Der Weltkrieg am 30. August 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Lipsk vor Grodno erstürmt

Großes Hauptquartier, 30. August.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Truppen des Generals v. Below stehen im Kampf um den Brückenkopf südlich von Friedrichstadt.
In den Kämpfen östlich des Njemen hat die Armee des Generalobersten v. Eichhorn die Gegend nordöstlich von Olita erreicht; es wurden weitere 1600 Gefangene gemacht und 7 Geschütze erobert. In der Richtung auf Grodno wurde Lipsk (am Bobr) erstürmt, der Feind zum Aufgeben des Sidra-Abschnitts gezwungen und Sokolka von uns durchschritten. Der Ostrand der Forsten nordöstlich und östlich von Bialystok ist an mehreren Stellen erreicht.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Im Bialowieskaforst wird um den Übergang über den oberen Narew gekämpft. Die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen des Generalobersten v. Woyrsch warfen den Feind aus seinen Stellungen bei Suchopol (am Ostrand des Forstes) und Szereszowo; sie sind in scharfer Verfolgung begriffen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Um den Rückzug ihrer rückwärtigen Staffeln durch das Sumpfgebiet östlich von Pruzana zu ermöglichen, stellten sich die Russen gestern in der Linie Poddubno - Gegend südlich von Kobryn noch einmal zum Kampf. Sie wurden geschlagen, trotzdem sie bereits abmarschierende Teile wieder in den Kampf warfen.
Auch die Fortführung des in der Kriegsgeschichte aller Zeiten unerhörten Verfahrens, zum Schutze der flüchtenden Armeen die auf dem Rückzug mitgeschleppte Bevölkerung des eigenen Landes zu vielen Tausenden, darunter hauptsächlich Frauen und Kinder, in unseren Angriff hineinzutreiben, nutzte ihnen nichts.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Ostfront 1915: Russische Kriegsgefangen
Russische Kriegsgefangene werden durch deutsche Ulanen hinter die Front gebracht

Der Zusammenbruch der russischen Armee - Das Ergebnis unserer Offensive seit dem 2. Mai

Berlin, 30. August.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben:
Im gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem durch den Fall der inneren russischen Verteidigungslinie ein gewisser Abschnitt in den fortlaufenden Operationen erreicht wurde, ist es lehrreich, sich kurz das bisherige Ergebnis der Offensive zu vergegenwärtigen, die am 2. Mai mit dem Durchbruch bei Gorlice begann.
Die Stärke der russischen Verbände, auf die der eigentliche Stoß nach und nach traf, wird gering mit etwa 1400000 Mann beziffert werden können.
In den Kämpfen sind rund 1100000 Mann gefangen und mindestens 300000 Mann gefallen oder verwundet, wenn man die Zahl der so Ausgeschiedenen (ohne Kranke) sehr niedrig auf nur 30 pCt. der Gefangenen veranschlagt. Sie ist sicher höher, denn seitdem der Feind, um den Rest seiner Artillerie zu retten, seinen eiligen Rückzug ohne jede Rücksicht auf Menschenleben in der Hauptsache durch Infanterie zu sichern versucht, hat er natürlich ungeheuerliche blutige Verluste erlitten.
Man kann also sagen, daß die Heere, auf die unsere Offensive gestoßen ist, einmal ganz vernichtet worden sind.
Wenn der Gegner trotzdem noch Truppen im Felde stehen hat, so ist dies dadurch zu erklären, daß er die für eine Offensive gegen die Türkei in Südrußland bereitgestellten Divisionen heranzog, daß er sehr viele halbausgebildete Ersatzmannschaften aus dem Innern Rußlands schleunigst heranführte, und daß er endlich aus jenen Fronten, an denen unser Druck weniger fühlbar war, zahlreiche Mannschaften einzeln und in kleinen Verbänden nach Norden verschob.
Alle diese Maßnahmen haben das Verhängnis nicht aufhalten können.
Aus Galizien, Polen, Kurland, Litauen ist der Feind vertrieben. Seine geschlossene Front ist zerrissen, seine Heere fluten in zwei völlig getrennten Gruppen zurück. Nicht weniger als zwölf Festungen, darunter vier große und ganz modern ausgebaute, fielen in die Hände unserer tapferen, treuen Streiter und damit die äußere sowie die innere Sicherungslinie des russischen Reiches.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Ostgalizien bis zur Strypa befreit

Wien, 30. August.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Armeen der Generale Pflanzer-Baltin und Bothmer drangen gestern bis an die Strypa vor. Der Gegner versuchte an verschiedenen Geländeabschnitten unsere Verfolgung einzudämmen, wurde aber überall zurückgetrieben. Besonders hartnäckiger Widerstand mußte am unteren Koropiecbache gebrochen werden. Die Truppen des Generals v. Boehm-Ermolli stießen östlich Zloczow in einer von Bialykamien über Toporow gegen Radziechow verlaufenden Linie auf stark besetzte Stellungen. Der Feind wurde angegriffen und an zahlreichen Punkten der Front geworfen. In Wolhynien haben unsere gegen Luck drängenden Streitkräfte abermals Raum gewonnen. Swiniuchy und andere zäh verteidigte Örtlichkeiten wurden dem Feind entrissen. Die in der Bialowieskasa-Puszcza kämpfenden k. und k. Truppen schlugen die Russen bei Szereszowo und verfolgen sie gegen Pruszany.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Gestern unterhielten die Italiener an der ganzen küstenländischen Front ein Artilleriefeuer von wechselnder Stärke. An mehreren Stellen unternahm ihre Infanterie Annäherungsversuche und kleinere Angriffe, wurde aber, wie immer, abgewiesen.
Im Kärntner und Tiroler Gebiete ist die Lage unverändert.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Schwere feindliche Verluste an den Dardanellen

Konstantinopel, 30. August.
Dardanellenfront: Der Feind erneuerte am 29. August seine Angriffe vom 26. und 27. August in der Gegend von Anaforta. Die feindlichen Angriffe waren in den letzten drei Tagen besonders zähe. Der Feind wurde nichtsdestoweniger vollständig zurückgeschlagen und erlitt ungeheure Verluste. Wir eroberten durch Gegenangriffe einige in unserem Zentrum gelegene Schützengräben zurück, die vom Feinde besetzt waren, und töteten die Besatzung. Während der Kämpfe in den letzten zwei Tagen verlor der Feind 10000 Mann an Toten. Unsere Verluste sind im Vergleich dazu gering. Unsere am Kampf teilnehmenden Flugzeuge warfen mit Erfolg Bomben auf die feindlichen Stellungen und Lager.
An der Dardanellenfront hat der Feind gestern in der Gegend von Anaforta nichts unternommen; unsere Artillerie hat das Heck eines feindlichen Torpedobootes in Brand geschossen, welches abgeschleppt wurde. Bei Ari Burun nichts von Bedeutung. Bei Sed ul Bahr hat die Artillerie auf unserem linken Flügel eine feindliche Bombenwerferstellung zerstört.

 

Der 1. Weltkrieg im August 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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