Der Weltkrieg am 8. August 1914

 

Franctireurs

Berlin, 8 Aug. (W. B.)
Die von den Kämpfen um Lüttich vorliegenden Meldungen lassen erkennen, daß die Landesbewohner sich an dem Kampfe beteiligt haben. Truppen sind aus dem Hinterhalt, Ärzte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit beschossen worden. Gegen Verwundete wurden Grausamkeiten von der Bevölkerung verübt. Ebenso liegen Meldungen vor, daß die französische Grenzbevölkerung gegenüber Metz aus dem Hinterhalt deutsche Patrouillen abgeschossen habe. Es kann sein, daß diese Vorfälle durch die Zusammensetzung der Bevölkerung jenes Industriebezirkes hervorgerufen worden sind, es kann aber auch sein, daß ein Franctireur-Krieg in Frankreich und Belgien vorbereitet worden ist und gegen unsere Truppen angewendet werden soll. Sollte letzteres zutreffen und durch eine Wiederholung solcher Vorfälle erwiesen werden, so haben unsere Gegner es sich selbst zuzuschreiben, wenn der Krieg mit unerbittlicher Strenge auch gegen die schuldige Bevölkerung geführt wird.
Man wird es den deutschen Truppen, welche gewohnt sind, Disziplin zu halten, und den Krieg nur gegen die bewaffnete Macht des feindlichen Staates zu führen, nicht verdenken können, wenn sie in gerechter Selbstverteidigung keinen Pardon geben. Die Hoffnung, durch Entfesselung der Leidenschaften des Volkes auf den Krieg einzuwirken, wird an der unerschütterlichen Energie unserer Führer und Truppen zu schanden werden. Vor dem neutralen Ausland sei aber schon zu Beginn des Krieges festgestellt, daß es nicht die deutschen Truppen waren, die eine solche Form des Krieges hervorriefen.

 

General Deimling dankt den Elsaß-Lothringern

Straßburg i. Elsaß, 8. Aug. (Priv.-Tel.)
General Deimling, der kommandierende General des XV. Armeekorps, erläßt eine angesichts seiner bisherigen Haltung dem Reichsland gegenüber doppelt bemerkenswerte Kundgebung, in der er der Bevölkerung Anerkennung und Dank für ihre ausgezeichnete Haltung und ihre besonnene, tatkräftige Unterstützung der durch die Mobilmachung gebotenen Maßnahmen ausspricht. Die Kundmachung schließt:
Als ein Zeichen patriotischen Opfermutes begrüße ich mit besonderer Freude, daß viele Tausende von jungen Männern, namentlich auch aus den altelsässischen Familien, als Freiwillige zu unseren Fahnen geeilt sind.

 

Zusammenstoß im Oberelsaß

Berlin, 8. Aug.
Die deutschen Truppen im Oberelsaß wurden von feindlichen Kräften, die aus der Richtung von Belfort vorgingen, angegriffen. Das Vorgehen der französischen Truppen ist zum Stehen gekommen. Bei Altkirch gingen sie bereits wieder in der Richtung auf Belfort zurück.

 

Vom östlichen Kriegsschauplatz

Berlin, 8. Aug.
Die dritte russische Kavalleriedivision überschritt am 6. August die Grenze bei Romeiken südlich von Eydtkuhnen, ging aber bei dem Erscheinen deutscher Kavallerie wieder auf russisches Gebiet zurück. An der Wiederherstellung der von den Russen in Polen zerstörten Bahnen durch die Deutschen wird gearbeitet, auch die Brücken zwischen Schoppinitz und Sosnowice sind in der Wiederherstellung begriffen. Die Bahn von Alexandrowo nach Wlozlawek ist bereits wieder benutzbar.
Österreichische Kavallerie besetzte Olkusch und Walbrom und nahm Fühlung mit den in Russisch-Polen stehenden Grenzschutzdetachements des 6. Armeekorps.

 

"Königin Luise" gesunken

Berlin, 8. Aug. (W. B.)
Ziemlich sicheren Gerüchten zufolge ist der von der Kaiserlichen Marine übernommene Bäderdampfer "Königin Luise" beim Legen von Minen vor dem Kriegshafen an der Themse-Mündung von einer Torpedobootsflottille unter Führung des kleinen Kreuzers "Amphion" angegriffen und zum Sinken gebracht worden. "Amphion" ist aber dann auf eine von der "Königin Luise" geworfene Mine aufgelaufen und gesunken. Von der Besatzung des englischen Schiffes sind dem Vernehmen nach 130 Mann ertrunken und 150 Mann gerettet worden; von der 6 Offiziere und 114 Mann zählenden Besatzung der "Königin Luise" ist ebenfalls ein Teil gerettet worden.

 

Die Haltung Japans

Tokio, 8. Aug.
Mit Rücksicht auf das englisch-japanische Bündnis erließ Japan keine Neutralitätserklärung. Seine Haltung wird von den Ereignissen auf den Meeren des fernen Ostens abhängen.

 

Ein englischer Gewaltstreich

Konstantinopel, 8. Aug. (W. B.)
Die Regierung gibt amtlich bekannt, daß England die dort im Bau befindlichen, der Türkei gehörigen Großlinienschiffe "Sultan Osman" und "Reschadieh" sowie zwei für Chile im Bau begriffene, von der Türkei angekaufte Zerstörer von 1850 Tonnen in die englische Flotte eingereiht hat. Die neuen Namen der Linienschiffe sind "Azincourt" und "Erin". Die Handlungsweise Englands erregt in der Türkei lebhaftes Erstaunen und Proteste von allen Seiten.

Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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