Der 1. Weltkrieg am 7. August 1914

 

Grenzgefechte in Österreich-Ungarn

Wien, 7. Aug. (W. B.)
Die Grenze von Mittelgalizien war gestern und heute der Schauplatz zahlreicher kleinerer Kämpfe. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Kriegserklärung versuchten russische Kavalleriepatrouillen und -abteilungen über die Grenze vorzubrechen. Sie wurden jedoch zum Rückzug genötigt. Auch an der Grenze von Ostgalizien kam es zu kleinen Kämpfen, insbesondere bei Podogloczynska, wo sich ein österreichischer Posten gegen eine bedeutende Überlegenheit behauptete. Auf österreichischer Seite blieben zwei Tote und drei Verwundete. Die Russen verloren 20 Tote. Bei Nowosielitzo erstürmten österreichische Truppen die Höhe von Mohilo, wo sich ein russischer Kordonposten in gutverschanzter Stellung befand. Obgleich der Feind Verstärkungen erhielt, behaupteten die österreichischen Truppen den eroberten Posten gegen wiederholte russische Angriffe.
Gestern Nachmittag fuhr ein Patrouillenboot gegen die Stelle unterhalb der Drinamündung, wo die Serben eifrig an Befestigungen arbeiteten. Zwanzig Meter vom Ufer entfernt schwang sich ein Marineunteroffizier der Donauflottille, mit drei Kilogramm Ecrosit beladen, über Bord, schwamm an Land, ereichte unbemerkt die Befestigungen, schaffte die Sprengladung hinein und brachte sie mit einer Zugschnur zur Explosion. Die Serben eilten herbei und eröffneten das Feuer, sie wurden aber von der Mannschaft des Bootes mit Schnellfeuer empfangen, das vier Feinde niederstreckte, während der Marineoffizier schwimmend das Boot unversehrt wieder erreichte.
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Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Serbien

Berlin, 7. Aug. (Priv.-Tel.)
Der serbische Geschäftsträger Jovanowitsch hat heute seine Pässe verlangt und ist abgereist. Damit sind die diplomatischen Beziehungen auch zu Serbien abgebrochen.
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Kriegserklärung Montenegros

Wien, 7. Aug. (Wien. Korr.-Bur.)
Die montenegrinische Regierung teilte dem österreichischen Gesandten Otto mit, daß Montenegro sich im Kriegszustande mit Österreich-Ungarn befindlich betrachte. Der österreichische Gesandte hat Cetinje verlassen.
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Deutschland und Frankreich

Berlin, 7. Aug. (W. B.)
Das Telegramm des Reichskanzlers an den deutschen Botschafter in Paris vom 3. August, 1 Uhr nachmittags in dem Freiherr v. Schön den Auftrag erhielt, infolge des Einbruchs französischer Truppen auf deutsches Gebiet der französischen Regierung zu erklären, daß sich Deutschland durch die französischen Angriffe in den Kriegszustand versetzt sehe, ging in Paris - vielleicht absichtlich - verstümmelt ein, so daß es in vielen Punkten unverständlich blieb. Gleichwohl gab der Botschafter in richtiger Erkenntnis der Lage eine Erklärung ab, die im wesentlichen seinem Auftrag entspricht. Der Auftrag lautete folgendermaßen:

Berlin 3. August, 1.05 Nachmittags.
Deutsche Truppen hatten bis jetzt den Befehl, die französische Grenze
strengstens respektieren, und haben diesen überall strikt befolgt. Dagegen überschritten trotz der Zusicherung einer Zehnkilometer-Zone französische Truppen schon gestern die deutsche Grenze. Bei Altmünsterol und auf der Gebirgsstraße in den Vogesen stehen sie noch auf deutschem Gebiet. Ein französischer Flieger, der belgisches Gebiet überflogen haben muß, ist bei dem Versuch, die Eisenbahn bei Wesel zu zerstören, schon gestern herabgeschossen worden. Mehrere andere französische Flugzeuge wurden gestern über dem Eifelgebiet zweifelsfrei festgestellt; auch diese müssen belgisches Gebiet überflogen haben. Gestern warfen französische Flieger Bomben auf die Bahnen bei Karlsruhe und Nürnberg. Frankreich hat uns somit in den Kriegszustand versetzt. Ich bitte Ew. Exzellenz, Vorstehendes heute Nachmittag 6 Uhr der dortigen Regierung mitzuteilen. Ihre Pässe zu fordern und nach Übergabe der Geschäfte an die amerikanische Botschaft abzureisen.
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Vom Vormarsch in Belgien

Ein kühner Handstreich

Berlin, 7. Aug. (W. B.)
Unsere Vorhuten rückten gestern längs der ganzen Grenze in Belgien ein. Eine unbedeutende Truppenabteilung versuchte einen Handstreich auf Lüttich mit großer Kühnheit. Einzelne Reiter drangen in die Stadt ein und wollten sich des Kommandanten bemächtigen, der sich nur durch die Flucht retten konnte. Der Handstreich auf die modern ausgebaute Festung selbst glückte nicht. Die Truppen stehen vor der Festung in Fühlung mit dem Gegner.
Natürlich wird die gesamte Presse des feindlichen Auslandes diese Unternehmung, die auf den Gang der großen Operationen ohne jeden Einfluß ist, zu einer Niederlage stempeln. Für uns ist sie nur eine in der Kriegsgeschichte einzig dastehende Tat und ein Beweis für die todesmutige Angriffslust unserer Truppen.
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Lüttich genommen

Berlin, 7. Aug.
Lüttich ist von den deutschen Truppen im Sturm genommen worden.
Berlin, 7. Aug.
Nachdem die Abteilungen, die den Handstreich auf Lüttich unternommen hatten, verstärkt worden waren, wurde der Angriff durchgeführt. Heute Morgen 8 Uhr war die Festung in deutschem Besitz.
Berlin, 7. Aug. (Priv.-Tel.)
Der Kaiser, welcher den Chef des Generalstabes empfangen hatte, schickte soeben einen seiner Flügeladjutanten nach dem Lustgarten und ließ dort dem Publikum mitteilen, daß die Festung Lüttich gefallen sei. Das Publikum brach in Hoch- und Hurrarufe aus.
Berlin, 7. Aug. (Priv.-Tel.)
Die Festung Lüttich hatte eine Besatzung von über 20000 Mann und ist auf beiden Maasufern durch zwölf Forts mit schwerer Artillerie geschützt.
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Pour le Mérite für General der Infanterie v. Emmich

Infanterie v. Emmich

Infanterie v. Emmich

Berlin, 7. Aug. (W. B.)
Der Kaiser hat General der Infanterie v. Emmich, der persönlich den Sturm auf Lüttich befehligte, den Orden Pour le Mérite verliehen.
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Jellicoe Oberstkommandierende der englischen Flotte

Admiral Jellicoe
Admiral Jellicoe

London, 7. Aug.
Admiral Sir John Jellicoe ist zum Oberstkommandierenden der englischen Flotte ernannt worden, Admiral Madden zum Chef des Marinekriegsstabes.
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"Amphion"

Ein englischer Kreuzer gesunken

Rom, 7. Aug. (W. B.)
Aus London wird gemeldet
Englische Kreuzer "Amphion" stieß gegen eine Mine sank. Von der Besatzung sind 131 tot, 152 wurden gerettet. ("Amphion" war ein geschützter Kreuzer von 3500 t Deplacement mit 290 Mann Besatzung, der am 14. März 1911 vom Stapel gelaufen ist. Seine Länge betrug 117,3 m, seine Breite 12.6 m. Zehn Geschütze von 10.2 cm und vier von 4,7 cm Kaliber.)
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Die Neutralitätserklärung der Schweiz

Bern, 7. Aug. (W. B.)
Der Schweizerische Bundesrat hat folgende Neutralitätserklärung beschlossen:

Angesichts des zwischen mehreren europäischen Mächten ausgebrochenen Krieges hat die schweizerische Genossenschaft, getreu ihrer Jahrhunderte alten Überlieferung, den festen Willen, von den Grundsätzen der Neutralität in keiner Weise abzuweichen, die dem Schweizervolke so teuer sind und so sehr seinen Bestrebungen, seiner inneren Einrichtung, seiner Stellung gegenüber den anderen Staaten entsprechen und die Vertragsmächte vom Jahre 1815 ausdrücklich anerkannt haben. Im besonderen Auftrag der Bundesversammlung erklärt der Bundesrat ausdrücklich, daß die schweizerische Eidgenossenschaft während des bevorstehenden Krieges mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln ihre Neutralität und die Unverletzbarkeit ihres Gebietes, so wie sie durch die Verträge vom Jahre 1815 anerkannt worden sind, aufrechterhalten und wahren wird. Mit bezug auf die Gebietsteile von Savoyen, die laut der Erklärung der Mächte vom 29. März 1815 der Wiener Schlußakt vom 9. Juni 1815. der Beitrittserklärung der schweizerischen Tagsatzung vom 12. August 1815, des Pariser Vertrages vom 20. November 1815 und der Urkunde über die Anerkennung und Gewährleistung der schweizerischen Neutralität vom nämlichen Tage auf gleiche Weise der Neutralität teilhaftig sind, als wären sie Bestandteile der Schweiz, Bestimmungen, welche Frankreich und Sardinien im Artikel 2 des Turiner Vertrages vom 24. März 1869 neuerdings anerkannt haben, glaubt der Bundesrat darauf hinweisen zu müssen, daß der Schweiz das Recht zusteht, diese Gebietsteile zu besetzen. Der Bundesrat würde von diesem Rechte Gebrauch machen, wenn die Verhältnisse es zur Sicherung der Neutralität und der Unverletzbarkeit des Gebietes der Eidgenossenschaft erfordert erscheinen ließen. Er wird indessen nicht ermangeln, die in den genannten Verträgen enthaltenen Beschränkungen, namentlich in betreff der Verwaltung dieses Gebietes gewissenhaft zu beobachten. Er wird bestrebt sein, sich darüber mit der Regierung der französischen Republik zu verständigen. Der Bundesrat ist fest überzeugt, daß diese Erklärung von den kriegführenden Machten sowie von den anderen Staaten, die den Vertrag von 1815 unterzeichnet haben, als Ausdruck der altherkömmlichen Anhänglichkeit des Schweizervolkes an den Neutralitätsgedanken und als gewissenhafte Bekräftigung der für die schweizerische Eidgenossenschaft aus den Wiener Verträgen sich ergebenden Verhältnissen mit Wohlwollen entgegengenommen werden wird. Die Erklärung ist denjenigen Staaten, die 1815 die Unverletzbarkeit und Neutralität der Schweiz anerkannt haben, sowie einigen anderen Staatsregierungen amtlich mitgeteilt worden. 2)

 

Die Mobilisierung Schwedens

Stockholm, 7. Aug. (W. B.)
Nach den beim Kriegsministerium eingegangenen Berichten vollzieht sich die von der Regierung verfügte Mobilmachung gewisser Klassen der Reserve und Ausgehobenen ruhig und ordnungsgemäß. Die zu den Waffen Einberufenen zeigen sich durchaus willig. Das Ministerium ordnete Maßnahmen für die Verteidigung und Befestigung verschiedener Plätze des Landes an.
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Dänemark

Kopenhagen, 7. Aug. (Ritzaus Bureau.)
Die Regierung erklärte heute die vollständige Neutralität Dänemarks im österreichisch- russischen Krieg.
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China

Peking, 7. Aug. (Petersburger Telegraphen-Agentur.)
China hat Neutralität erklärt.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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