Der Weltkrieg am 28. August 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die englische Armee bei St. Quentin geschlagen

Großes Hauptquartier, 28. August.
Die englische Armee, der sich drei französische Territorial-Divisionen angeschloßen hatten, wurde nördlich St. Quentin vollständig geschlagen und befindet sich in vollem Rückzuge über St. Quentin. Mehrere tausend Gefangene, sieben Feldbatterien und eine schwere Batterie sind in unsere Hände gefallen.Südöstlich Mezières haben unsere Truppen unter fortgesetzten Kämpfen in breiter Front die Maas überschritten. Unser linker Flügel hat nach neuntägigen Gebirgskämpfen die französischen Gebirgstruppen bis östlich Epinal zurückgetrieben und befindet sich in weiterem siegreichen Fortschreiten. Der Bürgermeister von Brüssel teilte dem deutschen Kommandanten mit, daß die französische Regierung der belgischen Regierung die Unmöglichkeit eröffnet habe, sie irgendwie offensiv zu unterstützen, da sie selbst völlig in die Defensive gedrängt sei.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Das stärkste französische Sperrfort genommen

Berlin, 28. Aug. (W. B.)
Manonviller, das stärkste Sperrfort der Franzosen, ist in unserem Besitz.
Die Nachricht, daß das Fort Manonviller, das stärkste Sperrfort der französischen Verteidigungslinie, gefallen ist, muß im Lager unserer Feinde geradezu niederschmetternd wirken. Bis jetzt hatte man sich in Paris damit trösten können, daß Lüttich und Namur durch belgische und nicht durch französische Werke geschützt gewesen seien und daß Longwy, die erste französische Festung, die in diesem Krieg von den Deutschen genommen wurde, keinen Vergleich mit den gewaltig starken modernen Sperrforts aushalten könne; aber nun ist ein Bollwerk vernichtet, das wohl uneinnehmbar zu sein schien, das das stärkste war unter all den Forts, mit denen Frankreich seine Ostgrenze umpanzert hat. Es sind kaum fünf Tage vergangen, seit die Armee des bayerischen Kronprinzen nach den großen Schlachten in Lothringen in
die Linie Lunéville-Blamont-Cirey eingerückt ist und Lunéville besetzt hat. Und ebenso kurz kann also nur der Zeitraum sein, seit die Beschießung des Forts Manonviller begonnen hat, denn dieses Sperrfort liegt in dieser Linie, etwa zehn Kilometer östlich von Lunéville, auf einer Anhöhe nördlich von dem kleinen Flecken Manonviller. Das Fort sperrt die Bahnlinie Straßburg-Avricourt-Paris und den Zugang nach Lunéville von Osten. Auch die Pässe der nördlichsten Vogesen, namentlich die Gegend des Donon, liegen in seinem weiteren Bereich.
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Die Schlacht bei Mecheln

Amsterdam, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Belgische, französische und englische Blätter meldeten, daß die Belgier mit einem großen Sieg die Deutschen auf Vilvorde bei Brüssel zurückgeworfen hätten. Der Korrespondent des "Handelsblad" berichtet demgegenüber folgendes:
Unter persönlicher Leitung König Alberts rückte eine starke belgische Armee südlich von Mecheln vor, um das um Vilvorde stehende deutsche Heer nach Süden zu werfen. Den Deutschen gelang es, die Belgier nach Vilvorde zu locken, wo ihre Hauptmacht lag, und als die Belgier nahe genug waren, machten die Deutschen plötzlich Halt. Frische Truppen, die zuvor im Wald verborgen lagen, rückten gegen die belgische Flanke vor. Die Belgier wurden regelrecht zwischen drei vernichtende Feuer genommen. Es war kaum mehr ein Gefecht, Sondern das reinste Schlachten, und der so gut begonnene belgische Angriff endete mit einem allgemeinen "Sauve qui peut!" Hals über Kopf suchten die Belgier sich zu retten; hunderte sprangen in den Mecheln-Löwen-Kanal und viele ertranken dabei. Autos mit dem Generalstab jagten nach Antwerpen zurück. Die Belgier hatten übrigens die wunderbare alte Stadt Mecheln von den Einwohnern vor dem Ausfall räumen lassen, da belgische Geschosse auch auf Mecheln fielen; es entstand auf den Befehl eine wilde Flucht der Einwohner. Schon vorher war der berühmte Turm der Kathedrale von zwei Artilleriegeschossen getroffen worden. Mecheln ist im Augenblick weder von Deutschen noch von Belgiern besetzt, und die Einwohner kehren langsam zurück.
Da es einem französischen Feldkurier gelang, vor dem Ausfall nach Antwerpen zu kommen, ist anzunehmen, daß der Ausfall auf Wunsch der französischen Heeresleitung geschah.
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Der Straßenkampf in Löwen

(Vom Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" für den westlichen Kriegsschauplatz.)

Großes Hauptquartier, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Über die Entstehung und den Verlauf des Straßenkampfes in Löwen wird noch folgendes berichtet:
Am Montag war alles ruhig und die Eisenbahntruppen an der Arbeit, durch Rampenbau die Entladung der Truppen vorzubereiten. Auch am Dienstag Vormittag blieb alles ruhig und es entwickelte sich ein reger Verkehr zwischen den Einwohnern und Truppen, die in Quartieren untergebracht waren. Als am Dienstag Nachmittag die drohenden Nachrichten von einem bevorstehenden Ausfall aus Antwerpen eintrafen, wurden schleunigst die in der Stadt befindlichen Truppen auf Antwerpen in Marsch gesetzt. Auch der kommandierende General begab sich mittels Kraftwagen nach vorn. Es blieben daher verhältnismäßig wenig Truppen in der Stadt, darunter das Landsturmbataillon Neuß.
Die zweite Staffel des Generalkommandos saß gerade auf dem Marktplatz auf, als plötzlich ein wütendes Feuer aus den oberen Stockwerken der umliegenden Häuser eröffnet wurde. Nach kurzer Zeit waren fünf Offiziere der zweiten Staffel verletzt und sämtliche Pferde erschossen. Am Bahnhof war gerade ein Truppenzug angekommen und die ausgeladenen Truppen standen friedlich auf dem Bahnhofsplatze versammelt, als auch dort zur selben Stunde das Feuer auf sie eröffnet wurde. Der Kampf wurde sofort aufgenommen und durch die fortwährend eintreffenden Truppenzüge gespeist. Der Straßenkampf flackerte überall auf, wo Deutsche standen. Auch in eine Benzinkolonne wurde hineingefeuert, die in Brand geriet.
Der Straßenkampf dauerte von Dienstag Abend bis Mittwoch Nachmittag. Er endete mit der Niederwerfung des Aufstandes.
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Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph

Kaiser Franz Joseph
Kaiser Franz Joseph
v. Hötzendorf
v. Hötzendorf

Wien, 28. Aug. (W. B.) 
Von Kaiser Wilhelm ist an Kaiser Franz Joseph folgendes Telegramm eingelaufen: 

"Gerührt und erfreut danke ich Dir für das herzliche Telegramm, das Deine und Deiner Wehrmacht Empfindungen für meine Armee verkündet. Auch für diese höchste Ordensauszeichnung, mit der Du mich und meinen Generalstabschef auszeichnetest, meinen tiefgefühlten Dank. Unsere begeisterte Waffenbrüderschaft, die sich auch im fernen Osten so fest bewährt hat, ist das schönste in dieser ernsten Zeit. Inzwischen haben auch Deine Truppen in dem Sieg von Krasnik Proben ihrer altbewährten Tapferkeit abgelegt. Nimm als Zeichen meiner höchsten Achtung und Wertschätzung den Orden Pour le Mérite für Dich freundlich an. Dem Generalstabschef v. Hötzendorf habe ich das Eiserne Kreuz zweiter und erster Klasse verliehen. Gott hat bis hierher geholfen, er möge auch weiter mit unserer gerechten Sache sein.

Wilhelm."

Kaiser Franz Joseph hat darauf mit folgendem Telegramm geantwortet: 

"Erfüllt es mich mit freudigem Stolz, daß Du den militärischen Maria-Theresiaorden ganz in dem Sinne angenommen hast, in dem ich Dir dieses Zeichen höchster militärischer Verdienste gewidmet habe, so bewegt mich die Anerkennung, die Du den bisherigen Leistungen meiner Armee dadurch zollst, daß Du mich mit dem Orden Pour le Mérite und meinen Generalstabschef, General Conrad von Hötzendorf, mit dem Eisernen Kreuz auszeichnetest, aufs tiefste. Habe hierfür herzlichsten Dank. Gott helfe weiter.

Franz Joseph."2)

 

Die Riesenschlacht in Galizien

Kriegspressequartier, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Die entscheidende Riesenschlacht ist in Galizien im Gange. Die allgemeine große russische Offensive richtet sich seit 26. August gegen Nord- und Ostgalizien im Gebiete zwischen Rawaruska, Zolkiew, Zloczow, Tarnopol und Stanislau, wo sie überall zu heftigen Kämpfen führte, die am 27. und 28. eine geschlossene Schlachtfront von 200 Kilometer umfassen, bei welcher Linie die Offensive der russischen Hauptarmee zum Stehen gebracht wurde. Der linke Flügel der österreichisch-ungarischen Hauptarmee dringt aus dem Raume Rawaruska-Zolkiew erfolgreich vor. Das Zentrum und der rechte Flügel sind bis an den Dnjestr in stehenden Kämpfen beschäftigt. Die linke Gruppe der österreichisch-ungarischen Flügelarmee ist östlich der Weichsel von Krasnik an in lebhaftem, weiterem Vorstoß auf Lublin begriffen und hat durch die siegreiche vorzeitige Offensive einen gleichzeitigen Vorstoß der russischen
Westarmee vereitelt und diese abgetrennt. Bei der Ausdehnung der Kampffront auf 400 Kilometer muß die Entscheidung länger ausstehen.

Kriegspressequartier, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Die ziemlich gleichzeitige russische Massenoffensive gegen Ostpreußen und Ostgalizien beweist, daß der Beginn der russischen Mobilisierung mehrere Wochen früher begonnen hat, als russischerseits zugegeben worden ist. Hiermit ist der absolute Kriegswille Rußlands erwiesen. Trotzdem mißlangen alle gewaltsamen Einbruchsversuche großer russischer Kavalleriemassen, und selbst die russische Hauptarmee stieß beim Vorrücken über Brody und Sbrutschfluß bald auf die schlagbereit versammelten österreichisch-ungarischen Armeen. Der unerwartet rasch geführte Vorstoß der linken Gruppe der österreichischen Armee nach Lublin störte erheblich die Geschlossenheit der russischen Überflutung. Andererseits gibt die lange bezweifelte russische Offensive den österreichisch-ungarischen Heeren die Aussicht auf eine frühere Entscheidung. Der heute beginnende Kampf erfolgt nördlich und östlich von Lemberg bis Ilozlw. Er ist taktisch sehr wertvoll, da im Südosten bis zum Dnjestrfluß ein günstigeres Gelände ist, um auch gegen überlegene russische Kräfte vorzugehen. Vermutlich operiert gegen Galizien überhaupt der Großteil der gesamten russischen Armeen.
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Die französischen Sozialisten und der Krieg

Jules Guesde
Jules Guesde

Amsterdam, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Die sozialistische Partei in Frankreich billigt die Annahme der Portefeuilles durch Sembat und Guesde und veröffentlicht einen Aufruf, daß die Demokratie entschlossen sei, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Sie ruft die Massen im Interesse der Zivilisation zum Kampf auf.
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Die Lage in den deutschen Schutzgebieten

Berlin, 28. Aug.
Über die derzeitige Lage der deutschen Schutzgebiete gibt das Reichskolonialamt folgendes bekannt:

In Ostafrika haben die Engländer kurz nach Ausbruch des Krieges den Funkenturm in Daressalam zerstört. Im Innern des Landes hat nach neueren englischen Nachrichten unsere Schutztruppe die Offensive ergriffen und den wichtigen englischen Verkehrspunkt Tavelta südöstlich des Kilimandscharo besetzt.
Aus Togo, das nur von einer kleinen Schar kriegsfreiwilliger Weißer und der schwachen Eingeborenen-Polizeitruppe verteidigt wird, wurde bereits gemeldet, daß Engländer und Franzosen einige Gebiete besetzten. Zwischen unserer Truppe und den aus Dahomey und von der Goldküste anmarschierenden weit überlegenen Streitkräften fanden verschiedene Gefechte statt, in denen von unserer Seite mit großer Tapferkeit gekämpft wurde. In diesen Gefechten fielen, wie zum Teil früher gemeldet, Hauptmann Pfähler, sowie die Kriegsfreiwilligen Berke und Klemp, während Dr. Raven, sowie die Freiwilligen Sengmüller, Kohlsdorf und Ebert verwundet wurden.
Aus Kamerun, das bis vor wenigen Tagen vom Feinde nicht behelligt wurde, liegen neuere Nachrichten nicht vor. Dem Eindringen feindlicher Streitkräfte in das Land dürfte die Schutztruppe erfolgreichen Widerstand entgegensetzen.
Da der Funkenturm vor Kamina in Togo vor Besitzergreifung durch die Engländer von unserer Truppe zerstört wurde, sind weitere Nachrichten aus Kamerun und Togo in nächster Zeit nicht zu erwarten.
In Deutsch-Südwestafrika ist bisher alles ruhig. Nach englischen Meldungen ergriff die Schutztruppe die Offensive und drang von der Südostecke her in der Richtung auf Eppington in die Kapkolonie ein.
Aus unseren Besitzungen in der Südsee liegen Nachrichten nicht vor.
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Der Kriegsaufruf Japans

Wir erklären Deutschland den Krieg, befehlen unserm Heer und unserer Flotte, mit aller Kraft die Feindseligkeiten gegen dieses Reich aufzunehmen und weisen alle Behörden an, dabei ihrer Pflicht gemäß Hilfe zu leisten. Unser nationales Ziel hält sich in den Schranken des Völkerrechts. Seit dem Ausbruch des gegenwärtigen Krieges in Europa, dessen unheilvollen Anblick wir mit großer Besorgnis betrachten, haben wir die Hoffnung bewahrt, den Frieden im fernen Osten durch die Aufrechterhaltung der strikten Neutralität zu sichern; aber das Vorgehen Deutschlands hat schließlich England, unseren Verbündeten, genötigt, die Feindseligkeiten gegen jenes Reich zu eröffnen. Deutschland ist in Kiautschou mit militärischen Vorbereitungen beschäftigt, während seine Kriegsschiffe in den Gewässern Ostasiens kreuzen und so unseren Handel mit unserem Verbündeten bedrohen. Dadurch wird der Friede im fernen Osten gefährdet und unsere Regierung und die englische Regierung sind daher nach ausführlichen und offenen Mitteilungen übereingekommen, daß Maßregeln nötig werden können zum Schutze der allgemeinen Interessen, die in dem zwischen uns bestehenden Vertrage vorgesehen sind. Da wir unseren Zweck mit friedlichen Mitteln zu erreichen wünschten, haben wir unserseits der deutschen Regierung einen aufrichtigen Rat erteilt; aber bis zum letzten Tage, der von unserer Regierung für die Antwort festgesetzt war, haben wir keine Antwort erhalten, die auf eine Annahme unseres Rates hinwies. Mit tiefem Bedauern sind wir daher, trotz unserer glühenden Ergebenheit für die Sache des Friedens, genötigt, den Krieg zu erklären, im Anfang unserer Regierung, während wir noch für unsere geliebte Mutter Trauer tragen. Es ist daher unser aufrichtigster Wunsch, daß durch die Loyalität und Tapferkeit unserer treuen Untertanen der Friede bald wieder hergestellt und der Ruhm des Reiches vergrößert werde. 2)

 

Aus Italien

Rom, 28. Aug. (Priv.-Tel.)
Die Regierung trifft energische Vorsorge, daß die italienische Neutralität auch vom Volke eingehalten wird. Da bei der Wachablösung am Quirinal mehrfach Versuche zu Kundgebungen gegen die ehemaligen Verbündeten gemacht wurden, ist sie vom Abend auf den Vormittag verlegt worden, wo weniger Publikum zugegen ist. In Mailand verbot die Behörde eine von den Republikanern geplante öffentliche Kundgebung für einen Krieg gegen Österreich.
Die italienischen Börsen werden demnächst wieder eine halbe Stunde täglich für Kaffegeschäfte geöffnet werden.
Nach der "Stampa" stehen wichtige Veränderungen in den oberen Kommandostellen des Heeres bevor. Die Armeekorps in Mailand, Bari und Ancona erhalten neue Kommandeure. Pariser Berichte italienischer frankophiler Zeitungen besagen, daß die schweren deutschen Feldgeschütze eine schreckliche Wirkung verbreiten, welcher die französische Artillerie trotz des schnelleren Schießens nicht gewachsen ist. Die deutschen Truppen mit schwerem Geschütz gleichen wandelnden Festungen.
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Aus Bulgarien

Sofia, 28. Aug. (W. B.)
Die "Agence Bulgare" meldet:
Der Kriegsminister reist heute Abend zu einer Inspektionsreise in die neuerworbenen Gebiete ab, um die Ergebnisse der Aushebung der zu einer dreiwöchigen Waffenübung einberufenen neuen Soldaten festzustellen. Es handelt sich um Bulgaren, die aus den unter fremder Herrschaft verbliebenen Gebieten eingewandert sind. Diese Inspektion war seit längerer Zeit in Aussicht genommen, aber der Minister konnte die Reise erst jetzt unternehmen.

Sofia, 28. Aug. (W. B.)
Der König ermächtigte den Ministerpräsidenten, die vertagte Sobranje, die am 29. August zusammentreten sollte, nicht einzuberufen.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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