Der Weltkrieg am 29. August 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Hindenburgs Sieg über die Russen bei Tannenberg -
Fünf russische Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen geschlagen

Berlin, 29. August.
Unsere Truppen in Preußen unter Führung des Generalobersten v. Hindenburg haben die vom Narew vorgegangene russische Armee in Stärke von fünf Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen in dreitägiger Schlacht in der Gegend von Gilgenburg - Ortelsburg geschlagen und verjagen sie jetzt über die Grenze.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Großer Sieg in Ostpreußen

Berlin, 29. Aug. (W. B.)
Zur Lage in Ostpreußen wird übereinstimmend berichtet, daß dank der Tapferkeit unserer Truppen und Führer es den Russen trotz ihrer gewaltigen Übermacht nicht gelungen ist, unsere Stellungen zu nehmen. Der vom Generalquartiermeister am 25. August als bevorstehend angekündigte entscheidende Kampf hat begonnen.
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Ostpreußen 1. Weltkrieg: Im zerstörten Soldau
Im zerstörten Soldau

Die Niederlage der Russen

Danzig, 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Das stellvertretende Generalkommando gibt bekannt:
Soldau ist von den Deutschen wiedergewonnen worden. Der linke Flügel der Russen ist im Rückzug auf Mlawa.
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Militärische Veränderungen - Pour le Mérite für General Ludendorff

Ludendorff

Ludendorff

Berlin, 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Mit der Stellvertretung des Kriegsministers ist, wie die "Neue Gesellschaftliche Korrespondenz" mitteilt, der Generalmajor Wild v. Hohenborn, bisher Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements, beauftragt worden. Stellvertretender Chef des Generalstabs der Armee ist der General der Infanterie Frhr. v. Manteuffel, stellvertretender Kommandierender General des Gardekorps der General der Infanterie und Generaladjutant v. Loewenfeld.
General Ludendorff, dem der Kaiser wie dem General v. Emmich den Orden Pour le Mérite verliehen hat, ist inzwischen, wie die gleiche Korrespondenz meldet, vom Kaiser im Hauptquartier empfangen worden. Der Kaiser umarmte den tapferen General und hängte ihm mit eigener Hand den Orden um.
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Aus Löwen und Mecheln

Amsterdam, 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Nach Mitteilung des belgischen Gesandten in London brennen in Löwen auch die herrliche Kathedrale und die Universität mit der berühmten Bibliothek. Verschiedene Notabeln seien erschossen worden, zuvor hätten die Einwohner die Stadt verlassen müssen. Ein Teil der Männer sei gefangen. Frauen und Kinder seien nach anderen Orten gebracht worden.
Die Belgier fahren mit ihren nunmehr kindisch anmutenden Siegesberichten fort. So wird offiziell aus Antwerpen mitgeteilt, der belgische Ausfall auf Mecheln sei vollständig geglückt, da es gelungen sei, die deutschen Verteidigungswerke zu vernichten und ein bereits nach Süden abziehendes deutsches Korps zu zwingen, nach Mecheln zur Verstärkung zu kommen. Die Stadt Mecheln selbst hat infolge der Beschießung durch die Belgier und dann durch die Deutschen sehr gelitten.
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Ein Aufruf an die französische Bevölkerung

Paris, 29. Aug. (W. B. Nichtamtlich.)
Der in der vergangenen Nacht unter dem Vorsitz des Präsidenten Poincaré zusammengetretene Ministerrat billigte den Wortlaut eines Aufrufs der neuen Regierung an die Bevölkerung. Der Wortlaut ist folgender:

"Franzosen!
 Die Regierung nahm von dem Kampfplatz Besitz. Das Land weiß, daß es auf Wachsamkeit und Energie zählen kann, weiß, daß sie auf das Land zählen kann. Seine Söhne vergießen ihr Blut für das Vaterland und die Freiheit an der Seite der englischen und belgischen heldenmütigen Armee, sie halten ohne Zittern den furchtbarsten Sturm von Eisen und Feuer aus, der je ein Volk überschüttet hat. Alle bleiben aufrecht. Ruhm den Lebenden und Ruhm den Toten. Menschen fallen, aber die Nation bleibt bestehen. Der endgültige Sieg ist gesichert; ein sicher großer, aber nicht entscheidender Kampf beginnt. Wie auch der Erfolg sein wird, der Krieg wird fortdauern. Frankreich ist nicht eine so leichte Beute, wie ein unduldsamer Feind sich eingebildet hat. Der Franzosen Pflicht ist tragisch, aber einfach: den Eindringling zurückzuwerfen, ihn zu verfolgen, unseren Boden von seiner Gegenwart, die Freiheit von seinen Fesseln zu befreien, auszuhalten bis zum Möglichsten, bis zum Äußersten, falls nötig bis ans Ende, unseren Geist und unsere Herzen über die Gefahren hinauszuheben, Herr unserer Geschicke zu bleiben.
Während dieser Zeit marschieren unsere Verbündeten, die Russen, mit entschlossenen Schritten auf die Hauptstadt des Deutschen Reiches zu, die von Angst beherrscht zu werden beginnt. Das Beibringen von neuen Truppen und ihr Zurückziehen nach Niederlagen werden vom Lande alle Opfer fordern, alle Hilfskräfte verlangen, die es an Menschen und Kraft geben kann. Seien wir daher fest entschlossen. Das nationale Leben, unterstützt von finanziellen und administrativen Maßnahmen, wird nicht unterbrochen. Laßt uns Vertrauen haben zu uns selbst und alles vergessen, was nicht das Vaterland betrifft. Wenden wir das Gesicht gegen die Grenze. Wir haben eine Methode, einen Willen. Wir werden siegen!"

Der Aufruf ist von allen Ministern unterzeichnet. 2)

 

Französische Flieger über dem Elsaß

Straßburg i. E. 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Über Schlettstadt und die Nachbarorte flogen vorgestern französische Flieger, die Bomben warfen, ohne jedoch, nach einem Bericht des "Schlettstadter Tageblatts", irgendwelchen Schaden anzurichten.
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Landung englischer Truppen in Ostende

Amsterdam, 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Churchill teilte im Unterhaus mit, daß neue englische Truppen in Ostende gelandet seien. Die "Times" berichtet hierüber, daß der Gemeinderat in Ostende zunächst die Landung von Truppen wegen der hiermit verbundenen Beunruhigung der Hotelgäste, die aus vom Innern geflüchteten Belgiern bestehen, abgelehnt, später aber angenommen habe.
Wegen der großen Anzahl der in Ostende anwesenden Flüchtlinge wurden sämtliche Badekutschen als Schlafstätten eingerichtet.
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Das Kaiserpaar in Bad Nassau

Bad Nassau, 29. Aug. (W. B. Amtlich.)
Der Kaiser und die Kaiserin trafen heute Nachmittag in Bad Nassau zusammen, um in schicksalsschwerer Stunde sich zu begrüßen. Die Zusammenkunft fand im Schlosse des Freiherrn vom und zum Stein statt, in dem die Majestäten mehrere Stunden in Zurückgezogenheit verweilten. Die Majestäten begrüßten dann in teilnehmender Weise jeden einzelnen der zahlreichen verwundeten Krieger, die sich gegenwärtig in Bad Nassau befinden. Die Kaiserin besuchte vor ihrer Rückreise nach Homburg das Kurhaus sowie das als Reserve-Lazarett eingerichtete Henriette-Theresieninstitut und zeigte jedem einzelnen Soldaten die wärmste persönliche Teilnahme.
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S. M. S. "Cöln"

Ein Seegefecht in der Nordsee

Berlin, 29. Aug. (W. B.)
Im Laufe des gestrigen Vormittags sind bei teilweise unsichtigem Wetter mehrere moderne englische Kreuzer und zwei englische Zerstörerflottillen (etwa 40 Zerstörer) in der deutschen Bucht der Nordsee nordwestlich von Helgoland aufgetreten. Es kam zu hartnäckigen Einzelgefechten zwischen diesen und unseren leichten Streitkräften. Die deutschen kleinen Kreuzer drängten heftig nach Westen nach und gerieten dabei infolge der beschränkten Sichtweite mit mehreren starken Panzerkreuzern ins Gefecht. S. M. Schiff "Ariadne" sank, von zwei Schlachtschiffkreuzern der Lion-Klasse auf kurze Entfernung mit schwerer Artillerie beschossen, bis zuletzt feuernd, in die Tiefe. Flottillenchef und Kommandant sind gefallen. Ein beträchtlicher Teil der Besatzung (voraussichtlich 250 Köpfe) konnte gerettet werden. Auch das Torpedoboot "V 187" ging, von einem kleinen Kreuzer und zehn Zerstörern aufs heftigste beschossen, bis zuletzt feuernd, in die Tiefe. Flottillenchef und Kommandant sind gefallen. Ein beträchtlicher Teil der Besatzung wurde gerettet.
Die kleinen Kreuzer "Cöln" und "Mainz" werden vermißt. Sie sind nach einer heutigen Reutermeldung aus England gleichfalls im Kampf mit überlegenen Gegnern gesunken. Ein Teil ihrer Besatzung (9 Offiziere und 81 Mann) scheint durch englische Schiffe gerettet worden zu sein. Nach der gleichen englischen Quelle haben die englischen Schiffe schwere Beschädigungen erlitten.
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Die Mannschaft des Kreuzers "Magdeburg"

Danzig, 29. Aug. (Priv.-Tel.)
Die "Danziger Zeitung" veröffentlicht mit Genehmigung des Reichsmarineamts folgendes: Gestern lief das Torpedoboot V 26 in den hiesigen Hafen ein und machte fest, um den kleinen Kreuzer "Amazone" vorbeizulassen, der die Geretteten und Verwundeten des Kreuzers "Magdeburg" von "V 26" übernommen hatte und nach Danzig gedampft war. Bei der Vorbeifahrt brachte die gerettete Mannschaft der "Magdeburg" drei Hurras auf die Mannschaft des "V 26" aus. 14 Tote wurden heute gemeinsam beigesetzt. 40 Verwundete kamen in die hiesigen Lazarette.
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Die Blockade von Kiautschou

London, 29. Aug. (Indirekt. Priv.-Tel.)
Die japanische Botschaft kündigt an, daß die Blockade der Küste von Kiautschou am 27. August 9 Uhr morgens begonnen hat.
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Die Deutschen in Tsingtau

Berlin, 29. Aug. (W. B. Amtlich.)
Während in ganz Deutschland das wärmste Interesse besteht an dem heldenmütigen Kampfe, welchen die tapfere Marinebesatzung von Tsingtau gegen die japanisch-englische Übermacht bis zum Äußersten durchkämpfen wird, ist zugleich tiefe menschliche Teilnahme verbreitet an dem Schicksal der Frauen und Kinder, die sich in der Kolonie befanden. Es wird deshalb überall das Gefühl der Beruhigung und Genugtuung erwecken, daß es nach zuverlässigen Nachrichten gelungen ist, die Familien aus Tsingtau zu entfernen und nach neutralem chinesischen Gebiete zu bringen. Inzwischen dürften sie bereits in Schanghai eingetroffen sein. Von der Marineverwaltung ist rechtzeitig alles veranlaßt worden, um diese Familien mit Geldmitteln und sonst in jeder Weise zu unterstützen.
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Der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie stellt seine Tätigkeit ein

Berlin, 29. Aug. (Priv.Tel.)
Der Vorstand des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie veröffentlicht folgende Erklärung:

Der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie hat unmittelbar nach dem denkwürdigen Reichstagsbeschluß vom 4. August seine gesamte Tätigkeit eingestellt und seine Provinzialstellen und Ortsgruppen angewiesen, so lange der Kriegszustand dauert, völlig passiv zu bleiben. Das glänzende Verhalten des gesamten deutschen Volkes während der Mobilmachung und vor dem Feinde gibt dem Vorstand Veranlassung auszusprechen, daß der Reichsverband nicht nur unbedingten Gottesfrieden während der Dauer des Krieges halten wird, sondern auch die Hoffnung hegt, daß späterhin eine politische Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht mehr erforderlich sein möge. Er gibt sich der Zuversicht hin, daß in Zukunft nach Überwindung aller das deutsche Vaterland bedrohenden Feinde etwa entstehende wirtschaftliche Streitigkeiten ausschließlich auf nationaler Grundlage sich werden erledigen lassen. Der Vorstand des Reichsverbandes hat das gesamte Bureaupersonal, Schreibmaschinen sowie seine Druckerei unentgeltlich den nationalen Wohlfahrtsbestrebungen zur Verfügung gestellt und eine Spende für das Rote Kreuz bewilligt.

Berlin 29. Aug. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt:
Der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie hat, wie er mitteilt, seine Tätigkeit gegen die Sozialdemokratie eingestellt. Dieser Entschluß ist angesichts der vom ganzen deutschen Volk ohne jeden Unterschied der Partei bewiesenen Opferfreudigkeit mit Dankbarkeit zu begrüßen. Er bekundet die richtige Erkenntnis der Lage, in der es keine Parteien, sondern nur ein von dem einmütigen Willen, das Vaterland bis zum letzten Atemzuge zu verteidigen, beseeltes Volk gibt. Zugleich ist er für die der Belehrung noch bedürfenden Feinde ein neuer Beweis, wie aussichtslos die Rechnung auf parteipolitische Spaltung in unseren Reihen war.
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Handeln, nicht trauern


Kronprinz Rupprecht

München, 29. Aug. (W.B.)
Der Kronprinz Rupprecht von Bayern richtete anläßlich des Hinscheidens seines Sohnes, des Erbprinzen Luitpold, an den König ein Telegramm, das mit den Worten schließt: Die Pflicht heißt jetzt handeln, nicht trauern.
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Amerikas Neutralität

Washington, 29. Aug. (Nichtamtlich.)
Präsident Wilson veröffentlicht eine Erklärung, in der er die Neutralität der Vereinigten Staaten im Kriege zwischen Japan und Deutschland und zwischen Japan und Österreich-Ungarn ankündigt.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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