Der Weltkrieg am 23. Oktober 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erfolgreiche Angriffe bei Lille -
Russische Angriffe bei Augustow abgeschlagen

Großes Hauptquartier, 23. Oktober, vormittags.
Am Yserkanal wurden gestern Erfolge errungen. Südlich Dixmuiden sind unsere Truppen vorgedrungen. Westlich Lille waren unsere Angriffe erfolgreich. Wir setzten uns in Besitz mehrerer Ortschaften. Auf der übrigen Front des Westheeres herrschte im wesentlichen Ruhe.
Im Osten wurden russische Angriffe in Gegend westlich Augustow zurückgeschlagen, dabei mehrere Maschinengewehre erbeutet.
Vom südöstlichen Kriegsschauplatz liegen noch keine abschließenden Meldungen vor.
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Die Kriegsschiffe vor Nieuport

Amsterdam, 23. Oktober. (Reuter.)
Aus Dover wird gemeldet: Eine Flottille, bestehend aus drei für eine fremde Nation gebauten, für die Flußschiffahrt bestimmten Fahrzeugen mit sechszölligen Geschützen, begleitet von Avisos und Torpedobooten, ist plötzlich am Samstag Nachmittag quer über den Kanal abgereist. Am Sonntag Abend hörte man in Dover Kanonendonner. Ein Boot der Flottille brachte am Montag morgen sieben Mann zurück, die während der Beschießung der deutschen Verschanzungen bei Nieuport am Abend vorher verwundet worden waren.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Zwei russische Divisionen bei Iwangorod geschlagen

Wien, 23. Oktober, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Während gestern in der Schlacht südlich von Przemysl hauptsächlich unsere gegen die feindlichen Stützpunkte entsandte schwere Artillerie das Wort hatte, entwickelt sich heute ein heftiger Kampf am unteren San, wo wir den Gegner an mehreren Punkten auf das westliche Ufer übergehen ließen, um ihn angreifen und schlagen zu können. Die übergegangenen russischen Kräfte sind bereits dicht an den Fluß gepreßt. Bei Zarzecze machten wir über 1000 Gefangene. Teile unseres Heeres erschienen überraschend vor Iwangorod, schlugen zwei feindliche Divisionen und nahmen 3600 Russen, erbeuteten eine Fahne und fünfzehn Maschinengewehre.
Bei der Rückkehr von einer erfolgreichen Aktion auf der Save stieß unser Flussmonitor "Temes" auf eine feindliche Mine und sank. Von der Besatzung werden 33 Personen vermißt; die übrigen wurden gerettet.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Von unseren kühnen Kreuzern

Amsterdam, 23. Oktober. (Priv.-Tel.)
Der "Exchange Telegraph" meldet aus Colombo: Der Schaden, den die "Emden" der englischen Kauffahrteiflotte beibrachte, wird auf ungefähr zwei Millionen Pfund geschätzt

London, 23. Oktober. (W. B. Nichtamtlich. Reuter.)
Die Tätigkeit der "Emden" erweckt, obwohl sie äußerst ärgerlich ist, bei dem englischen Volke eine gewisse Bewunderung, insbesondere da der Kommandant, dessen Tapferkeit und Unerschrockenheit unbezweifelbar ist, bei jeder Gelegenheit Menschlichkeit und Ritterlichkeit bewiesen hat. Jedoch herrscht in der ganzen britischen Marine das allgemeine Gefühl, daß die Zeit nahe sei, wo wirksame Maßnahmen für die Wegnahme des Schiffes getroffen werden.

London, 23. Oktober. (W. B.)
Das Reutersche Bureau meldet aus Las Palmas: Der deutsche Dampfer "Crefeld" ist in Teneriffa eingelaufen mit den Mannschaften von dreizehn britischen Dampfern an Bord, die der deutsche Kreuzer "Karlsruhe" im Atlantik versenkt hat. Die Gesamttonnage der versenkten Dampfer beläuft sich auf 60 000 Tonnen.

 

Die Kämpfe um Tsingtau

Rotterdam, 23. Oktober. (Priv.-Tel.)
Die Festung Tsingtau ist von zwei japanischen Kriegsschiffen und dem englischen Linienschiff "Triumph" bis heute ohne Erfolg beschossen worden. Am 14. Oktober wurde dabei das Oberdeck des "Triumph" durch einen schweren Haubitzentreffer durchschlagen. Das deutsche Kanonenboot "Jaguar" ist leicht beschädigt worden.

Berlin, 23. Oktober. (Priv.-Tel.)
Aus Schanghai kommt über Rotterdam folgende Meldung: Sicherem Vernehmen nach ist der japanische Kreuzer "Takatschiho" vor Tsingtau nicht auf eine Mine gestoßen, sondern durch einen Angriff des Torpedobootes "S 90" vernichtet worden. Das Torpedoboot wurde nach dem Angriff 60 Seemeilen südlich von Tsingtau auf Strand gesetzt und gesprengt. Die Mannschaft ist gerettet. Der Materialschaden, der unseren Schiffen in Tsingtau durch das Sprengen des Bootes zugefügt worden ist, ist sehr gering. Das Torpedoboot sollte schon außer Dienst gesetzt werden und keine Verwendung mehr finden.

 

Aus den französischen Kolonialberichten

Paris, 23. Oktober. (Priv.-Tel.)
Über die im Kongo- und im Kamerun-Gebiet eingetretenen Ereignisse macht die französische Kolonialpresse jetzt folgende Mitteilungen: Schon am 5. August begab sich der Hauptmann de Beon mit dreihundert Schützen von Bangi zu Schiff nach Zinga, wo er in der Nacht vom 7. auf den 8. August ankam und sofort den deutschen Posten überfiel. Die Offiziere wurden in ihren Betten überrascht und gefangen genommen. Die deutschen Eingeborenenschützen gaben einige Schüsse ab und verwundeten drei französische Schützen leicht. Die Franzosen fanden in dem Posten 4000 Mark an Geld, 10 Tonnen Reis, ferner Mausergewehre und landwirtschaftliche Geräte; sie brachten alles nach Bangi. Es sei ein Versuch der Wiedereroberung Zingas gemacht worden, wogegen der belgisch-französische Kongo und das Ubanghi-Gebiet unter französischer Herrschaft stünde. Weiter nördlich habe der General Largeau versucht, das Blockhaus von Kusseri, das durch eine starke Garnison verteidigt sei, im Sturm zu nehmen, habe sich jedoch zurückziehen müssen aus Mangel an schweren Geschützen. Ende August hätten die Deutschen den französischen Grenzposten von Wesso erstürmt, doch hätten die Franzosen ihn fünf Tage später wieder besetzt. Der mit den Deutschen befreundete Sultan Karnak von Logone sei getötet und seine Anhänger zerstreut worden. Den September habe ein englisch-französisches Landungskorps unter dem englischen General Daubel zu einer Expedition verwendet, die zunächst zur Einnahme von Duala geführt habe. Am 1. Oktober sei es zu einem Kampf gekommen, bei dem die Deutschen unterlegen seien. Außer zahlreichen Eingeborenen seien dreihundert Deutsche gefangen genommen und nach Dahomey gebracht worden. Die Deutschen hätten sodann den Rückzug in geschlossenen Reihen angetreten. Nach den letzten Nachrichten fehle es ihnen jedoch bereits an Munition und Proviant.

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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