Die
Schlachtfelder von Lothringen
Vom
Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" für den westlichen
Kriegsschauplatz.
Großes
Hauptquartier, 31. August.
In flotter Fahrt jagt unser Kraftwagen die Mosel entlang. Wohin man
blickt, sieht man fleißige Menschen eifrig beschäftigt, in
den Weinbergen alles zur Einbringung des köstlichen Rebensaftes vorzubereiten.
Von fern grüßt Burg Cochem. Auf der Mosel gleitet ein Dampfer
stromab, am Heck weht die weiße Flagge mit dem roten Kreuz. In jedem
Ort winkt uns die Bevölkerung freudig zu, wir gehen ja an die Front,
wo fast jedes Mitglied des deutschen Volkes einen Verwandten oder Freund
hat, für dessen Wohlergehen manch heißes Flehen zum Himmel
emporsteigt.
Schon zeigen sich die Spuren des Krieges. Die Brückenpfeiler und
Kunstbauten sind teilweise durch Stacheldrahtverhaue gesichert und an
Dorfeingängen und Brücken stehen Landsturmleute, wetterfeste
Gesellen, gar mancher schon im grauen Bart, die Flinte in der Faust. Zahlreiche
Automobilkolonnen überholen wir; vor allem Automobilomnibusse zum
Transport von Leichtverwundeten. Auch ein Aussichtswagen ist dabei. Die
wundervolle Organisation des Automobilwesens ist eine wesentliche Stütze
unseres Heerwesens und eine bedeutende Entlastung unserer Bahnlinien.
Jetzt zeigen sich die Früchte der zahlreichen Wett- und Übungsfahrten,
durch die die deutsche Autoindustrie groß geworden ist.
Über Trier fahren wir ins Luxemburgische. In der Hauptstadt wimmelt
es von Militär. Die Luxemburger an sich sind höflich, man merkt
aber sehr bald, daß ihre Sympathien auf französischer Seite
stehen. Bei ihnen herrscht vor allem die Befürchtung vor, am Ende
des Krieges von dem Sieger verschluckt zu werden, und da wir Gott sei
Dank "diejenigen" sind, so sehen sie uns mißtrauisch von
der Seite an. Wir suchen ihnen diese Idee auszureden. Sie hören dann
sehr höflich zu, ob sie aber das glauben, was man ihnen erzählt?
Dann geht es weiter gen Westen, nach Frankreich hinein. Nach scharfer
Fahrt bergauf kommen wir auf ein Hochplateau bis Thierslet Villers la
Montagne. Überall sind die Linien des Feldtelegraphen gezogen. Die
Straßen sind durchweg ausgezeichnet wie alle Chausseen in Frankreich,
wobei ich noch bemerken möchte, daß die Franzosen im Gegensatz
zu den Belgiern es unterlassen haben, die Chausseen zu zerstören
und die Kunstbauten zu sprengen. Sie haben also aus den Jahren 1870 die
Lehre gezogen, daß sich aus Frankreich keine Wüste machen läßt.
Nur hier und da sind Straßensperren durch Astverhaue oder gefällte
Bäume angelegt, die jedoch in kurzer Zeit beseitigt werden. Hingegen
haben sie sehr viel von gespannten Drahtseilen Gebrauch gebraucht, um
die Automobile anzuhalten, und die meisten unserer Feldwagen sind deshalb
mit dem bekannten Drahtseilschneider ausgerüstet.
Nun geht es bergab nach Longwy Bas hinein, das in einem tiefeingeschnittenen
Tale liegt und von dem Stadtteile Longwy Haut mit der Zitadelle überragt
wird. Die Stadt Longwy Bas hat nicht so stark gelitten, und hier und da
hat eine zu weit gegangene deutsche Granate ein Haus zusammengeschmettert
oder abgedeckt. Nahe dem Bahnhof liegt die Brauerei Janson. Ihr Dach ist
teilweise durch eine Granate heruntergerissen, und das danebenliegende
Haus, in das anscheinend ein Volltreffer unseres Artilleriefeuers fuhr,
ist ganz zusammengestürzt. Überhaupt haben die Häuser am
Bahnhof stärker gelitten als die Innenstadt. Am Bahnhof stehen Kolonnen.
Eine Feldküche ist in vollem Betrieb, um die hungrigen Krieger zu
speisen. Überhaupt unsere Feldküchen. Wieviel Stunden mißliebiger
Arbeit werden dem Soldaten erspart und welch große Garantie für
die rechtzeitige und gute Verpflegung wird durch sie geboten!
- Wir überschreiten die Bahn und fahren scharf bergauf. Jetzt passieren
wir eine Villa, bei der eine Granate einen Teil der Vorderfront weggerissen
hat, so daß man in das Treppenhaus hineinsehen kann. Nach einer
kurzen Fahrt stehen wir am Eingang der Festung Longwy, der ersten französischen
Festung, die in unsere Hände fiel. Sie liegt sehr hoch und hat nach
allen Seiten ein ausgezeichnetes Schußfeld. Sehr günstig für
uns war, daß der Angriff der Deutschen überraschend kam, so
daß es den Franzosen unmöglich war, das Vorgelände völlig
zu rasieren. Immerhin hatte der tapfere Kommandant getan, was er in aller
Eile tun konnte. Störende Baumgruppen waren gekappt und die Baumkronen
zu Astverhauen verwendet worden. Um das Glacis zog sich ein großes
und gut angelegtes Drahthindernis. Longwy ist im Gegensatz zu den Lütticher
Forts eine reine Erdbefestigung. Auch schienen mir die Betonierungen nicht
so stark zu sein wie beispielsweise im Fort Loncin. Longwy wurde dafür
auch nur von den im Verbande des Feldheeres mitgeführten Kalibern
der schweren Artillerie des Feldheeres beschossen. Schwaben und preußische
Fußartillerie brachten Longwy zu Fall. Der Erfolg der Beschießung
war furchtbar. Der Ort Longwy Haut ist total ausgebrannt und die Grande
Rue ein Trümmerhaufen. Vor der Kirche liegen die Trümmer eines
Autos, und in einem vorn offenen Hauses das anscheinend eine Buchhandlung
war, sieht man schöne Bücher halbverdeckt unter den Trümmern
liegen. Die Kasematten sind teilweise zerstört. Ein deutscher Ulanenoffizier,
der auf Patrouille angeschossen und verwundet worden ist und die Beschießung
von Longwy als Gefangener mitgemacht hat, bestätigte die riesige
Wirkung der Beschießung. Zunächst seien die Franzosen vollkommen
durch den Beginn der Beschießung überrascht worden. Der erste
Schuß der Deutschen riß einen Offizier und zehn Mann von der
Außenwache nieder. Und dann ging es los. Geschütz auf Geschütz
wurde zerstört; mit fürchterlicher Präzision hagelten die
deutschen Geschosse auf die Festung nieder, die Erddecke wurde aufgewühlt
und abgedeckt, das Mauerwerk schwankte und stürzte ein. Es kam vor,
daß ein einziger Treffer bis in die dritte Kasematte durchschlug.
Dreimal mußte der Aufenthaltsort der Verwundeten gewechselt werden,
weil die Decke über ihnen große Sprünge zeigte und einzustürzen
drohte.
Die Ausgänge wurden verschüttet und die Luftzuführungsschächte
brachen ein. Aber inmitten dieser Hölle hielt Oberstleutnant Darche,
der Kommandant der Festung, mit hervorragender Bravour aus.Von der 3700
Mann zählenden Besatzung lagen 100 tot und 400 verwundet, aber noch
immer flatterte stolz die Trikolore auf den Wällen. Im Schutze des
rasenden Geschoßhagels schoben sich die Deutschen heran und in der
Nacht vom vierten zum fünften Belagerungstag waren sie in der Sturmstellung
angelangt. In der Festung war nur noch ein Geschütz kampffähig.
Oberstleutnant Darche überlegte. Den Sturm der Deutschen auf diesen
Trümmerhaufen, der einst eine stolze Festung war, anzunehmen, hieß
die ganze Besatzung dem sicheren Untergange weihen. Jeder weitere Widerstand
war bei dem Zustande, in dem sich die Festung befand, ausgeschlossen,
und so erschien denn ein Parlamentär der Franzosen durch den einzigen
noch benutzbaren Ausgang, um über die Übergabe zu verhandeln.
Longwy wurde übergeben. Der Rest der Besatzung marschierte in stolzer
Haltung an und legte vor der Festung die Waffen nieder. Wer jedoch bei
diesem Ereignis dabei war sagte, daß es tapfere Leute gewesen seien,
die mit Hingebung an ihrem Führer hingen und die im Falle eines Sturmes
trotz der rasenden Beschießung sämtlich auf die Wälle
geeilt wären, um dort mit ihrem Kommandanten bis zum letzten Atemzuge
auszuhalten. Auch dem Kronprinzen hatte die hervorragende Haltung des
Kommandanten so gefallen, daß er ihm Degen und Freiheit anbot. Den
Degen nahm er an, die Freiheit lehnte er ab. Hohes Lob verdient auch die
Haltung von zwei barmherzigen Brüdern, die mit Todesverachtung im
Granathagel Verwundete fortschafften und Sterbenden die Sakramente reichten.
Weniger erfreulich wirkte die Tatsache, daß man in Longwy Dum-Dum-Geschosse
und auch eine Maschine gefunden hat, um solche herzustellen. Ebenso lagen
zahllose Patronen mit abgefeilter Spitze umher. Diese Verstöße
gegen die elementarsten Regeln des Krieges werfen ein eigenartiges Licht
auf die Grande Nation die sich sehr zu Unrecht für die kultivierteste
der Welt hält. Während unserer Anwesenheit in Longwy wurde eine
Franktireurbande eingebracht, die Verwundete in bestialischer Weise verstümmelt
hatte. Neben gebrechlichen Greisen gingen Burschen von 14 Jahren, die
stumpfsinnig vor sich hinglotzten. Es ist ein Skandal, daß man sich
mit solchem Gesindel herumschlagen muß. Jetzt zur Stunde, wo ich
diese Zeilen schreibe, dürften sie bereits gerichtet sein. Nur durch
eiserner Strenge lassen sich derartige Ausschreitungen verhüten.
Von Longwy fuhren wir nach Villers de Chevre (westsüdwestlich von
Longwy), das den Mittelpunkt des Schlachtfeldes vom 22. August bildet.
Die Schlachtfelder der Armee des Kronprinzen von Preußen vom 22.
August umfassen den Raum Diedenhofen - Longwy - Montmedy - Verdun. Sie
werden durch den tief eingeschritten Chiers, der von Longwy nach Longuyon
fließt, in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerlegt.
Der Chiers bildet den tiefen Einschnitt vor Longwy Bas, den wir auf dem
Wege nach Longwy passierten und den ich bereits erwähnt habe. Am
22. August marschierte die Armee des Kronprinzen an beiden Seiten von
Longwy vor, während die Franzosen auf der Linie Verdun - Montmedy
im Vormarsch waren. Es entwickelte sich ein Begegnungsgefecht, das sich
dann zur Schlacht in der Linie Virton-Audun le Roman anwuchs. Diese erste
Schlachtlinie liegt vorwärts Longwy. Longwy selbst hat mithin den
Vormarsch des kronprinzlichen Heeres auch nicht eine Minute aufgehalten.
Die Festung wurde vielmehr eingeschlossen und von der schweren Artillerie
des Feldheeres aus einer nordwestlich Longwy hinter Wäldern gelegen
Stellung unter Feuer genommen. An diesem ersten Schlachttage blieben die
deutschen Waffen siegreich und der rechte Flügel der Franzosen wurde
hinter den Fluß Aisne zurückgedrückt, der linke französische
Flügel auf die Höhen in der Gegend von Longuyon. In dieser Stellung
wurden die Franzosen erneut auf der Linie Virton - Tellaucourt - Beuville
- Mercy le Bas - Landres angegriffen und unter schweren Verlusten auf
der ganzen Linie geworfen. Während am 24. August der linke Flügel
der französischen Armee hinter dem Chiers-Abschnitt Longuyon - Montmedy
Widerstand leistete, gingen starke Kräfte aus Verdun zum Angriff
gegen den linken Flügel des Kronprinzen aus der Richtung von Etain
vor. Dieser Vorstoß wurde durch Einsetzen von Reserven und den Vormarsch
von Truppen aus Metz erfolgreich zum Stehen gebracht. Der deutsche Angriff
ging inzwischen auf der ganzen Linie vorwärts. Am 24. wurde die gesamte
französische Armee hinter den Othain-Abschnitt geworfen und aus dieser
Stellung am 25. August durch erneuten Angriff hinter die Maas gejagt.
Die an der Maas im Anschluß an Verdun vorbereiteten Stellungen hinter
der Theinte, dem Loison und auf der Cote waren die zurückweichenden
Truppen nicht mehr in der Lage, trotz ihrer natürlichen und künstlichen
Stärke, zu besetzen und zu halten, sondern der Rückzug der Franzosen
flutete über die Maas hinüber, wo bei Grand Pré wiederum
Aufnahmestellungen für sie errichtet waren.
Nun das Bild und die Eindrücke von dem Schlachtfeld selbst.
Bei Villers la Chevre, das den Mittelpunkt der Kämpfe des 22. August
bildete, hatte auf einer Anhöhe eine französische Artillerielinie
dicht an der Chaussee gestanden. Hier standen noch ein zurückgelassenes
Geschütz und eine Anzahl Munitionswagen, von denen einer explodiert
war. Da diese Munitionswagen noch den größten, einige sogar
den ganzen Munitionsinhalt enthielten, so läßt sich daraus
schließen, dass die Deutschen in verhältnismäßig
recht kurzer Zeit die
Feuerüberlegenheit erzielt und die feindliche Artillerielinie zum
Abfahren gezwungen haben. Für die Plötzlichkeit des Abfahrens
der französischen Batterien spricht auch die Tatsache, daß
man es versäumt hatte, das Verschlußstück des stehengebliebenen
Geschützes mitzunehmen. Hier fanden wir auch eine große Anzahl
der berühmten Malandrinplatten. Der Zweck derselben ist kurz folgender:
Die französische Artillerie besitzt bekanntlich kein Steilfeuergeschütz.
Um nun diesen Mangel auszugleichen, bedient sie sich einer Erfindung des
Oberst Malandrin. Nach dieser werden mittels einer Maschine Metallplatten
auf das Geschoß aufgeschraubt, um so dieses dann schwerer zu machen,
den Luftwiderstand zu vergrößern und so eine gekrümmtere
Flugbahn zu erreichen. Es ist dies ein ziemlich rohes Verfahren, da naturgemäß
durch diese Anordnung auch die Treffsicherheit ganz außerordentlich
leidet. In der Praxis hat sich diese Erfindung nach meinen Umfragen jedenfalls
nicht bewährt.
Von der Stellung bei Villers la Chevre hat man auch einen sehr guten Überblick
über das Schlachtfeld vom 23. August bis nach Tellancourt hinüber.
Das Schußfeld ist für Artillerie für beide Teile recht
gut. Nur das von Hecken umgebene Dorf Tellancourt bietet die Möglichkeit
verdeckter Annäherung, ebenso auf der anderen Seite der Landstraße
Waldstücke, die stark mit Unterholz durchsetzt sind und bei deren
Wegnahme die Truppen in diesem unübersichtlichen Gelände stark
durcheinander kommen und auch der Führung entgleiten. Auf dieser
Höhe stellten wir auch fest, wie liederlich die Franzosen in der
Anlage ihrer Schützengräben vorgehen. Ich lag selbst in einem
drin und konstatierte, daß man ein miserables Schußfeld daraus
hatte, der Schützengraben hätte mindestens 20 Meter vorwärts
an dem vorderen Hange angelegt werden müssen. Ebenso nahmen sich
die Franzosen fast nirgends die Mühe, die Rasendecke abzustechen
und zur Belegung der Brustwehr des Schützengrabens zu verwenden.
Ihre Schützengräben heben sich darum wegen ihrer auffallenden
Färbung scharf vom Gelände ab und bieten gute Zielpunkte für
die deutsche Artillerie.
Auch die französische Besatzung von Montmedy hatte sich nicht untätig
verhalten, sie hatte einen Ausfall gemacht und überraschend deutsche
Truppen im Walde angegriffen. Aber auf den Kampfeslärm kamen rasch
andere Truppen heran und die Franzosen wurden unter schweren Verlusten
geworfen.
Wir statteten dann auch einem Fliegerlager einen Besuch ab. Wie wir dort
erfuhren, verwendet die deutsche Heeresleitung jetzt vorwiegend Doppeldecker,
weil diese imstande sind, Nutzlasten von fünf bis sechs Zentner zu
befördern. Die mit ihnen zu erreichende Geschwindigkeit von 90 Kilometern
hat sich für die militärischen Erkundungsaufgaben als vollkommen
ausreichend erwiesen und der Führer der Fliegerabteilung bemerkte
sehr richtig, daß ein guter Flieger in einer Stunde mehr sieht,
als die Armee in drei Tagen verarbeiten kann. Über die französischen
Flieger äußerte er sich vor allem dahin, daß ihnen der
persönliche Schneid nicht abzusprechen sei. Als beste Beobachtungshöhe
wurden 1200 bis 1500 Meter bei klarem Wetter angegeben. Die Flugzeuge sind sämtlich
mit den so oft bewährten Mercedesmotoren ausgestattet. Die Beschießung
durch Artillerie wurde als nicht sehr wirksam bezeichnet; dagegen ist
die Beschießung durch Maschinengewehre recht unbequem und gibt Anlaß
zu sofortigem Höhergehen. Die deutschen Apparate haben auch ein vorzügliches
Steigvermögen, da sie im Laufe von 17 Minuten auf 2000 Meter Höhe
zu klettern vermögen. Hier hörten wir auch von dem Tode des
bekannten französischen Fliegers Garros, der so viele Rekorde geschlagen
hatte. Er bekam einen Artillerievolltreffer in seinen Apparat. Im Nu bildete
dieser ein Flammenmeer, dann stürzte er wie ein Stein zur Erde. Im
ganzen sind in dieser Gegend bis jetzt fünf französische Flieger
herabgeschossen worden. Die Flieger hatten an diesem Morgen durch Erkundungsflüge
in der Richtung Stenay - Beaumont - Buraney festgestellt, daß aus
Grand Pré starke Kolonnen nicht gerade in bester Ordnung zurückfluten.
Charakteristisch für die Franzosen ist die miserable Ausnutzung ihres
Gewehrs. Ihre Hauptstärke bleibt der Feuerüberfall. Rasendes
Schnellfeuer und dann gleich wieder in Deckung. Man hat sogar in verlassenen
Stellungen an Hohlwegen richtige Stufen gefunden, die sich die Leute für
die Bedienung der Maschinengewehre angelegt hatten, um rasch oben zu sein;
dann schnell und rasch wieder runter. Ebenso klappen den Franzosen nach
verlorener Schlacht schnell die Nerven zusammen. So stieß ein Trupp
von 250 Versprengten auf eine Fliegerabteilung, die von 14 Mann verteidigt
wurde. Nach kurzem Feuerkampf lagen 35 der Franzosen tot oder verwundet
am Boden. Der Rest ergab sich. Abgesehen von diesen Mängeln, die
im Volkscharakter der Franzosen begründet sind, möchte ich jedoch
betonen, daß die Franzosen, wie sie ja auch bei Longwy bewiesen
haben sich durchweg recht tapfer geschlagen haben.
Longuyon ist zum größten Teil verbrannt worden. Am Tage, an
dem unsere Truppen in Longuyon einrückten, wurde aus den Häusern
geschossen. Die Soldaten drangen in die Häuser ein und diejenigen
Bewohner, die mit der Waffe in der Hand ergriffen wurden, wurden erschossen.
Dagegen schonte man die mit dem Roten Kreuz bezeichneten Häuser,
in die man Verwundete legte.
Wir fuhren dann weiter über das fast gänzlich aufgeräumte
Schlachtfeld, wo nur Helme die letzte Ruhestätte so vieler tapferer
Krieger bezeichnen, über Pillon nach Mangiennes, an einem umgekippten
und verbrannten Lastauto vorbei, den Spuren des Armeekorps nach, dem sich
der alte Graf Haeseler als Kriegsfreiwilliger angeschlossen hat. Unterwegs
trafen wir viele lange Kolonnen, alle scharf rechts fahrend, ohne Unruhe
und Geschrei, alles in tadellosester Ordnung. In dem Dorfe Mangiennes
kreuzten sich zwei Kolonnen. Das Passieren erfolgte in größter
Ruhe. Auf der Höhe von Pillon fanden wir zahlreiche Schützengräben,
auch hatte man dort verschiedene Straßensperren beiseite geräumt.
So waren wir allmählich bis auf 30 Kilometer an Verdun herangekommen
und hatten auch das Ende der verfolgenden deutschen Truppe erreicht. Von
den Höhen südlich von Damvillers konnte man auch den Beginn
der Einschließung der Festung Verdun beobachten.
An dem Wege nach Damvillers passierten wir eine Höhe, auf der die
Franzosen den Chausseegraben recht geschickt ausgebaut und durch Anlage
von Brustständen auch splittersichere Räume zum Schutz gegen
Schrapnellfeuer geschaffen hatten. Ebenso war der dortige Waldrand durch
einen Astverhau gedeckt. Vor Damvillers fuhren wir an einer Anzahl Kollonnenbiwaks
vorbei, am Friedhof von Damvillers lagert ein Feldlazarett. Der Friedhof
selbst war durch Krenelierung der Mauer zur Verteidigung eingerichtet
gewesen und ist nach den vielen Kugelspuren zu schließen, auch tatsächlich
verteidigt worden. Damvillers selbst ist nicht beschädigt. Während
wir so dahinfuhren, flogen über uns zwei Flieger, die gegen die Maas
aufklärten. Sie flogen so tief, daß man deutlich das deutsche
Abzeichen, das "Eiserne Kreuz", auf den unteren Tragflächen
erkennen konnte. Auf dem Marktplatz von Damvillers hatte man dann noch
einen schönen friedlichen Anblick. In der Mitte des Marktplatzes
steht eine alte Linde an einem Brunnen. Um diesen hatten sich die hier
einquartierten Mannschaften eines Reserveregiments versammelt und sie
saßen dort so friedlich, als ob sie zu Haus in ihren Dörfern
auf dem Dorfplatz unter der Heimatlinde säßen. Die Pferde der
so gefürchteten schweren Artillerie des Feldheeres, prachtvolle kräftige
Tiere, kamen gerade vom Tränken zurück und die Feldküchen
verbreiten liebliche Düfte.
Auch hinter Damvillers lag alles voll Truppen. Die wirklich sehr dominierenden
Höhen, die als Anschlußbefestigung an Verdun gedacht waren,
werden die Franzosen, wie bereits erwähnt, nicht mehr besetzen können.
Diese Befestigungen waren an sich ganz gut angelegt, nur hätte man
sie oftmals anders führen müssen, um sie im Interesse eines
guten Schußfeldes ganz dem Gelände anzupassen. Auch hier stach
die schwarze Erde der Brustwehr scharf von der grünen Wiesenfläche
ab.
Wir wendeten uns nun nach Landres. Hier kam uns eine Brigade entgegen.
Die Leute waren seit dem frühen Morgen auf dem Marsche, aber frisch
kamen sie heran und man sah keine Müdigkeit oder Abspannung trotz
der glühenden Hitze des Tages. In dunkler Nacht fuhren wir über
Spincour, Audun le Roman nach Fentsch, der deutschen Grenzstation zurück.
Wir hatten nur zwei Automobile bei uns und die Fahrt durch die menschenleeren,
verbrannten Dörfer im gespenstisch leuchtenden Mondschein war seltsam
erregend. Überall der Geruch des Schlachtfeldes, dieser scheußliche
Brandgeruch, den man nur durch intensivstes Rauchen wieder einigermaßen
los wird. Wir mußten oftmals halten, um uns zu orientieren und dann
hielten wir alle die Repetierpistolen schußbereit, denn mit den
Franktireuren ist nicht zu spaßen, und da heißt es auf der
Hut sein. Auch die Fahrt durch die tiefeingeschnittenen Hohlwege in diesem
bergigen Gelände, wo man so leicht eine auf den Pelz bekommen kann,
hat ihre eigenen Reize, immerhin war ich froh, als ich endlich in einem
Dorfe das "Halt! Wer da?" unsern Leute hört.
Ein Landsturmmann stand da, schußbereit, neben ihm ein Kamerad.
Von da an begann die Sicherungslinie. Alle 300 Meter standen Doppelposten
zur Sicherung unserer rückwärtigen Verbindungen, an allen Wegen
waren Feldwachen und selbständige Unteroffiziersposten. In einem
halbverbrannten Dorfe saß an einer Ecke neben einer Hausruine ein
Häuflein Landsturmleute vergnügt um das Feuer. Die Nacht war
warm und es ging vorwärts. Was wollen sie mehr. Fröhlich winkten
sie uns zu, als wir vorbei fuhren. Wenn wir nur siegen, was machen da
alle Strapazen aus. In diesem rücksichtslosen Ausschalten der eigenen
Persönlichkeit liegt ein großer Teil unserer Erfolge begründet.
In tiefer Nacht fuhren wir an marschierenden Kolonnen vorbei und passierten
kleine Telegrapbenabteilungen, die ohne an Gefahr und Franktireurs zu
denken, nur mit dem Legen ihrer Leitung beschäftigt waren. Endlich
kamen wir in unserem Quartier an. Es war ein unvergeßlicher Tag
für uns gewesen, und vor allem: es ging auf der ganzen Linie mit
Riesenschritten vorwärts.
Der Hergang der Schlachten war kurz folgender:
Nachdem am 11. August bei Lagarde und am 12. bei Baronweiler Angriffe
der im Aufmarsch befindlichen Streitkräfte siegreich für die
Deutschen geendet hatten, gingen die deutschen Truppen vor den zwischen
Nancy und Belfort nach Nordosten vorgehenden französischen Streitkräften
zurück. Dieses Zurückweichen der deutschen Heeresmassen endete
am 19. August in der Linie Metz - Morville - Bensdorf - Finstingen - Pfalzburg.
Die französischen Heeresmassen waren den Deutschen gefolgt.
Am 20. August gingen die Deutschen überraschend zum Angriff über
und warfen die Franzosen über die Linie Delme - Chateau Salins -
Marsal - Bispingen zurück, während Saarburg noch von den Franzosen
gehalten wurde.
Die heftigsten Kämpfe fanden bei Conthil zwischen Dieuze und Vergaville
und bei Saarburg statt.
Am 21. August erneuerten die Deutschen ihren Angriff und warfen die Franzosen
zurück in die Linie Moncel - Arracourt - Bourdonnaye - Gondrexange
- Hessen - Walscheid. Am 21. August fiel Saarburg wieder in deutsche Hände.
Der heftigste Kampf hat bei Saarburg getobt. Gleichzeitig drangen durch
die Vogesen starke Kräfte aus St. Quirin vor, wo heftige Kämpfe
stattfanden, die für die Deutschen siegreich verliefen.
Am 22. August setzten die Deutschen das Nachdrängen hinter dem geschlagenen
Feinde fort, und am 23. August wurde ihr rechter Flügel durch Angriffe
aus Nancy und weiter südlich festgehalten, auch fanden am selben
Tage heftige Kämpfe bei Lunéville statt.
Am 24. August stand die Armee des Kronprinzen von Bayern in der allgemeinen
Linie Blainville - Gerbeviller - Flin - Pole - Cirey, auch wurde an diesem
Tage der Donon zurückerobert.
Am 25. August standen die deutschen Truppen in der Linie gegenüber
Nancy, vorwärts Luneville, bei Blainville - Gerbviller - Menil (südlich)-Baccarat
- St. Die und südlich davon. Die Verfolgung wurde fortgesetzt.
Diese vorstehend gemachten Angaben sind auf einen Vortrag aufgebaut, der
uns von einem Generalstabsoffizier, dem Chef der Nachrichtenabteilung,
gehalten wurde. Ein sehr wesentliche Rolle spielte in diesen Kämpfen
ebenso wie in den Kämpfen bei der Armee des deutschen Kronprinzen
die große Schnelligkeit, mit der die Offensive erfolgte. Die Franzosen
wurden durch diesen plötzlichen Übergang der Deutschen aus rückgängiger
Bewegung zur Offensive vollkommen überrascht. Den Brennpunkt des
Kampfes bildete die das Vorgelände weit überragende Höhe
zwischen Vergaville und Dieuze. Es ist eine mächtige Position, die
eine ganz vorzügliche Stellung für Artillerie bietet, umsomehr
als auch das Vorgelände fast deckungslos ist.
In Vergaville sah man noch Spuren des Kampfes, vorwiegend von Granaten.
So hatte eine Granate ein Stück einer Hausmauer herausgerissen, die
dann durch eingeschobene Holzbalken gestützt wurde. Am Bahnhof von
Geling vorbei fahren wir nach der Höhe 330, welche die dominierende
Position gegen Mörchingen und Conthil bildet. Auf der Höhe liegt
die Ferme Neu-Köcking, vor der Front der Ort Liedersingen im Grunde.
Hier hat am 20. ein bayerisches Armeekorps sehr schwer kämpfen müssen,
um diese Anhöhe zu gewinnen Die Ferme Neu-Köcking ist ausgebrannt.
Von ihr stehen nur noch Ruinen. Von der Höhe 330 sieht man noch die
Stellen in den Kornfeldern, wo die Deutschen den Hang im Angriff auf die
Höhe 330 hinabstiegen. Das Schußfeld ist für Artillerie
von hier ausgezeichnet, für Infanterie infolge eines toten Wickels
nicht so günstig. Von der Wut des Kampfes zeugen auch die zahlreichen
durchschossenen Bäume auf der Höhe 330. Auch in Liedersingen
hat der Kampf heftig getobt. Hier hatten die Franzosen auf den Kirchturm
ein Maschinengewehr postiert. Ein Volltreffer der deutschen Artillerie
zerschmetterte den Kirchturm, und Glocken und Maschinengewehr stürzten
in die Tiefe. Ein großes Loch im Kirchturm aber zeugt von der großartigen
Treffsicherheit unserer Artillerie.
Von Liedersingen fuhren wir nach Metz zurück. Wir bewunderten das
vorzüglich angelegte Feldbahnnetz, das die Stadt mit den Forts und
die Forts untereinander verbindet. In der Luft stand zur Beobachtung ein
Fesselballon. Auf der Rückfahrt nach unserem Quartier sahen wir noch,
daß die Brückenköpfe der wichtigen Bahnanlagen durch Scheinwerfer
und Maschinengewehre gegen Fliegerangriff gesichert waren.
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