Der Weltkrieg am 8. November 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Fortführung der Bewegungen zwischen Schelde und Maas

Großes Hauptquartier, 8. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Der Franzose, der sich nordöstlich von Oudenaarde erneut auf östlichem Schelde-Ufer festsetzte, wurde im Gegenangriff wieder über den Fluß geworfen. Zwischen der Schelde und der Maas haben wir die Bewegungen in letzter Nacht plangemäß weitergeführt. Vor unseren neuen Linien entwickelten sich Nachhutkämpfe, die südlich der Straße Valenciennes-Mons, an der Sambre, nördlich von Avesnes und auf den Maashöhen südwestlich von Sedan größeren Umfang annahmen. Sie endeten überall mit der Abwehr des Gegners. Der Feind stand am Abend östlich von Bavai - nördlich von Avesnes - östlich von La Capelle - südwestlich von Hirson - südlich von Signy-l´Abbaye, bei Poix Terron und auf den Maashöhen südwestlich von Sedan. Östlich der Maas Teilkämpfe in dem Waldgelände westlich von Brandeville.

Der Erste Generalquartiermeister
    Gröner.
1)

 

Abdankung der Welfen

Braunschweig, 8. November.
Herzog Ernst August, der Gemahl der Prinzessin Viktoria Luise, hat eine Urkunde unterzeichnet, daß er für sich und seine Nachfolger auf den Thron verzichtet. Die Urkunde befindet sich bei dem Soldaten- und Arbeiterrat in Braunschweig. Auf dem herzoglichen Schlosse weht die rote Fahne. Sonst ist die Ruhe aufrechterhalten worden.

 

Die Sozialdemokratie verlangt die Abdankung des Kaisers

Berlin, 8. November.
Die sozialdemokratische Parteileitung hat in ihrer gestrigen Sitzung folgendes Ultimatum an die Regierung beschlossen: Sie fordert:
1. Aufhebung der Verbote der gestrigen Versammlungen der Unabhängigen Sozialdemokraten,
2. Polizei und Militär sollen zur äußersten Zurückhaltung angehalten werden.
3. die Preußische Regierung soll sofort im Sinne der Reichstagsmehrheit umgestaltet werden,
4. der sozialdemokratische Einfluß der Reichsregierung muß verstärkt werden,
5. die Abdankung des Kaisers und der Thronverzicht des Kronprinzen ist bis heute mittag zu erwirken.
Werden diese Forderungen nicht erfüllt, so tritt die Sozialdemokratie aus der Regierung aus. Diese Erklärung der sozialdemokratischen Parteileitung wurde gestern nachmittag kurz nach 5 Uhr dem Reichskanzler Prinzen Max zugestellt.

 

Rücktrittsangebot des Reichskanzlers

Reichskanzler Prinz Max von Baden
Prinz Max von Baden

Berlin, 8. November.
Wie die Blätter melden, hat der Reichskanzler seine Demission angeboten. Dieses Rücktrittsgesuch ist mit der Kaiserfrage eng verbunden.
Dem Kaiser ist gestern noch telegraphisch Bericht über die Lage erstattet worden. Eine Antwort ist aber noch nicht eingetroffen.

Berlin, 8. November, 3 Uhr 10 Min.
Der Kaiser, welcher von dem Reichskanzler über die Gesamtlage genau unterrichtet ist, hat den Prinzen Max von Baden gebeten, einstweilen die Geschäfte des Reichskanzlers weiterzuführen, bis der endgültige Beschluß des Kaisers erfolgt. Dieser ist in kürzester Frist zu erwarten.

 

Abfahrt der deutschen Waffenstillstandskommission nach den französischen Linien

Matthias Erzberger
Erzberger
v. Winterfeldt
v. Winterfeldt
Vanselow
Vanselow

Berlin, 8. November. (Amtlich.)
Die deutsche Waffenstillstandskommission ist gestern mittag aus dem Großen Hauptquartier nach den französischen Linien abgefahren. Die Kommission besteht aus dem Staatssekretär Erzberger als Vorsitzenden, dem Gesandten Grafen Oberndorff, Generalmajor v. Winterfeldt, Kapitän zur See v. Vanselow.

 

Die Waffenstillstandsbedingungen den deutschen Unterhändlern mitgeteilt - 72 Stunden Frist

Berlin, 8. November. (Amtlich.)
Die Waffenstillstandsbedingungen sind unseren Unterhändlern mitgeteilt worden. Ihre Annahme in ihrer Gesamtheit wird bis Montag verlangt. Der Inhalt ist im Hauptquartier und in Berlin noch nicht eingetroffen.

Amsterdam, 8. November.
Das Bureau Radio teilt mit, daß die deutschen Bevollmächtigten Freitag morgen im Großen Hauptquartier der Alliierten die Bedingungen für den Waffenstillstand mit der dringenden Aufforderung erhielten, sie binnen 72 Stunden, die am Montag morgen um 11 Uhr französischer Zeit ablaufen, anzunehmen oder abzulehnen. Der deutsche Vorschlag zum sofortigen Abschluß einer vorläufigen Waffenruhe wurde von Marschall Foch abgelehnt. Der Text der Waffenstillstandsbedingungen wurde in das deutsche Hauptquartier durch Kurier geschickt.

Berlin, 8. November.
Die sozialdemokratische Parteileitung und die Fraktion haben sich entschlossen, um die Verhandlungen über den Waffenstillstand nicht zu gefährden, die Frist des Ultimatums bis nach der Entscheidung über den Waffenstillstand auszudehnen.

 

Die Ausrufung der Republik in Bayern

Kurt Eisner
Kurt Eisner

Berlin, 8. November.
Über die Unruhen im Reich wird von zuständiger Stelle folgendes gemeldet:
In München brachen im Anschluß an Massenversammlungen am 7. November ernste Unruhen aus. Die Republik wurde ausgerufen. In der Nacht vom 8. November bildete sich ein Rat von Arbeitern, Soldaten und Bauern unter dem Vorsitz von Kurt Eisner. Dieser Rat erläßt an die Bevölkerung Münchens einen langen Aufruf, wonach er Ordnung sowie Sicherheit der Person und des Eigentums verbürgt. Die Soldaten in den Kasernen regieren sich durch Soldatenräte. Offiziere, die sich nicht widersetzen, dürfen ihren Dienst weiter versehen. Die Bauern verbürgen sich für Lebensmittelversorgung. Weiter wird gemeldet, daß der Polizeipräsident im Einvernehmen mit dem Arbeiter- und Soldatenrat unter gewissen Verpflichtungen seine Amtsführung weiter versieht.

Karlsruhe, 8. November.
Wie man aus der bayerischen Hauptstadt vernimmt, hat in der verflossenen Nacht der Arbeiter- und Soldatenrat die Macht in die Hand bekommen. Es kam zunächst zu schweren Ausschreitungen. Die Kasernen wurden gestürmt. Ein Teil der Garnison schloß sich dem Aufstand an. Vor dem Residenzschloß gab es große Demonstrationen. Der Hauptbahnhof wurde vom Arbeiterrat sogleich besetzt, der die rote Fahne hißte. Vor der Bavaria fanden unter Entfaltung roter Fahnen große Kundgebungen statt. Gestern abend schon wurden die meisten Läden aus Besorgnis vor Unruhen geschlossen. Heute ruht der Betrieb.

 

Die Aufstandsbewegung im Reiche

Berlin, 8. November.
Über die Unruhen im Reiche wird von zuständiger Stelle folgendes mitgeteilt:
Die Aufstandsbewegungen haben sich weiter ausgedehnt. Es sind davon unter anderen in Mitleidenschaft gezogen: Hannover, Köln, München, Braunschweig und Magdeburg. Hiermit ist jedoch noch nicht gesagt, daß diese Städte ganz in die Hand der Aufständischen sind. Die Nachrichten sind naturgemäß nicht zuverlässig und sind widerspruchsvoll. In Hannover ist z. B. ein Teil der Garnison fest in der Hand ihrer Führer und wehrt sich entschlossen gegen die Bewegung. Ähnliche Verhältnisse scheinen in Magdeburg, Köln und München vorzuliegen. Vom Industriegebiet sind die Meldungen noch nicht klar, es scheinen aber Versuche vorzuliegen, an einzelnen Orten Arbeiter- und Soldatenräte zu bilden.
Es zeigt sich jetzt ein gewisses planmäßiges Vorgehen. Überall dasselbe Bild.
Aus den Hauptzentren Kiel und Hamburg sind im Laufe des gestrigen Tages immer wieder Züge mit bewaffneten Matrosen und Aufrührern in das Land entsandt worden. Diese versuchen, in den wichtigsten Städten sich sofort der Verkehrszentren zu bemächtigen und die Kommandostellen auszuheben. Dann wird unter Heranziehung lichtscheuer Elemente, unter denen sich eine ganze Reihe Fahnenflüchtiger befindet, versucht, die Truppen zu verseuchen, indem ihnen vorgespiegelt wird, daß es sich gar nicht um eine revolutionäre Bewegung handele, sondern um militärische Reformen. Bei manchen Truppen ist der Versuch gelungen, bei anderen hat er energischen Widerstand gefunden. An zahlreichen Stellen ist bereits durch entsprechende Vorstellung von Entsandten der Regierung ein gewisses Einlenken erreicht worden. Die ganze Bewegung geht bei aller Unklarheit in Einzelheiten offenbar von Rußland aus, wobei die bisherige Berliner Vertretung der russischen Sowjetrepublik ja nachweislich mitgewirkt hat.

 

Der 1. Weltkrieg im November 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 8
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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