Der
Reichskanzler über die deutsch-amerikanischen Beziehungen
Köln,
10. Januar.
Die "Kölnische Zeitung" meldet von der holländischen
Grenze vorn 9. Februar:
Der Berliner Berichterstatter der "New York World" Karl v. Wiegand
veröffentlicht den Inhalt einer Unterredung, die er mit dem deutschen
Reichskanzler hatte. "Nieuwe Courant" bringt daraus einen Auszug
worin es heißt: Was Ihre Regierung verlangt, erklärte Herr
v. Bethmann Hollweg, ist eine unmögliche Demütigung. Ich bin
weit gegangen, um die herzlichen und freundschaftlichen Beziehungen zu
den Vereinigten Staaten zu erhalten, die zwischen uns und ihnen von dem
Tage an bestanden haben, wo vor 120 Jahren Preußen als einer der
ersten Staaten die Unabhängigkeit Amerikas in seinem Kampfe gegen
England anerkannte. Sie wissen, daß ich in dieser ganzen Angelegenheit
einen weiten versöhnlichen Sinn gegenüber Ihrem Lande und Volke
gezeigt habe. Ich bin bereit gewesen und bleibe es, Amerika alles zuzugestehen,
was Deutschland billigerweise in der Behauptung der Grundsätze der
Gerechtigkeit und seiner Ehre zugestehen kann. Allein ich vermag einer
Demütigung Deutschlands und des deutschen Volkes nicht zuzustimmen.
Ich kann mir die Waffe der Unterseeboote nicht aus der Hand reißen
lassen. Ich kann Amerika nicht befriedigen und die Fortsetzung der herzlichen
Beziehungen zu einem von jedem Deutschen geschätzten Lande nicht
gewährleisten, wenn es auf Unkosten einer nationalen Demütigung
geschehen soll. Ich erkläre Ihnen dies nicht mit leichtem Herzen,
sondern bin mir der Tatsache bewußt, daß ich die Empfindung
des ganzen deutschen Volkes ausspreche.
Der Reichskanzler gab offen zu, daß weder die deutsche Regierung
noch das deutsche Volk die Möglichkeit eines Abbruches der Beziehungen
zu den Vereinigten Staaten, der einzig neutral gebliebenen Großmacht,
leichtherzig oder gleichgültig ins Auge faßten. Allein er erklärte,
der Wortlaut der Note Lansings habe ihm keine andere Wahl als Ablehnung
gelassen. Keine deutsche Regierung vermöchte sich zu halten, wenn
sie einer solchen Erniedrigung zustimmte. Er erklärte indessen, er
habe das Vertrauen noch nicht verloren, daß der gesunde Menschenverstand
die Oberhand über die Forderungen von Washington gewinnen werde.
Dann sagte er unter anderem: Wir kämpfen für unser Dasein. Das
deutsche Volk opfert einmütig sein Blut und alles, was es besitzt,
für das Vaterland. Wir stehen nicht im Kriege mit Amerika. Wir wünschen
nicht, mit Amerika in einen Krieg zu geraten. Ich habe alles getan und
werde weiter alles tun, was in meiner Macht liegt, um den Krieg zu vermeiden;
allein es gibt Dinge, die ich nicht tun kann. Wenn in Amerika derselbe
aufrichtige Wunsch besteht, zu einer Übereinstimmung zu gelangen,
wie er bei der deutschen Regierung und dem deutschen Volke vorhanden ist,
so wird es keinen Bruch in den guten Beziehungen geben, die mehr als hundert
Jahre zwischen den beiden Ländern bestanden haben. 1) |