tag begann schon ruhiger.
Im Krngebiete wurden wieder alle feindlichen Angriffe abgeschlagen, hierbei zeichnete sich Erzherzogs Josephs Infanterie besonders aus.
An der Tiroler und Kärntner Front ist die Lage unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See:
Am 23. früh haben unsere Kreuzer und Fahrzeuge die Eisenbahn an der italienischen Ostküste auf einer Strecke von 160 Kilometer erfolgreich beschossen. Die Bahnstationen von Chienti, Campomarino, Fossacessia, Termoli und Ortona sind stark beschädigt, jene von San Benedetto und Grottamora in Brand geschossen, viele Lokomotiven und viele Waggons demoliert, einige verbrannt. In Ortano wurde der Wasserturm zerschossen, der Pontonkran beschädigt und ein Schlepptender versenkt. Zwei Fabriken in Ortona und eine in San Vito haben schweren Schaden davongetragen; alle Schornsteine sind umgelegt. Der Bahnviadukt bei Termoli ist demoliert, die Brücke über Moro eingestürzt und außerdem eine Kaserne in San Benedetto zerschossen. Das Semaphor Tremiti wurde in Schutt gelegt, das dortige Kabel zerstört; feindliche Seestreitkräfte wurden nicht gesichtet.

Flottenkommando. 1)  

 

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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