Der Weltkrieg am 2. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

Feste Givet gefallen

Großes Hauptquartier, 2. September.
Die Feste Givet ist am 31. August gefallen.

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Zehn französische Armeekorps geschlagen

Großes Hauptquartier, 2. September.
Die mittlere
Heeresgruppe der Franzosen - etwa zehn Armeekorps - wurde gestern zwischen Reims und Verdun von unseren Truppen zurückgeworfen. Die Verfolgung wird heute fortgesetzt. Ein französischer Vorstoß aus Verdun wurde abgewiesen. Seine Majestät der Kaiser befand sich während des Gefechts bei der Armee des Kronprinzen und verblieb die Nacht inmitten der Truppen. 

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Die Schlacht bei Saint Quentin

Großes Hauptquartier, 2. Septbr.  
Wie nachträglich
gemeldet wird, hatte die Armee des Generals v. Bülow in der für sie siegreichen Schlacht bei St. Quentin vier französische Armeekorps und drei Reservedivisionen gegen sich. Die Schlacht selbst hat zwei Tage gedauert.

 

Trübe Lage in Frankreich

Paris, 2. Septbr. (Indirekt.)   
Das   Kriegsministerium kündigt an, daß die Regierung auf den Rat der Militärbehörden Paris verläßt.  Es sei nicht wahrscheinlich, daß die Deutschen Paris angreifen, aber Paris werde das Zentrum der militärischen Manöver, weshalb sich die Maßregel empfehle. Der amerikanische Botschafter bleibt in Paris, um den Schutz der Deutschen und der Österreicher auszuüben. Der Sitz der Regierung wird wahrscheinlich wie im Jahre 1870 Bordeaux sein.

Paris, 2. Septbr.  (Priv.-Tel.; indirekt.)  
Paris bietet das Bild einer halbtoten Stadt.  Die Zeitungsjungen
dürfen die Blätter nicht mehr laut ausrufen. Die Überschriften der Artikel in den Zeitungen dürfen nicht mehr sensationell sein und nicht mehr über zwei Spalten gedruckt werden. Der Präsident des Munizipalrates erließ ein Manifest, in dem er der nicht waffentragenden Bevölkerung rät abzureisen, damit keine unnützen Münder in Paris sind. Auch der Kriegsminister hob die Vorschriften auf, die bisher während der Kriegszeiten für Reisen nötig waren. Infolge dessen verläßt die Bevölkerung in Scharen die Hauptstadt.

 

Die deutschen Flieger über Paris

Paris, 2. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Meldung der
Agence Havas. An vier anderen Stellen der Stadt sind ebenfalls von einem deutschen Flieger Bomben niedergeworfen worden.

Amsterdam, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Aus Paris kommt eine offizielle Meldung, daß die Stadt trotz des Erscheinens deutscher Flieger, die Bomben fallen lassen, ruhig bleibe. Entgegen dieser zensierten Nachricht ist die Aufregung in Paris so groß, daß der amerikanische Botschafter in Paris (wie schon berichtet wurde) gegen das Bombenwerfen aus Flugzeugen protestiert, wobei der Herr vergißt, daß französische Flieger vorher das gleiche, allerdings erfolglos, in Deutschland versuchten.
Der „Temps“ sagt, in einer Erörterung über das neue Ministerium, daß Viviani sofort nach Ausbruch des Krieges neue Mitarbeiter suchen wollte, jedoch sei jetzt nicht der Zeitpunk, um zu enthüllen, weshalb. Es genüge zu sagen, daß die Schlaffheit des einen und die Voreingenommenheit des anderen das Vaterland in Gefahr brachte. Glücklicherweise sei der kurze Zeit gehegte Plan, doppelte Ministerien zu bilden, fallen gelassen worden.

Rom, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Die Pariser Briefe der hiesigen Blätter fahren fort, die Lage in der Hauptstadt in den düstersten Farben zu schildern. Offenbar schiebt man alle Schuld dem früheren Kriegsminister Messimy zu, der Günstlinge der radikalen Partei an wichtige Kommandostellen gebracht haben soll, so den General Percin nach Lille, der abberufen werden mußte, weil er die Verteidigung vernachlässigte.
Italienische Arbeiter aus Lille berichteten, daß die fliehende Besatzung von Lille Kanonen in den Straßen zurückgelassen habe. Kinder hätten darauf gespielt. Für die Reservisten und die Landwehr fehlten Waffen und Uniformen. Der Mangel an Artillerie macht sich bereits fühlbar. Die Polemiken gegen das Parlament lassen auf einen nahen Ausbruch der Revolution schließen.

 

Aus Belgien

Amsterdam, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
In Brüssel greife das Elend um sich. 38 000 arme Familien sind ohne Nahrung. Der Gemeinderat versammelte sich, um helfend einzugreifen. Der Großherzog von Mecklenburg wohnt im Rathaus. Das Militärkommando befindet sich im Ministerium.  Das Schloß
wird als Lazarett benutzt.
Der völlig unsinnige Haß gegen die Holländer ist in Brüssel in den letzten Tagen wieder zum Ausbruch gekommen, da sich die Brüsseler nicht ausreden lassen, Holland habe den Durchmarsch deutscher Truppen erlaubt.
Ein englischer Flieger wurde in der Nähe von Ostende von Deutschen heruntergeschossen.
In Mecheln wurde beim Bombardement Rubens berühmtes Bild „Der wunderbare Fischfang“ in der Liebfrauenkirche vernichtet.

Amsterdam, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Ein deutscher Zeppelin - Luftkreuzer erschien neuerdings über Antwerpen und zerstörte durch Bomben zehn Häuser. In der Stadt brach eine große Panik aus. Das Luftschiff flog unbeschädigt zurück.
Deutsche Truppen haben Alost besetzt.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Sieg der Armee Auffenberg

Moritz Ritter von Auffenberg
Moritz Ritter von Auffenberg

Wien, 2. September, 9 Uhr vormittags 
Die einwöchige erbitterte Schlacht im Raum Zamosc-Tyszowcke führte gestern zum vollständigen Siege der Armee Auffenberg. Scharen von Gefangenen und bisher 160 Geschütze wurden erbeutet. Die
Russen befinden sich im Rückzug über den Bug. Auch bei der Armee Dankl, die nun Lublin bedroht, sind ununterbrochene Erfolge zu verzeichnen.
In Ostgalizien ist Lemberg noch in unserem Besitz. Gleichwohl ist dort die Lage gegenüber dem starken und überlegenen russischen Vorstoß sehr schwierig.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor. 1)

 

Der Sieg unserer Verbündeten

Kriegspressequartier, 2. Septbr. 
Der offensive Vorstoß der Armeen Dankl und Auffenberg, unter denen sich die Korps Puhallo und Boroevic besonders ausgezeichnet haben, ist bisher von immer steigendem Erfolge gekrönt. Er hat nunmehr in außerordentlich hartnäckigen Kämpfen den endgültigen Sieg errungen. Die Schlacht wurde besonders dadurch erschwert, daß die russische Artillerie die Stellungen vorzüglich verteidigte. Auch hatte der Feind eine Spionage in allergrößtem Umfang organisiert und dazu die Hilfe der einheimischen Bevölkerung in Anspruch genommen, was das Vorgehen unserer Truppen vielfach sehr erschwerte. Die Bevölkerung verriet mehrmals dem Feinde die österreichisch-ungarischen Stellungen und Anmarschlinien durch vereinbarte Rauchfeuer, durch Spiegelsignale und sogar durch Veranstaltung kirchlicher Prozessionen. Trotzdem gelang es der österreichischen Artillerie, die mit größter Wirkung wahre Schießkunststücke vollbrachte, das Gelände zum endgültigen Vorgehen der Truppen vorzubereiten. Im Norden ist mit dem Siege der Armee Auffenberg die Aufgabe der österreichisch-ungarischen Truppen voraus erreicht und die Niederlage der Russen vollständig. Schwere Kämpfe finden noch vor Lemberg statt.

 

Kriegerische Stimmung in der Türkei

Rom, 2. Septbr. (Indirekt. Priv.-Tel.) 
Aus Ägypten wird gemeldet, daß England eine kleine Flotte von Kreuzern und Torpedojägern an der syrisch-palästinischen Grenze kreuzen läßt, weil Gerüchte umlaufen, die Türkei sammle in Syrien ein Heer, um in Ägypten einzufallen.

 

Die Lage im Balkan

Wien, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Die russischen Pressionen auf Bulgarien dauern fort. Die "Südslawische Korrespondenz" meldet, daß der russische Gesandte die Opposition versammle und ihr für den Fall wohlwollender Neutralität in einem russisch-türkischen Krieg die Grenzen von San Stefano oder die Linie Enos-Midia versprochen habe. Die Opposition verlangte einen Kronrat, den der König aber verweigert. In Wiener offiziellen Kreisen ist man bezüglich der Haltung Bulgariens beruhigt.

Rom, 2. Septbr. (Priv.-Tel.) 
Wie verlautet, versuchte Rußland noch kürzlich Bulgarien dadurch zur Intervention für den Dreiverband zu bewegen, daß es Abtretungen jetzt serbischer Gebiete in Mazedonien versprach. Der egoistische russische Plan ist jedoch an der Weigerung Serbiens gescheitert, bindende Verpflichtungen zu übernehmen. Darauf griff Rußland, wie schon von anderer Seite gemeldet wurde, zu Drohungen. Es erklärte, Warna bombardieren zu wollen, falls Bulgarien den Durchzug türkischer Truppen gestatte.

Sofia, 2. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Wie die Blätter
melden, wurde die große Wardarbrücke bei Guemendsche von den mazedonischen Revolutionären vollständig zerstört. Infolge der unaufhörlichen Verfolgungen der Mazedonier durch die serbischen Behörden beginne die Gärung unter der Bevölkerung gefährliche Formen anzunehmen, so daß weitere Anschläge zu erwarten seien. "Kambana" wendet sich gegen die unaufhörlichen Aufforderungen der russischen Panslawisten, Bulgarien möge Rußland zu Hilfe kommen, und sagt, alle diese Hilferufe könnten höchstens die russischen und serbischen Werkzeuge in Bulgarien rühren. Das bulgarische Volk werde dagegen ein kaltes, verschlossenes Herz bewahren.
Die bulgarische Selbstverleugnung gehe nicht so weit, daß Bulgarien sich selbst das Grab grabe, wie die endlosen russischen Aufrufe verlangen.

 

Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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