Der Weltkrieg am 2. Februar 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Große Brände im Hafen von Saloniki

Großes Hauptquartier, 2. Februar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Die feindliche Artillerie entwickelte in einzelnen Abschnitten der Champagne und östlich von St. Die (in den Vogesen) große Lebhaftigkeit.
Die Stadt Lens wurde abermals vom Gegner beschossen.
Ein französisches Großkampfflugzeug stürzte, von unserem Abwehrfeuer gefaßt, südwestlich von Chauny ab. Die Insassen sind verwundet gefangen genommen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Eine stärkere russische Abteilung wurde von deutschen Streifkommandos an der Wiesielucha südlich von Kuchecka Wola (zwischen Stochod und Styr) angegriffen und aufgerieben.
Balkankriegsschauplatz:
Unsere Flieger beobachteten in den Hafenanlagen von Saloniki große Brände, die offenbar von unserem Luftschiffangriff herrühren.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erfolgreiches Vordringen in Albanien

Wien, 2. Februar.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Vor der Brückenschanze nordwestlich von Uscieszko wurde der Feind durch Minenangriffe zum Verlassen seiner vordersten Gräben gezwungen. An anderen Stehen der Nordostfront fanden Patrouillenkämpfe statt.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Im Suganatale wurden westlich von Roncegno mehrere Angriffe eines italienischen Bataillons abgewiesen; am Hange des Col di Lana wurde eine feindliche Sappenstellung im Handgemenge genommen und gesprengt. An der Isonzofront Geschützkämpfe.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
In Albanien gewannen unsere Vortruppen ohne Kampf das Südufer des Matiflusses. In Montenegro volle Ruhe; keine besonderen Ereignisse.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 2. Februar.
An der Dardanellenfront warf am 31. Januar ein Kreuzer auf der Höhe von Tekke Burun 12 Granaten auf die Umgebung von Sed ül Bahr und entfernte sich dann.

 

Selbstmord des türkischen Thronfolgers

Konstantinopel, 2. Februar.
Die Telegraphen-Agentur Milli meldet:
Der Thronfolger Prinz Jussuf Izzeddin Effendi hat sich infolge einer Krankheit, an der er seit einiger Zeit litt, gestern früh um 1½ Uhr in seinem Palast in Zingirli Koyu das Leben genommen, indem er sich die Adern des linken Armes aufschnitt. Die Bestattung wird morgen mit dem üblichen Zeremoniell im Grabe des Sultans Mahmud in Stambul erfolgen. Der ärztliche Befund, der den Selbstmord feststellt, ist von allen hervorragenden Ärzten Konstantinopels unterzeichnet.
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Der kühne Beutezug der "Möwe"


Leutnant Hans Berg

London, 2. Februar. (Reuter-Meldung.)
Von Newport News wird gemeldet, daß sich 451 Personen an Bord des Schiffes "Appam" befinden, darunter 138 Überlebende der sieben Schiffe, die von den Deutschen zum Sinken gebracht wurden, sowie 20 deutsche Bürger und Kriegsgefangene aus Kamerun und eine Prisenbesatzung von 22 Mann. Offenbar wurde die "Appam" vier Tage nach ihrer Ausreise, ohne Widerstand geleistet zu haben, erbeutet, nachdem ein Schuß über die Brücke des Dampfers abgefeuert worden war. Als eine Prisenbesatzung an Bord gegangen war, begann die "Appam" ein britisches, mit Fleisch aus Australien beladenes Schiff zu verfolgen. Dieses bot Widerstand und wurde in den Grund gebohrt.
Wie die "Times" aus New York erfahren, wurde der Dampfer "Appam" durch einen bewaffneten deutschen Dampfer, nicht durch ein Unterseeboot, wie zuerst gemeldet worden war, erbeutet. Die Passagiere berichteten darüber, daß am frühen Morgen des 15. Januar sich ein unbekanntes Schiff ganz nahe an die "Appam" heranmachte und zwei Schüsse längs des Bugs abfeuerte. Die "Appam" glaubte, es mit einem Seeräuber zu tun zu haben, und gab ihrerseits zwei Schüsse ab, die keine Wirkung hatten. Von beiden Schiffen wurden Rettungsboote ausgesetzt, und eines der Rettungsboote der "Appam" wurde zwischen den beiden Dampfern zertrümmert. Hierauf kletterte eine Abteilung von dem deutschen Schiffe an Bord der "Appam", und Kapitän Harrison ergab sich, da er einsah, daß weiterer Widerstand nutzlos wäre. Sodann kam Leutnant Berg mit einer Prisenbemannung von 22 Köpfen an Bord und das deutsche Kaperschiff verschwand, nachdem es auf der "Appam" eine große Zahl von Gefangenen zurückgelassen hatte, die von sieben britischen Schiffen herrührten. Die "Appam" wurde hierauf als Hilfskreuzer benutzt und bemächtigte sich noch zweier englischer Schiffe. Die "Appam" kam in Amerika unter dem Namen "S. M. S. Appam" an. Das Schiff befindet sich in ausgezeichnetem Zustand und führt eine große Ladung, darunter eine Menge Kakao.
Später meldet der Korrespondent der "Times":
Leutnant Berg ist ein kleiner, schmächtiger Mann mit einem Schnurrbärtchen. Heute mittag erzählte er lächelnd von seiner Reise. Sein Schiff, dessen Namen er nicht nennen wollte, war fünf Monate lang hart an der Arbeit gewesen. Wir waren, sagte er, nur einige Meilen vom Hafen entfernt, durften aber nicht einlaufen, sondern blieben in der Nachbarschaft und warteten auf die "Appam". Wir hatten die Hoffnung, sie zu fassen, schon aufgegeben und dachten, daß sie vielleicht von uns gehört hätte und nach einem Hafen gegangen wäre. Die Passagiere haben wir so gut wie möglich behandelt und ihnen alle erdenklichen Annehmlichkeiten verschafft. Wir beauftragten Ärzte, die von einem anderen Schiff heruntergeholt worden waren, für die Verwundeten zu sorgen. Ursprünglich planten wir, nach New York zu fahren, hörten aber, daß feindliche Schiffe in der Nähe von New York kreuzten, und änderten infolgedessen unseren Kurs nach Norfolk. Wir hatten erwartet, am Sonntag hier einzutreffen, mußten aber vorsichtig sein und einen Umweg machen, um das Kap Virginia zu erreichen. Wir sahen keine englischen Kreuzer, begegneten aber verschiedenen Handelsschiffen, die wir hätten nehmen können. Dadurch wäre jedoch unsere Ankunft hier vielleicht in Frage gestellt worden, deshalb ließen wir sie lausen. Unter den Passagieren der "Appam" befinden sich 5 Kinder und 20 Frauen; allen geht es gut. Nachdem wir die "Appam" erbeutet hatten, sichteten wir noch ein anderes Schiff, das aber nicht gut genug war, um mitgenommen zu werden. Wir bohrten es deshalb in den Grund. Nur vier Mann von unserer Mannschaft wurden verwundet, einer von ihnen ernstlich.
In einem anderen Telegramm an die "Times" wird aus Norfolk berichtet, daß das deutsche Schiff, welches die "Appam" nahm, der Kreuzer "Möwe" war, der sich als Frachtdampfer vermummt hatte und mit Kanonen ausgerüstet war.
Die "Möwe" soll aus Kiel gekommen und durch die Linie der britischen Flotte in der Nordsee in den Atlantischen Ozean geschlüpft sein.
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Ergebnisse des "Zeppelin"-Angriffs auf England

London, 2. Februar. (Meldung des Reuterschen Bureaus.)
Das Kriegsamt veröffentlicht folgendes:
Der vollständig unrichtige Bericht in dem amtlichen Telegramm aus Berlin über die Wirkungen des deutschen Luftschiffangriffs in der Nacht vom 31. Januar bildet einen weiteren Beweis für die Tatsache, daß die Angreifer ganz außerstande sind, ihre Lage oder ihren Kurs mit einiger Genauigkeit festzustellen. Eine Anzahl von Fällen, in denen leichte Verwundungen vorkamen, wurden noch außer den bereits mitgeteilten Zahlen berichtet, so daß jetzt folgende fahlen vorliegen: tot 33 Männer, 20 Frauen, 6 Kinder; verwundet 51 Männer, 48 Frauen, 2 Kinder. Zwei Kirchen wurden beschädigt und das Versammlungslokal einer Pfarrgemeinde zerstört. 14 Häuser wurden demoliert, eine große Zahl beschädigt. An zwei Stellen wurden Eisenbahnanlagen nicht sehr schwer beschädigt; nur zwei Fabriken, von denen keine militärischen Charakter besaß, und eine Brauerei wurden stark beschädigt und zwei oder drei andere Fabriken leicht. Die Gesamtzahl von Bomben, die bis jetzt entdeckt wurden, ist über 300. Viele fielen in ländlichen Gegenden nieder, wo gar kein Schaden angerichtet wurde.
Aus den nichtamtlichen Mitteilungen über den "Zeppelin"-Angriff auf England geht hervor, daß die Luftschiffe an der Küste von Norfolk um 5 Uhr nachmittags ankamen. Eins der Luftschiffe ließ die Botschaft fallen: "Wir kommen später zurück." Es war Dienstag früh 5 Uhr, ehe der letzte "Zeppelin" wieder abfuhr. Der meiste Schaden wurde in Staffordshire im Industriegebiete angerichtet. Hier wurden neun Menschen getötet bzw. verwundet. Auf die erste Warnung von der Annäherung der Luftschiffe hin wurden die Lichter in den Theatern und Bioskopen verdunkelt, in einigen wurde die Vorstellung bei Kerzenlicht fortgesetzt. Unter der Bevölkerung herrschte keine Panik. Eine Bombe fiel mitten in eine religiöse Versammlung; drei Frauen wurden hier getötet und viele verwundet. Eine andere Bombe fiel in einen Billardsaal und tötete einen der Spieler. In einer der Städte der Midlands wurden in einer Straße fast alle Häuser zerstört. Fünf Mitglieder einer Familie: Großvater, Großmutter, Tochter und zwei Enkel wurden getötet. Über eine andere Stadt in den Midlands, die sofort in Finsternis gehüllt wurde, fuhr der "Zeppelin" hin, ohne Bomben abzuwerfen. Die Einwohner dachten, daß die Gefahr vorüber sei und nahmen hierauf ihre normale Tätigkeit wieder auf; aber um Mitternacht erschienen die "Zeppeline" wieder und ließen Bomben fallen, die jedoch nur geringen Schaden anrichteten. Bei der Untersuchung vor dem Totengericht in einem Orte von Lincolnshire wies der Richter darauf hin, daß 50 Bomben abgeworfen, aber nur drei Personen getötet wurden.
Aus einer anderen Depesche geht hervor, daß der " Zeppelin"-Angriff auch auf den Zugverkehr Einfluß hatte. Der Zugführer eines Schnellzuges ließ seinen Zug eine Stunde lang in einem Tunnel stillstehen; ein anderer Zug hatte mehrere Stunden nötig, um einen Abstand von 20 Meilen zurückzulegen; wieder ein anderer Zug brauchte 12 Stunden für einen Abstand von 100 Meilen. Der Lokomotivführer eines Zuges sah, wie ein "Zeppelin" immer wieder auf die Eisenbahnlinien Bomben warf; der Zug wurde aber nicht beschädigt.
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Der "Zeppelin"Angriff auf Saloniki

Bern, 2. Februar.
Aus Meldungen des "Secolo" und des "Corriere della Sera" aus Saloniki geht hervor, daß bei dem Zeppelinflug nach Saloniki das französische Hauptquartier beschädigt wurde. Viele Häuser sind eingestürzt, große Depots sowie die Bank von Saloniki sind zerstört. Der Schaden ist außerordentlich groß. Die Explosionen waren schrecklich. Im Hafen wurde auch ein englisches Schiff beschädigt.
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Rücktritt des russischen Ministerpräsidenten Goremykin


Goremykin

Petersburg, 2. Februar.
Die Petersburger Telegraphenagentur meldet. Ministerpräsident Goremykin ist auf sein Ansuchen hin in Anbetracht seines geschwächten Gesundheitszustandes von seinen Obliegenheiten als Ministerpräsident enthoben und zum Wirklichen Geheimen Rat erster Klasse ernannt worden. Das Mitglied des Reichsrates Stürmer ist zum Ministerpräsidenten ernannt worden.
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Der 1. Weltkrieg im Februar 1916

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 4
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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