Der Weltkrieg am 3. November 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Usice besetzt

Großes Hauptquartier, 3. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Am Souchezbach (nordöstlich des gleichnamigen Ortes) wurde ein vorgeschobenes, der Umfassung ausgesetztes Grabenstück von 100 Meter Breite nachts planmäßig geräumt.
Östlich von Peronne mußte ein englisches Flugzeug im Feuer unserer Infanterie landen; der Führer (Offizier) ist gefangengenommen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Vor Dünaburg selten die Russen ihre Angriffe fort. Bei Illuxt und Garbunowka wurden sie abgewiesen, viermal stürmten sie unter außergewöhnlichen Verlusten vergebens gegen unsere Stellungen bei Gateni an. Zwischen Swenten- und Ilsensee mußte unsere Linie zurückgebogen werden. Es gelang dort den Russen, das Dorf Mikulischki zu besetzen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Die Lage ist unverändert.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Am Oginskykanal wurde ein feindlicher Vorstoß gegen die Schleuse von Osaritschi abgeschlagen.
Beiderseits der Straße Lisowo - Czartorysk sind die Russen erneut zum weiteren Rückzuge
gezwungen; 5 Offiziere, 660 Mann sind gefangengenommen, 3 Maschinengewehre erbeutet.
Bei den Truppen des Generals Grafen v. Bothmer wird noch im Nordteil von Siemikowce
gekämpft.
Balkankriegsschauplatz:
Usice ist besetzt. Die Straße Cacak-Kragujevac ist überschritten. Beiderseits der Morawa leistet der Feind noch hartnäckigen Widerstand.
In Kragujevac wurden 6 Geschütze, 20 Geschützrohre, 12 Minenwerfer, mehrere tausend Gewehre, viel Munition und Material erbeutet.
Die deutschen Truppen der Armee des Generals v. Koeveß machten gestern 350 Gefangene und erbeuteten 4 Geschütze. Die Armee des Generals v. Gallwitz nahm in den letzten drei Tagen 1100 Serben gefangen.
Die Armee des Generals Bojadjieff hat westlich von Planinica beiderseits der Straße Zajecar-Paracin den Feind zurückgeworfen, 230 Gefangene gemacht und 4 Geschütze erbeutet. Südwestlich von Knjazevac verfolgen die bulgarischen Truppen, haben den Brückenkopf von Svrljig genommen, den Svrljieski Timok überschritten und dringen über den Plesberg (1327 Meter) und die Gulijanska (l369 Meter) nach dem Nisavatal vor. 300 Gefangene und 2 Maschinengewehre fielen in ihre Hand. Die im Nisavatal vorgegangenen Kräfte wichen vor einem überlegenen Angriff aus. Der Bogovberg (1154 Meter) westlich von Bela Palanka ist behauptet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erstürmung montenegrinischer Grenzberge

Wien, 3. November.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Kämpfe an der Strypa dauern an. Die Russen setzten Verstärkungen ein. Nördlich von Buczacz brach ein russischer Angriff unter unserem Feuer zusammen. Nördlich von Bieniawa wurde den ganzen Tag erbittert um den Besitz des Ortes Siemikowce gekämpft. Der gestern mitgeteilte Gegenangriff österreichisch-ungarischer Truppen führte nach wechselvollem Gefechte in den Nachmittagsstunden zur Vertreibung der Russen aus Dorf und Meierhof. In der Nacht griffen neue russische Kräfte ein, so daß einige Häusergruppen wieder verloren gingen. Heute wird weiter gekämpft. Auch am Teich nördlich von Siemikowce sind Kämpfe im Gange. Die unter den. Befehl des Generals v. Linsingen stehenden österreichisch-ungarischen und deutschen Streitkräfte brachen mit ihrer Stoßgruppe bei Bielgow westlich von Czartorysk in die russische Hauptstellung ein. Es wurden 5 Offiziere und 660 Mann gefangengenommen und 3 Maschinengewehre erbeutet.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die Italiener setzten ihre auf Görz gerichteten Anstrengungen an der Front von Plawa bis einschließlich der nördlichen Abschnitte der Hochfläche von Doberdo ununterbrochen fort. Gestern griffen wieder sehr starke Kräfte an; sie wurden überall abgewiesen. In diesen Kämpfen verloren mehrere italienische Regimenter die Hälfte ihres Bestandes. Heute nach Mitternacht warf ein Lenkluftschiff zahlreiche Bomben auf die Stadt Görz ab.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die gegen Montenegro kämpfenden österreichisch-ungarischen Streitkräfte erstürmten südlich von Avtovac die auf feindlichem Gebiet liegende Höhe Bobija und drei andere, von den Montenegrinern zäh verteidigte Berggipfel. Beim Sturm auf die Bibojahöhe wurde ein 12 Zentimeter-Geschütz italienischer Herkunft erobert.
Von den in Serbien operierenden verbündeten Streitkräften rückte eine österreichisch-ungarische Kolonne in Usice ein.
Andere k. u. k. Truppen stehen südlich und südöstlich von Cacak im Gefecht. Südlich der nach Kragujevac führenden Straße und auf den Höhen südöstlich von Kragujevac und nördlich und nordöstlich vor Jagodina gewinnen die Angriffe der österreichisch-ungarischen und deutschen Streitkräfte trotz des zähesten gegnerischen Widerstandes überall Raum. In Kragujevac wurden 6 Geschütze, 20 Geschützrohre, 12 Minenwerfer, einige tausend Gewehre und viel Munition und Kriegsgerät erbeutet.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der Einzug in Kragujewatz

Kragujewatz, 3. Novbr. (Priv.-Tel.)
Auf grundlosen Wegen, an deren Rändern zerbrochene Wagen und erschöpfte Pferde von den ungeheuren Schwierigkeiten und der stürmischen Gewalt unseres Vormarsches reden, zogen wir heute Mittag in Kragujewatz, der eigentlichen Hauptstadt des Königreiches, ein. Wir fanden die im breiten Tal der Lepnica malerisch gelegene ausgedehnte Stadt fast unversehrt Von den 20 000 Einwohnern sind nur die Wohlhabenderen geflüchtet Alles ist froh, daß die Stadt sich ergeben hat. Fürchterliche Gerüchte über den Zustand Belgrads und Semendrias mögen den Entschluß zur Übergabe beschleunigt haben. Auch wurden die Zufuhren von Salonik her schon vor der bulgarischen Unterbrechung der Bahn so knapp, daß die sonst so niedrigen Lebensmittelpreise in der Stadt beträchtlich stiegen. Die Deputation, die die Übergabe anbot, bestand aus dem ersten Bürgermeister und zwei Gemeinderäten.
Montag, den 1. November, morgens 9 Uhr zogen die ersten Truppen der Armee Gallwitz von Nordosten her in die Stadt ein. Wie wenig das Militär gewillt war, die Stadt kampflos preiszugeben, zeigen die Gefechte, die noch am Montag mittag, als die Fahnen der Verbündeten längst auf dem Stadthaus wehten, in den Hängen nördlich des Arsenals stattfanden. Der Gegner war von der Schnelligkeit und der Gewalt unseres Vorstoßes gegen Kragujewatz vollkommen überrascht. Die Quartiere der serbischen Militärbehörden fand man hastig und teilweise ungeräumt verlassen. Der Militärtelegraph trug noch einen letzten Befehl auf der Rolle, in dem es heißt, daß Kragujewatz unbedingt noch fünf Tage gehalten werden müsse, damit der restlose Abtransport der Arsenalvorräte beendigt werden könnte. Daß aber dieser Befehl um fünf Tage zu spät gekommen ist, zeigte uns heute eine eingehende Besichtigung des Arsenals. Wir haben in den während des Krieges stark vergrößerten und für einen Kleinstaat wie Serbien glänzend ausgerüsteten Werkstätten eine große Menge von Rohmaterial erbeutet, Öl, Gummi, Messing, Kupfer, Blei, Antimon. Zahllose alte türkische Geschütze sind allein durch ihr Bronzematerial wertvoll. Die geladene Munition ist fast ganz abtransportiert, aber von Messinghülsen und leeren Granaten liegen ganze Räume bis zur Decke gefüllt. Dabei haben die Serben im letzten Augenblick zerstört, was sie konnten. Die zahlreichen aufeinander folgenden Detonationen, die unsere Truppen am Sonntag nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr aus ihren Stellungen nördlich der Stadt hörten, stammten von Explosionen eines jetzt ausgebrannten Gebäudes, in dem erbeutete türkische und österreichisch-ungarische Munition untergebracht war. Englische Desinsektionswagen, die während der letzten Typhusepidemie verwandt wurden, englische Sanitätswagen, Autos und Bagagewagen brannten zum Teil noch, als unsere Truppen das Arsenal schon besetzt hatten. Auf dem großen Platz hinter der Halle, in der serbische Frauen bis vor wenigen Tagen Granaten gedreht haben, stehen Teiche von Öl und Benzin. In einem großen Schuppen mit wertvoller Ladung fanden wir alles zur Sprengung vorbereitet, nur die Zündschnur hatte man vergessen anzuzünden.

Dr. Adolf Köster,
Kriegsberichterstatter.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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