Der Weltkrieg am 31. Juli 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Neue Kämpfe bei Lublin und Cholm

Großes Hauptquartier, 31. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Gestern früh stürmten wir die bei unserem Angriff auf Hooge (östlich von Ypern) am 3. Juni noch in englischer Hand gebliebenen Häuser am Westrande des Ortes, sowie einen Stützpunkt südlich der Straße nach Ypern. Nachmittags und nachts wurden Gegenangriffe des Feindes zurückgeschlagen. Wir eroberten 4 Maschinengewehre, 5 Minenwerfer und nahmen einige Engländer gefangen. Die in den Gräben des Feindes gefundene Zahl Toter beweist seine großen blutigen Verluste.
Die Franzosen griffen bei Souchez abermals erfolglos mit Handgranaten an.
Die erbitterten Kämpfe um die Linie Lingekopf-Barrenkopf in den Vogesen sind zu einem Stillstand gekommen. Die Franzosen halten einen Teil unserer Stellung am Lingekopf noch besetzt. Schratzmännle und Barrenkopf sind nach vorübergehendem Verlust wieder in unserer Hand.
Als Vergeltung für die mehrfachen Bombenabwürfe der Franzosen auf Chauny, Tergnier und andere Orte hinter unserer Aisnefront wurde der Bahnhof Compiégne beschossen. Auf Angriffe französischer Flugzeuggeschwader, die gestern auf Pfalzburg, Zabern, nördlich Hagenau und auf Freiburg Bomben abwarfen, antworteten am Nachmittag unsere Geschwader mit Bombenabwürfen auf Flughafen und Fabriken von Lunéville, die Bahnhofsanlagen von St. Dié und den Flughafen bei Nancy. Der durch die feindlichen Flieger angerichtete Schaden ist unwesentlich. Ein französisches Flugzeug wurde bei Freiburg durch unsere Abwehrgeschütze heruntergeschossen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Nordwestlich von Lomza und an der Bahn nördlich von Goworowo (östlich von Rozan) geht unser Angriff vorwärts. Gestern wurden 1890 Russen gefangen, 3 Maschinengewehre erbeutet.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die auf das rechte Weichselufer übergegangenen Truppen des Generalobersten v. Woyrsch dringen unter hartnäckigen Kämpfen nach Osten vor; alle Gegenangriffe eiligst herangeführter russischer Verstärkungen scheiterten völlig. Die Zahl der Gefangenen ist auf 7 Offiziere (darunter 1 Regimentskommandeur) und 1600 Mann gestiegen.
Den in der Verfolgung begriffenen verbündeten Armeen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen scheint der Gegner in der ungefähren Linie Kowo-Alexandria an den Weichselhöhen nördlich Lublin (das gestern nachmittag besetzt wurde), dicht südlich Cholm erneuten Widerstand leisten zu wollen. Der Feind wird überall angegriffen.
Während der Kämpfe der deutschen Truppen bei Biskupice-Plaski am 30. Juli sind 4930 Gefangene gemacht und 5 Geschütze, 8 Maschinengewehre erbeutet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Errungenschaften des ersten Kriegsjahres

Berlin, 31. Juli.
1. Die Zentralmächte haben bisher vom feindlichen Gebiete besetzt:
 

Belgien 29000 Quadratkilometer, 
Frankreich 21000 Quadratkilometer,
Rußland 130000Quadratkilometer.
Im ganzen  180 000 Quadratkilometer.

Der Feind hat besetzt: 

Elsaß:  1050 Quadratkilometer, 
Galizien:  10000 Quadratkilometer.
Im ganzen 11050 Quadratkilometer.

2. Die Gesamtzahl der Kriegsgefangenen betrug mit Ablauf des ersten Kriegsjahres: 
In deutschen Gefangenenlagern und Lazaretten: 898869.
Als Arbeiter beschäftigt: 40000
In den letzten Wochen gefangengenommen, noch unterwegs zu den Gefangenenlagern: 120000.
In Deutschland im ganzen: 1058869
In Österreich-Ungarn im ganzen: 636534 
Das ergibt eine Gesamtzahl von rund 1695400
An kriegsgefangenen Russen befinden sich darunter in Deutschland 5600 Offiziere, 720000 Unteroffiziere und Mannschaften, in Österreich-Ungarn 3190 Offiziere, 610000 Unteroffiziere und Mannschaften, davon ist ein großer Teil durch deutsche Truppen gefangengenommen.
Gesamtzahl der russischen Kriegsgefangenen 8790 Offiziere, 1330000 Unteroffiziere und Mannschaften.

3. An Kriegsbeute waren in deutschen Sammelstellen bis zum Juni gezählt: 5834 erbeutete Geschütze, 1556 erbeutete Maschinengewehre. Ein großer Teil der erbeuteten Geschütze und Maschinengewehre ist aber nicht zurückgeschafft, sondern blieb bei den Truppen zur Verwendung gegen den Feind. Genaue Zahlen hierüber fehlen. Im ganzen kann man mit einer Kriegsbeute von 7000-8000 Geschützen, 2000-3000 Maschinengewehren rechnen. 

 

Kaiser Wilhelm II. zum Jahrestag der Kriegserklärung

Kaiser Wilhelm II.

Kaiser Wilhelm II.

Berlin, 31. Juli.
Der "Reichsanzeiger" veröffentlicht in einer Sonderausgabe folgende Kundgebung des Kaisers:

An das deutsche Volk.

Ein Jahr ist verflossen, seitdem Ich das deutsche Volk zu den Waffen rufen mußte. Eine unerhört blutige Zeit kam über Europa und die Welt. Vor Gott und der Geschichte ist Mein Gewissen rein: Ich habe den Krieg nicht gewollt. Nach Vorbereitungen eines ganzen Jahrzehnts glaubte der Verband der Mächte, denen Deutschland zu groß geworden war, den Augenblick gekommen, um das in gerechter Sache treu zu seinen österreichisch-ungarischen Bundesgenossen stehende Reich zu demütigen oder in einem übermächtigen Ringe zu erdrücken.
Nicht Eroberungslust hat uns, wie Ich schon vor einem Jahre verkündete, in den Krieg getrieben. Als in den Augusttagen alle Waffenfähigen zu den Fahnen eilten und die Truppen hinauszogen in den Verteidigungskampf, fühlte jeder Deutsche auf dem Erdball, nach dem einmütigen Beispiele des Reichstags, daß für die höchsten Güter der Nation, ihr Leben und ihre Freiheit, gefochten werden mußte. Was uns bevorstand, wenn es fremder Gewalt gelang, das Geschick unseres Volkes und Europas zu bestimmen, das haben die Drangsale Meiner lieben Provinz Ostpreußen gezeigt. Durch das Bewusstsein des aufgedrungenen Kampfes ward das Wunder vollbracht: der politische Meinungsstreit verstummte, alte Gegner fingen an, sich zu verstehen und zu achten, der Geist treuer Gemeinschaft erfüllte alle Volksgenossen.
Voll Dank dürfen wir heute sagen: Gott war mit uns. Die feindlichen Heere, die sich vermaßen, in wenigen Monaten in Berlin einzuziehen, sind mit wuchtigen Schlägen im Westen und im Osten weit zurückgetrieben. Zahllose Schlachtfelder in den verschiedensten Teilen Europas, Seegefechte an nahen und fernsten Gestaden bezeugen, was deutscher Ingrimm in der Notwehr und deutsche Kriegskunst vermögen. Keine Vergewaltigung völkerrechtlicher Satzungen durch unsere Feinde war imstande, die wirtschaftlichen Grundlagen unserer Kriegführung zu erschüttern. Staat und Gemeinden, Landwirtschaft, Gewerbefleiß und Handel, Wissenschaft und Technik wetteiferten, die Kriegsnöte zu lindern. Verständnisvoll für notwendige Eingriffe in den freien Warenverkehr, ganz hingegeben der Sorge für die Brüder im Felde, spannte die Bevölkerung daheim alle ihre Kräfte an zur Abwehr der gemeinsamen Gefahr.
Mit tiefer Dankbarkeit gedenkt heute und immerdar das Vaterland seiner Kämpfer, derer, die todesmutig dem Feind die Stirne bieten, derer, die wund oder krank zurückmeldeten, derer vor allem, die in fremder Erde oder auf dem Grund des Meeres vom Kampfe ausruhen. Mit den Müttern und Vätern, den Witwen und Waisen empfinde Ich den Schmerz um die Lieben, die fürs Vaterland starben.
Innere Stärke und einheitlicher nationaler Wille im Geiste der Schöpfer des Reichs verbürgen den Sieg. Die Deiche, die sie in der Voraussicht errichteten, daß wir noch einmal zu verteidigen hätten, was wir 1870 errangen, haben der großen Sturmflut der Weltgeschichte getrotzt. Nach den beispiellosen Beweisen von persönlicher Tüchtigkeit und nationaler Lebenskraft hege Ich die frohe Zuversicht, daß das deutsche Volk, die im Kriege erlebten Läuterungen treu bewahrend, auf erprobten alten und auf vertrauensvoll betretenen neuen Bahnen weiter in Bildung und Gesittung rüstig vorwärts schreiten wird.
Großes Erleben macht ehrfürchtig und im Herzen fest. In heroischen Taten und Leiden harren wir ohne Wanken aus, bis der Friede kommt. Ein Friede, der uns die notwendigen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Sicherheiten für die Zukunft bietet und die Bedingungen erfüllt zur ungehemmten Entfaltung unserer schaffenden Kräfte in der Heimat und auf dem freien Meere.
So werden wir den großen Kampf für Deutschlands Recht und Freiheit, wie lange er auch dauern mag, in Ehren bestehen und vor Gott, der unsere Waffen weiter segnen wolle, des Sieges würdig sein.

Großes Hauptquartier, den 31. Juli 1915.

Wilhelm I. R. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der Vormarsch auf Cholm

Wien, 31. Juli, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand nahm gestern Nachmittag von Lublin Besitz. Ihr linker Flügel überschritt in der Verfolgung die Bystra. Deutsche Truppen drangen den Wieprz abwärts vor und nähern sich von Südwest der Stadt Cholm. Der Gegner versucht, an verschiedenen Punkten in vorbereiteten Stellungen erneut Widerstand zu leisten. Er wird überall angegriffen.
Nordwestlich Iwangorod wiesen die auf dem Ostufer der Weichsel vorgedrungenen deutschen Kräfte heftige Angriffe ab; die Russen erlitten große Verluste. In Ostgalizien blieb die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die italienischen Infanterieangriffe im Görzischen haben gestern vollkommen ausgesetzt. Gegen unsere Stellungen am Plateaurande verfeuert die feindliche Artillerie nach wie vor große Munitionsmengen.
Im Kärntner Grenzgebiete kam es zu mehreren Gefechten; drei italienische Bataillone griffen nach starker Artillerievorbereitung die Stellungen unserer Truppen auf dem Kleinen Pal an. Es gelang dem Feinde, in einen vorgeschobenen Schützengraben einzudringen, doch wurde er nach hartem Kampf unter schwersten Verlusten wieder vollends zurückgeschlagen. Ebenso wurde ein Vorstoß italienischer Truppen beim Paß Lodinut (nördlich Paularo) auf nächste Distanz durch Feueranfall und Handgranaten abgewiesen. Am Grenzkamm südlich Malborghet räumte eine unserer vorgeschobenen Abteilungen einen Beobachtungsposten vor überlegenen feindlichen Kräften.
In Tirol beschoß italienische Artillerie erfolglos die Plateaus von Folgaria-Lavarone. Ein Angriff schwächerer feindlicher Kräfte im Gebiete des Monte Cristallo wurde blutig abgewiesen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 31. Juli.
An der Dardanellenfront gestern örtlicher Feuerkampf wie gewöhnlich. Bei Ari Burun brachten wir von unserem Zentrum gegen den Feind vorgetriebene Minen mit gutem Erfolge zur Entzündung. Ein Teil der feindlichen Schützengräben und der Drahtverhau wurden zerstört.

 

Ein großer englischer Passagierdampfer versenkt

London, 31. Juli.
"Lloyds" meldet: Der Passagierdampfer "Iberian" von der Leylandlinie ist von einem Unterseeboot versenkt worden. Die "Iberian" (5223 Registertonnen) wurde zuerst beschossen und dann torpediert und zum Sinken gebracht. 7 Personen sind tot, 61 konnten gerettet werden.

 

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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