Verhaftung
des ukrainischen Kriegsministers - Einsetzung deutscher Militärgerichte
in Kiew
Berlin,
1. Mai.
In letzter Zeit machte sich in Kiew eine scharfe Agitation bemerkbar,
die sich anscheinend gegen den deutschen Einfluß in der Ukraine richtete.
Unsere Bemühungen, Ordnung zu schaffen, erfuhren von der Regierung
eine völlig ungenügende Unterstützung, die außerdem
keinerlei Maßregeln traf, um die Frühjahrsaussaat und die dadurch
bedingte Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu sichern.
Feldmarschall v. Eichhorn sah sich deshalb nach Einvernehmen mit dem kaiserlichen
Botschafter Freiherrn v. Mumm genötigt, einen Erlaß über
die Ausführung der Frühjahrsbestellungen zu veröffentlichen,
der von der ukrainischen Presse entstellt wiedergegeben wurde, was Aufregung
im Lande und in der Rada einen Protest hervorrief. Es ergaben sich sogar
Anzeichen, daß Mitglieder der Regierung selbst sich an der Agitation
gegen uns beteiligten.
Unter diesen Verhältnissen gewann die willkürliche Verhaftung
des Direktors der Russischen Bank für auswärtigen Handel, Dobry,
eine besondere Bedeutung. Dieser wurde ohne nähere Erklärungen
im Namen des "Bundes zur Befreiung der Ukraine" in seinem Quartier
überfallen und weggeschleppt. Zur Hilfe gerufene Soldaten der Regierungsmiliz
weigerten sich, ihn zu schützen. Sein Aufenthalt ist zurzeit noch
unbekannt. Dobry war als ukrainischer Finanzsachverständiger mit
den deutschen Mitgliedern der Wirtschaftskommission in enge Fühlung
getreten und hatte sich große Verdienste um fachgemäße
Zusammenarbeit mit der deutschen und österreichischen Delegation
erworben. Außerdem liefen Nachrichten ein, daß weitere Verhaftungen
folgen sollten; zugleich mehrten sich die Anzeichen für den Verdacht,
daß die Verhaftung von Mitgliedern der Regierung selbst ausgegangen
war.
Dieser Entwicklung der Dinge konnte das deutsche Oberkommando nicht ruhig
zusehen. Der Gewaltakt bedeutete den Wiederbeginn der Anarchie, und die
Regierung hatte sich als zu schwach erwiesen, die Rechtssicherheit in
Kiew zu schützen. Feldmarschall v. Eichhorn verfügte daher im
Einverständnis mit dem kaiserlichen Botschafter Freiherrn v. Mumm
zur Sicherung der Stadt Kiew besondere Maßnahmen, die im wesentlichen
auf die Einsetzung von Militärgerichten, die strenge Bestrafung allgemeiner
Verbrechen und Androhung schwererer Strafen gegen jede Störung der
Ordnung abzielten. Inzwischen war die Untersuchung des Falles Dobry bereits
einem Deutschen Militärgericht übertragen. Sie führte unter
anderen zur Verhaftung des Kriegsministers Shukowski, des Abteilungschefs
im Ministerium des Innern Dajewsti, der Frau des Ministers des Innern Tkatschenko, des Kommandanten
der Stadtmiliz Bogazki und des Abteilungschefs im Ministerium des Äußeren
Ljubinski. Die gerichtliche Untersuchung wird fortgesetzt.
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