Zu
den Waffen!
Aus
der Frankfurter Zeitung:
Der Kaiser hat die allgemeine Mobilmachung angeordnet. Das ist das
Ergebnis einer achttägigen Spannung von heftigster Stärke, in der es
wohl manche Momente der Hoffnung sogar bis in die letzten Stunden hinein
gab, die aber doch mit beständig wachsender Heftigkeit dem Ende zu stürmte,
das sie nun gehabt hat. Lange hätte man diese Erregung nicht mehr
ertragen, es wäre zuviel für normale Nerven geworden und man atmet förmlich
auf nachdem die Entscheidung gefallen. Deutschland bietet seine waffenfähige
Mannschaft auf, daß sie die gewalttätigen Drohungen maßloser Sarmaten
zurückweise und den deutschen Boden vor moskowitischer Barbarei schütze.
Mit einer bis zur äußerste Grenze gehenden Geduld hat Deutschland kein
Mittel unversucht gelassen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu
finden. Ohne Arg ging es auf die vom Zaren selbst ausgesprochene Bitte
ein, eine Vermittlung zwischen dem Standpunkt Österreichs und Rußlands
zu suchen. Mit einer beispiellosen Perfidie haben es die leitenden Männer
Rußlands fertig gebracht, in demselben Augenblick, in dem der Zar an die
Freundschaft des Deutschen Kaisers appellierte, die Waffe zu schleifen,
mit der man Deutschland hinterrücks anzufallen gedachte. Das ist dieselbe
Denkart, aus der der Meuchelmord von Sarajewo herausgewachsen ist. Mit den
Ehr- und Sittlichkeitsbegriffen westlicher Völker hat dieser heimtückische
Geist eines nur oberflächlich gefirnißten Tatarentums nicht das
Geringste zu tun. Hier scheiden sich zwei Welten, und flammende Empörung
über die moskowitische Niedertracht erfüllt heute von der Memel bis an
den Südfuß der Vogesen das deutsche Volk, dem es Rußland nicht gönnt,
daß es in friedlicher Arbeit seinen Wohlstand fördert und mit seiner Tätigkeit
werbend und lehrend auch über die eigenen Grenzen hinausgeht. Wer den
Frieden gestört hat, das hat sich in den Vorgängen der letzten Tage
deutlich genug erwiesen. Um der Machtgelüste des expansionslustigen Großrussentums
willen, das bald in Ostasien, bald in Armenien und Persien, bald auf dem
Balkan seine Minen legt, soll ein Krieg entfesselt werden, wie ihn die
Welt noch nicht gesehen hat. Wahrlich, die deutschen Soldaten, die in
diesen Tagen an die Grenzen abrücken, haben eine schwere, aber auch eine
große und heldenhafte Ausgabe. Es gilt nicht nur, den Boden der Heimat,
Eltern, Mütter und Kinder, gegen die Wut halb- oder ganzasiatischer
Horden zu schützen, gilt vor allem auch, westeuropäische Gesittung gegen
die Hinterlist eines selbstsüchtigen, dabei aber doch von Höflingen und
Großfürsten schmählich mißbrauchten Despotentums zu verteidigen.
Es ist schwer denkbar, daß Frankreich und England sich an die Seite einer
Macht stellen könnten, deren Staatsmänner mit einem solchen Übermaß
von Zynismus ihre Ziele verfolgen. Es scheint, daß beide Westmächte
ernstlich den Frieden wollen und auch jetzt noch versuchen, ihn zu retten.
Wenn es ihnen ernstlich darum zu tun ist, so wird das beste Mittel Rußland
zu friedlicheren Absichten zu bringen, darin bestehen daß man ihm
bemerkbar macht, es werde eine schlechte Sache allein auszusehen haben.
Noch schwankt man in Frankreich. Man könnte sich aus Deutschlands fast
naiven Bemühungen um den Frieden überzeugen, daß dieses keinerlei böse
Absichten gegen Frankreich hegt, und daß es ein Wahnsinn gegen das eigene
Volk wäre, es in einen Kampf zu treiben, der nur die russischen Machtgelüste
steigern müßte. Deutschland begehrt nichts als in Frieden gelassen zu
werden. Wenn es nun aber doch zum schweren Waffengang kommt, so werden die
Männer, die ins Feld gerufen werden, tapfer ihre Pflicht zu tun wissen.
Das Dichterwort aus der Schlußszene des "Egmont" kann ihnen ein
Leitstern sein: "Dich schließt der Feind von allen Seiten ein. Es
blinken Schwerter, Freunde, höhern Mut! Im Rücken habt ihr Eltern,
Weiber, Kinder! Und jene treibt ein hohles Wort des Herrschers nicht ihr
Gemüt. Schützt eure Güter." Die Größe dessen was auf dem Spiele
steht, zeige den Kämpfern draußen und denen, die daheim zurückbleiben,
welch gewaltige Werk vor uns liegt. Aber wenn alle bis zum Äußersten
ihre Pflicht tun, werden wir den Sieg erringen und uns die Güter sichern,
die eine rücksichtslose Despotenpolitik uns fortgesetzt streitig macht. 2)
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