Die Kämpfe an der Ancre 

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 9., 24. und
27. März 1917

Die Schlacht an der Somme hatte mit den Kämpfen in der letzten November-Woche 1916 ihr Ende gefunden. In 5 Monaten eines beispiellos blutigen Ringens hatte der Feind nicht einmal die taktischen Ziele erreicht, deren Erkämpfung er für die ersten Tage seiner Offensive in Aussicht genommen hatte: den Besitz der militärisch wie wirtschaftlich gleich bedeutungslosen Provinzstädtchen Bapaume und Péronne. Die strategische Aufgabe: die Durchbrechung der deutschen Westfront mit dem Ziele der Befreiung Nordfrankreichs und Belgiens - Ziele, welche die feindlichen Heeresbefehle unzweideutig als die eigentliche Aufgabe der Somme-Offensive bezeichnet hatten - war völlig gescheitert.
Trotzdem war man sich auf deutscher Seite darüber völlig klar, daß der Feind die Kampfhandlung an der Somme keineswegs als aufgegeben betrachtete. Lediglich die ungünstigen Witterungsverhältnisse der Monate Dezember und Januar hatten seinen Anstrengungen ein vorläufiges Ende bereitet. Immerhin hatten die zähen Bemühungen des Feindes, an Stelle des nicht erzwingbaren Durchbruchs die allmähliche Zurückdrängung unserer Front zu erzielen, die Folge gehabt, daß unsere zum Beginn des Stellungskrieges entstandene Linie zwischen Arras und Roye eine starke Einbuchtung erlitten hatte. Besonders empfindlich machte sich das an jener Ecke geltend, wo nördlich Albert der Lauf der Ancre die beiderseitigen Stellungen durchschnitt. Hier sprang die deutsche Linie mit einer scharfen Zacke in das in Feindeshand befindliche Gebiet vor, und die Verteidiger dieser Zacke sahen sich beim Wiederausleben der Kämpfe einem sie von drei Seiten umschließenden konzentrischen Feuer ausgesetzt, das den Mitte Januar 1917 einsetzenden Teilvorstößen des Feindes wirksam vorarbeitete. Ein stückweises Aufgeben dieser Ecke schien zweckmäßig, um dem Verteidiger den Zwang zu ersparen, unverhältnismäßig hohe Opfer an die Behauptung einer erst ungünstig, dann nachgerade unhaltbar gewordenen Stellung zu setzen. Dieser Entschluß wurde dadurch erleichtert, daß sich hinter der vordersten von uns gehaltenen Linie eine wohlausgebaute Reservestellung befand, welche die beiden sumpfigen Oberläufe des Ancre-Baches vor unserer Front läßt und dadurch wesentlich günstigere Geländeverhältnisse für Ausbau und Festhaltung der Stellungen bietet als das verschlammte und durch die monatelange Beschießung völlig grundlos gewordene Gelände des Bachgrundes.
Die Zurückverlegung unserer Verteidigung in diese Reservestellung ist nunmehr zum erwünschten Abschluß gelangt. Sie erfolgte in zwei Abschnitten. Beide Male ist unser Zurückgehen vom Feinde nicht erkannt und deshalb auch nicht gestört worden. Der erste Schritt in dieser Richtung war die in der Nacht vom 4. zum 5. Februar 1917 erfolgte Aufgabe von Grandcourt. Der Feind beschoß diesen Ort noch mehrere Tage, nachdem unsere Truppen ihn verlassen hatten, und verlegte erst 10 Tage später seine Gräben an den nordöstlichen Rand der Dorfstätte in der Richtung aus Miraumont. Den zweiten Teil unserer Frontverlegung bildete eine einheitliche Unternehmung. die nach einem bis in alle Einzelheiten durchgearbeiteten Plan in den Tagen vom 10. bis 23. Februar durchgeführt wurde und in jeder Hinsicht den planmäßig festgelegten Verlauf genommen hat. Alles, was dem Feinde hätte von Nutzen sein können, war vorher zurückgeschafft oder zerstört worden. Alle diese Arbeiten und Bewegungen wurden durch unsichtiges Wetter unterstützt und blieben so dem Feinde völlig verborgen.
Die verlassene Stellung und das zwischen ihr und der nunmehr von den Hauptlasten bezogenen neuen Verteidigungslinie belegene Gelände waren nach vorher festgelegtem Plane mit Postierungen und Nachhuten besetzt worden. Diese zurückgelassenen Abteilungen haben ihre Aufgabe, die Zurückverlegung unserer Front zu verschleiern und das feindliche Nachdringen auszuhalten, so glänzend gelöst, daß es dem Feind länger als eine Woche unmöglich geworden ist, die beabsichtigte Linie unseres neuen Widerstandes zu erkennen, geschweige denn sich aus Kampfentfernung an sie heranzuarbeiten. Erst am Nachmittag des 23. Februar, des ersten Tages nach der vollzogenen Räumung, erkannte der Feind, daß in unseren vordersten Gräben eine Veränderung vorgegangen sein müsse. Vorsichtig fühlte er mit Patrouillen und losen Schützenlinien gegen Teile unserer alten Stellung vor. Die erheblichen Verluste, welche das Feuer unserer Nachhutabteilungen ihm schon jetzt zufügte, schrieben seinem Vordringen ein sehr zögerndes Zeitmaß vor, und nur an wenigen Stellen wagte er schon an diesem Tage, schwache Kräfte bis in den vordersten Graben der verlassenen Stellung vorzuschieben. Die Teile, von denen aus das Feuer unserer zurückgebliebenen Patrouillen besonders wirkungsvoll gewesen war, wurden vom Feind am 24. Februar unter starkes Artilleriefeuer gelegt, nachdem sie längst vom letzten Mann unserer Nachhuten geräumt worden waren. Wie wenig der Feind an diesem Tage erkannt hatte, was vorgegangen war, beweist die Tatsache, daß er seine eifrige Arbeit an seinen eigenen Drahthindernissen fortsetzte. Im Tal der Ancre trieb er zwar bereits Patrouillen über unsere alte vorderste Linie hinaus vor, besetzte aber unsern ersten Graben nur an einzelnen Stellen, um ihn hier und da sogar wieder zu räumen. Infolgedessen konnten einige besonders unternehmungslustige deutsche Patrouillen sogar nochmals rückwärts über unsere verlassene Stellung hinaus bis in das bisherige Zwischengelände vorstoßen. Auch am 24. Februar war sich der Feind offenbar noch nicht im klaren über die Tragweite der eingetretenen Bewegung, geschweige denn über den Verlauf unserer neuen Hauptstellung. Auf einem Teil der letzteren lag lediglich, wie auch in früheren Zeiten, feindliches Streufeuer. Im Vorgelände fühlten gegen Mittag teils starke feindliche Patrouillen, teils größere Abteilungen vor. Diese boten dem energischen Feuer unserer Nachhut-Infanterie wie auch unserer längst wieder vollwirksamen Artillerie ein erwünschtes Ziel. Es gelang unsern Patrouillen an mehreren Stellen Gefangene zu machen.
In der Nacht zum 26. Februar und an diesem Tage faßte der Feind den Entschluß zu kräftigerem Nachdrängen und arbeitete sich an den meisten Stellen bis dicht an unsere Nachhutstellung heran. Auch begann das feindliche Artilleriefeuer auf einige Teile unserer neuen Hauptstellung zu wirken.
Erst am 27. Februar konnten wir beobachten, daß der Feind sich anschickte, seine Feldartillerie vorzuziehen. Das ist ihm stellenweise schlecht bekommen: an der Butte de Warlencourt wurde eine seiner Batterien im Auffahren zusammengeschossen. Am gleichen Tage begannen größere feindliche Angriffe auf unsere ursprünglich nur zur Deckung der inzwischen längst vollzogenen Rückwärtsbewegung aufgestellten Nachhuten, denen es also gelungen war, weit über die ursprünglich in Aussicht genommene Zeitdauer hinaus dem feindlichen Nachstoß Halt zu gebieten. Diese Angriffe führten zu einer Reihe größerer Gefechte, die dem Feinde insgesamt 11 Offiziere, 227 Mann an Gefangenen, 11 Maschinengewehre und schwere blutige Verluste kosteten. Über diese Kämpfe soll noch ausführlicher berichtet werden. Lieferten sie doch den Beweis, in wie hohem Maße unserer durch den langen Stellungskampf auf eine harte Probe gestellten Infanterie der fröhliche Angriffsgeist erhalten geblieben ist. Er wartete nur auf den Augenblick der Betätigung, welche ihm gestatten würde, außerhalb der Gräben in wiedererlangter Bewegungsfreiheit sich auszuwirken und das unverminderte Vertrauen zur Führung und zur lange nicht mehr ausgiebig verwendeten Schußwaffe durch Leistungen zu bekunden, die auf der höchsten Höhe des Kriegsverlaufes stehen und die Überlegenheit unserer Infanterie über die des Feindes wieder einmal glänzend bewiesen haben.
Nur langsam und zögernd hatten die Engländer sich entschlossen. unseren Truppen in das Gelände zu folgen, welches wir ihnen seit dem 23. Februar 1917 überlassen hatten. Das energische Feuer unserer Nachhuten und unserer Artillerie ließ sie stutzen und machte ihnen jeden Schritt Bodens streitig. Wenn unsere Verschleierungsmaßregeln alsdann ihren Zweck erfüllt hatten, und ein weiterer Geländeabschnitt von uns freigegeben wurde, so kündigten die englischen Heeresberichte das als "Siege" und "Eroberungen" und "Befreiungen" an. Erst seit dem 28. Februar rafften die Angreifer sich zu kräftigerem Nachdringen auf, und nunmehr entspannen sich im Vorfeld unserer neuen Stellungen 3 Gruppen von Kämpfen, die eine eingehendere Schilderung rechtfertigen.

 

1.

Den äußersten Vorsprung, mit welchem der von uns nunmehr aufgegebene Geländestreifen in die feindlichen Linien hineinragte, bildete das Dorf Gommecourt. Alle Angriffe der Franzosen wie der Engländer gegen diesen Punkt waren gescheitert, auch schon vor der Sommeschlacht. Bei Beginn der letzteren hatte der Gegner nach der bekannten einwöchigen Artillerievorbereitung am 1. Juli 1916 das Dorf mit starken Kräften angegriffen, war aber nur an einigen Stellen in die Gräben eingedrungen und schon am Abend desselben Tages nach Verlust von einigen Gefangenen und sehr vielen Toten wieder hinausgeworfen worden. Seitdem hatte nur noch die Artillerie, diese aber sehr stark, im Laufe der 8 Monate seit Beginn der Schlacht auf den Ort gewirkt und ihn völlig zusammengeschossen; auch das prächtige Schloß mit seinem wundervollen alten Park war, wie so viele andere im Sommegebiet, durch französisches und englisches Geschützfeuer vom Erdboden vertilgt worden. Sehr schwer war es unseren Truppen gefallen, dem Befehl von Oben Folge zu leisten, der ihnen die Räumung der ihnen nachgerade ans Herz gewachsenen Gräben und der unterirdischen Behausungen auferlegte, in denen sie unter unsagbar schwierigen Verhältnissen während der endlosen Schlachtmonate dem feindlichen Feuer Trotz geboten hatten. Als der Feind eine Reihe von Tagen nach der Räumung es endlich gewagt hatte, sich in dem Dorfe mit stärkeren Patrouillen festzusetzen, drangen unsere Nachhuten aus eigenem Antrieb nochmals in den Ort ein, warfen den Feind wieder hinaus, besetzten das "Kernwerk" unserer verlassenen Stellung, das schon in Kämpfen des 1. Juli 1916 den Rückhalt unseres Widerstandes gebildet hatte, aufs neue und holten sich so die Heimstätte langer schwerer Monate noch einmal zurück. Es bedurfte eines neuen ausdrücklichen Befehls, um sie zur Räumung ihrer alten Kampfstätte zu veranlassen.
Während der nun schärfer einsetzenden Nachhutkämpfe leisteten die Verteidiger dem allmählich und zaghaft nachrückenden Feinde zähen Widerstand, stießen immer wieder aufs neue vor und verhinderten so das Nachrücken des Feindes in das planmäßig aufgegebene Gelände weit über den im voraus angenommenen Zeitraum hinaus. In diesen Kämpfen zeigte sich aufs deutlichste die Freude unserer Leute, wieder in einen Kampf hineinzukommen, der an den Bewegungskrieg wenigstens erinnerte. Das fröhliche Draufgängertum der Unterführer, die Lust des gemeinen Mannes am Abenteuer, an persönlicher Gefahr und Bewährung traten in einem Maßstabe hervor, der bewies, daß die entnervenden Einflüsse des langen Grabenkrieges den Geist der Truppe in keiner Weise beeinträchtigt hatten. Was in diesen Kämpfen an einzelneu Mannestaten geleistet worden ist, muß der Regimentsgeschichtsschreibung vorbehalten bleiben, in der die Kämpfer dieser Tage eine ehrenvolle Rolle spielen werden. Zu einer besonders lebhaften Kampfhandlung kam es am 27. Februar früh bei einem stärkeren Angriff der Engländer auf das hinter der bisherigen deutschen Linie gelegene Wäldchen bei Höhe 125. Hier tat sich ein Reserveregiment, das sich schon im ganzen Feldzuge hervorragend bewährt hatte, in erbittertem Nahkampfe besonders hervor.

 

2.

Wie die Ecke bei Gommecourt weit nach Westen, so stieß nach Südwesten die Zacke bei Grandcourt am tiefsten in die feindliche Stellung hinein und sah sich gleich jener dem sie aus Front und Flanke konzentrisch fassenden Feuer ausgesetzt. Dies machte sich um so mehr geltend, als diese zweite "windige Ecke" zudem eine größere Anzahl von weiteren Dörfern umfaßte: nämlich Serre, Puisieux, Miraumont, Irles und Pys. Zwar waren alle diese schönen französischen Ortschaften durch das Feuer der Bundesgenossen der Franzosen längst in völlig gestaltlose Trümmerhaufen verwandelt und unterschieden sich kaum mehr von den sie ehemals umgebenden Ackergebreiten, die ebenfalls nur noch einen Wust von Granattrichtern darstellten. Namentlich das die westliche Ecke dieses Abschnittes bildende Dorf Serre war buchstäblich vom Erdboden wegrasiert. Die "Befreiung" dieser Dörfer, welche von den feindlichen Heeresberichten mit komödiantischer Begeisterung hervorgehoben wird, kommt also zu spät, um in ihren ehemaligen Bewohnern andere Gefühle als die einer recht platonischen Genugtuung auszulösen. Trotz ihres an menschliche Wohnstätten auch nicht im entferntesten mehr gemahnenden Zustandes übten indessen diese nur noch auf den Karten unterscheidbaren geographischen Punkte auf die feindliche Artillerie noch immer eine besondere Anziehungskraft aus. Nimmt man hinzu, daß dieser nachgerade recht unwirtlich gewordene Abschnitt der deutschen Stellung durch den Ancrebach und die beiden sumpfigen Oberläufe durchströmt wird, aus denen er innerhalb des Dorfes Miraumont zusammenrinnt, so erhellt, daß gerade hier der Befehl, diese Stellung mit einer weiter bergwärts gelegenen zu vertauschen, mit besonderer Freude begrüßt wurde.
Dennoch haben auch hier die zur Deckung der Zurücknahme der Front bestimmten Truppen es ihrem Gegner nicht leicht gemacht, auf dem preisgegebenen Gelände Fuß zu fassen. Ihre Patrouillen und Nachhuten im Zusammenwirken mit der über die Geländeverhältnisse natürlich genauestens unterrichteten Artillerie hielten den Gegner unter so wirksamem Feuer, daß er nur sehr langsam sich entschloß, die zerschossenen, verschlammten und durch die deutschen Sprengungen bis zum letzten Rest zerstörten Andeutungen ehemaliger Gräben zu besetzen, welche die Trümmerwüsten durchzogen, die einmal Puisieux oder Miraumont geheißen hatten. Nur ganz langsam räumten die hier tätigen Sicherungsabteilungen, dem allgemein erteilten Befehl gemäß. vor den gegen den 28. Februar allmählich sich zusammenziehenden stärkeren Abteilungen des Feindes die aufzugebenden Geländeabschnitte. Am genannten Tage fand der Feind endlich den Mut zu größeren Angriffshandlungen, die aber bereits im Feuer der Nachhuten und der Artillerie zusammenbrachen.

 

3.

Eine weitere Gruppe von Kämpfen entspann sich im Ostabschnitt des aufzugebenden Gebietes. Hier war es bei dem Dorfe Warlencourt besonders wichtig, das feindliche Nachrücken nach Kräften aufzuhalten. Mit Freuden entsprach die Truppe dieser Aufgabe. Die in diesem Abschnitt aufgestellten Divisionen hatten seit Anfang November 1916 die an und für sich infolge der tiefen Lage und des moorigen Untergrundes schlechten, im Kampfe entstandenen und anfangs nur aus Granattrichtern bestehenden Stellungen befestigt und ausgebaut, und jetzt mußte ohne Zwang zurückgegangen werden, obwohl der Gegner sich an diesen Stellungen so oft den Kopf eingerannt hatte! Die Vorbereitungen waren schwierig, denn der Feind durfte nichts merken. Dabei konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß er wenigstens im allgemeinen unterrichtet war, was bevorstand. Er mußte wissen, daß rückwärts unserer vordersten Linie eine Anzahl guter Stellungen entstanden war. Aber es stellte sich sofort nach Beginn der Bewegungen heraus, daß dem Feinde wenigstens der Zeitpunkt unseres Zurückgehens verborgen geblieben war, daß er also die vorgenommenen Sprengungen und Zerstörungen nicht erkannt hatte, und unsere kühnsten Hoffnungen sahen sich übertroffen, als der Gegner mit Artillerie und Maschinengewehren noch tagelang die verlassenen Stellungen befeuerte. Das ist dem hervorragenden Verhalten unserer Patrouillen zu verdanken, die in den verlassenen Gräben wacker ausharrten. Trotz der Gefahr, überrannt oder abgeschnitten zu werden, verstanden sie es, dem Feinde dauernd das Weiterbestehen der vollen Besetzung vorzutäuschen. Als sie merkten, daß diese Absicht gelang, hatten sie sogar die Kühnheit, über unsere längst von den Hauptkräften geräumten Gräben vorzustoßen, und es kam zu Patrouillenzusammenstößen im Vorgelände ohne jeden Rückhalt! Hierbei wurde festgestellt, daß der Feind nach wie vor an seinen Drahthindernissen arbeitete. Die Täuschung war also vollkommen gelungen.
Erst am dritten Tage der Räumung kam der Feind dahinter, daß eine Veränderung vorgegangen sei, und alsbald begann er auch seine Artillerie vorzuziehen, wußte aber nicht, wie weit wir eigentlich zurückgegangen seien, und streute deshalb planlos das Hintergelände der verlassenen Stellungen ab. Allmählich wurden seine Patrouillen kühner: der Grund dieses gesteigerten Selbstbewußtseins war allerdings an ihrem - schwankenden Gange zu erkennen. Nur durch eine flache Mulde von der "Bastion" getrennt, hob sich, nach Südosten bis Osten sich hinziehend, die hochgelegene Gruppe der Dörfer Le Barque, Ligny-Thilloy und Thilloy ab; auch diese lagen natürlich völlig in Trümmern. Hier nisteten sich, aus der englischen Linie vorspringend, allmählich feindliche Patrouillen und dann auch stärkere Kräfte ein. Das legte den Gedanken nahe, durch einen kräftigen Gegenstoß den in die Dörfer vorgedrungenen Feind "abzukneifen".
Nunmehr zogen sich unsere Vortrupps allmählich in eine weiter rückwärts gelegene Linie zurück und hielten nur noch die sogenannte "Bastion", eine Höhe nördlich des Dorfes Warlencourt, die nach Süden und Westen im Bogen vom "Warlencourt-Riegel" nach Osten vom "Leipziger-Riegel" umschlossen war. Auf dieser sich stark im Gelände, abhebenden und einen Angriff geradezu herausfordernden Vorstellung lag nun alsbald schweres feindliches Feuer.
Aus diesen Erwägungen ergab sich der Aufbau eines größeren Gegenangriffs, der am 2. März 1917 zur Ausführung kam. Dieses Unternehmen, das seines dramatischen Verlaufs wegen einer eingehenden Schilderung wohl wert wäre, kam zwar nicht zur vollen Entwicklung, weil gleichzeitig ein heftiger Angriff der Engländer auf die "Bastion" einsetzte. Diese mußte nach hitzigen Kämpfen dem Feinde überlassen werden, aber die Haltung der Verteidiger war über jedes Lob erhaben. Die schließliche Räumung erfolgte, den Weisungen zur planmäßigen Aufgabe entsprechend, nach erbittertem und für den Feind verlustreichem Widerstand; dabei wurde das gesamte eingebaute Material an Maschinengewehren und Minenwerfern bis auf das letzte Stück zurückgeschafft, vor allem aber auch die Verwundeten. Nicht einmal die Toten ließ man in der Hand des Feindes.
Durch diesen Ausgang des Kampfes um die "Bastion" wurde dem Erfolg des Unternehmens gegen die Dorfgruppe ein gewisser Eintrag getan, da es sich in seiner rechten Flanke der Deckung entblößt sah. Dennoch gelangten die angesetzten Kompanien in konzentrischem Zusammenwirken in die Dorfstätten hinein und kehrten planmäßig in die Gräben zurück, wobei sie eine erhebliche Anzahl Gefangener mitführten, darunter auch mehrere Offiziere. Leider haben sich die Engländer bei diesen Gefechten wiederum völkerrechtswidriger Mittel bedient. Es ist unzweifelhaft erwiesen, daß sie es versucht haben, einen zerschossenen, deutschen Grabenmörser auf einer Krankenbahre, mit der Roten Kreuzflagge bedeckt, zurückzuschaffen. An einer anderen Stelle hat eine Abteilung, welcher es gelungen war, um die Flanke einer unserer Kompanien herumzukommen, sich dieser von hinten genähert, nachdem sie ihre flachen Stahlhelme mit deutschen vertauscht hatte. Beide schmählichen Kriegslisten sind rechtzeitig erkannt und sowohl der "Verwundetentransport" als auch die "Flankendeckung" durch Maschinengewehrfeuer bis auf den letzten Mann vernichtet worden.
Auch bei den Kämpfen des Ostabschnitts bewährte sich der Angriffsgeist, der unsere Truppen beseelte. In großer Überzahl drängten sich die freiwillig sich Meldenden zu den Patrouillen wie zu den größeren Unternehmungen und wetteiferten, um das Gelingen des Ganzen sicherzustellen.
Es ist nicht deutsche Art, Rückzugsbewegungen, auch wo solche ohne Druck und Einwirkung des Gegners erfolgen und in ihrer Durchführung weit über das erhoffte Maß hinaus gelingen, als Siege zu feiern. Die "triumphale Liquidation des Gallipoli-Unternehmens", die "geniale Räumung Polens" überlassen wir unseren Feinden. Dennoch haben wir das Recht, auf das Gelingen der Rückverlegung unserer Front beiderseits des Ancre-Baches mit Stolz und Genugtuung hinzuweisen. Liefert sie doch den Beweis, daß, wie die Heimat, so auch die Truppe in unbedingtem Vertrauen zu ihrer Führung auch dann verharrt, wenn es gilt, aus höheren Rücksichten das schwerste Opfer zu bringen, das dem Soldaten überhaupt zugemutet werden kann: auf Befehl eine mit Einsatz der besten Kräfte durch Monate harten Ringens hindurch zähe verteidigte Stellung planmäßig aufzugeben, ohne den Feind auf der Klinge zu spüren.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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