Der
kühne Beutezug der "Möwe"
Leutnant
Hans Berg
London,
2. Februar. (Reuter-Meldung.)
Von Newport News wird gemeldet, daß sich 451 Personen an
Bord des Schiffes "Appam" befinden, darunter 138 Überlebende
der sieben Schiffe, die von den Deutschen zum Sinken gebracht wurden,
sowie 20 deutsche Bürger und Kriegsgefangene aus Kamerun und eine
Prisenbesatzung von 22 Mann. Offenbar wurde die "Appam" vier
Tage nach ihrer Ausreise, ohne Widerstand geleistet zu haben, erbeutet,
nachdem ein Schuß über die Brücke des Dampfers abgefeuert
worden war. Als eine Prisenbesatzung an Bord gegangen war, begann die
"Appam" ein britisches, mit Fleisch aus Australien beladenes
Schiff zu verfolgen. Dieses bot Widerstand und wurde in den Grund gebohrt.
Wie die "Times" aus New York erfahren, wurde der Dampfer "Appam"
durch einen bewaffneten deutschen Dampfer, nicht durch ein Unterseeboot,
wie zuerst gemeldet worden war, erbeutet. Die Passagiere berichteten darüber,
daß am frühen Morgen des 15. Januar sich ein unbekanntes Schiff
ganz nahe an die "Appam" heranmachte und zwei Schüsse längs
des Bugs abfeuerte. Die "Appam" glaubte, es mit einem Seeräuber
zu tun zu haben, und gab ihrerseits zwei Schüsse ab, die keine Wirkung
hatten. Von beiden Schiffen wurden Rettungsboote ausgesetzt, und eines
der Rettungsboote der "Appam" wurde zwischen den beiden Dampfern
zertrümmert. Hierauf kletterte eine Abteilung von dem deutschen Schiffe
an Bord der "Appam", und Kapitän Harrison ergab sich, da
er einsah, daß weiterer Widerstand nutzlos wäre. Sodann kam
Leutnant Berg mit einer Prisenbemannung von 22 Köpfen an Bord und
das deutsche Kaperschiff verschwand, nachdem es auf der "Appam"
eine große Zahl von Gefangenen zurückgelassen hatte, die von
sieben britischen Schiffen herrührten. Die "Appam" wurde
hierauf als Hilfskreuzer benutzt und bemächtigte sich noch zweier
englischer Schiffe. Die "Appam" kam in Amerika unter dem Namen
"S. M. S. Appam" an. Das Schiff befindet sich in ausgezeichnetem
Zustand und führt eine große Ladung, darunter eine Menge Kakao.
Später meldet der Korrespondent der "Times":
Leutnant Berg ist ein kleiner, schmächtiger Mann mit einem Schnurrbärtchen.
Heute mittag erzählte er lächelnd von seiner Reise. Sein Schiff,
dessen Namen er nicht nennen wollte, war fünf Monate lang hart an
der Arbeit gewesen. Wir waren, sagte er, nur einige Meilen vom Hafen entfernt,
durften aber nicht einlaufen, sondern blieben in der Nachbarschaft und
warteten auf die "Appam". Wir hatten die Hoffnung, sie zu fassen,
schon aufgegeben und dachten, daß sie vielleicht von uns gehört
hätte und nach einem Hafen gegangen wäre. Die Passagiere haben
wir so gut wie möglich behandelt und ihnen alle erdenklichen Annehmlichkeiten
verschafft. Wir beauftragten Ärzte, die von einem anderen Schiff
heruntergeholt worden waren, für die Verwundeten zu sorgen. Ursprünglich
planten wir, nach New York zu fahren, hörten aber, daß feindliche
Schiffe in der Nähe von New York kreuzten, und änderten infolgedessen
unseren Kurs nach Norfolk. Wir hatten erwartet, am Sonntag hier einzutreffen,
mußten aber vorsichtig sein und einen Umweg machen, um das Kap Virginia
zu erreichen. Wir sahen keine englischen Kreuzer, begegneten aber verschiedenen
Handelsschiffen, die wir hätten nehmen können. Dadurch wäre
jedoch unsere Ankunft hier vielleicht in Frage gestellt worden, deshalb
ließen wir sie lausen. Unter den Passagieren der "Appam"
befinden sich 5 Kinder und 20 Frauen; allen geht es gut. Nachdem wir die
"Appam" erbeutet hatten, sichteten wir noch ein anderes Schiff,
das aber nicht gut genug war, um mitgenommen zu werden. Wir bohrten es
deshalb in den Grund. Nur vier Mann von unserer Mannschaft wurden verwundet,
einer von ihnen ernstlich.
In einem anderen Telegramm an die "Times" wird aus Norfolk berichtet,
daß das deutsche Schiff, welches die "Appam" nahm, der
Kreuzer "Möwe" war, der sich als Frachtdampfer vermummt
hatte und mit Kanonen ausgerüstet war.
Die "Möwe" soll aus Kiel gekommen und durch die Linie der
britischen Flotte in der Nordsee in den Atlantischen Ozean geschlüpft
sein. 1) |