Der Weltkrieg am 14. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Ein russisches Armeekorps bei Wloclawec geschlagen

Großes Hauptquartier, 14. November, vormittags.
Die Kämpfe in Westflandern dauern noch an, in den letzten Tagen behindert durch das regnerische und stürmische Wetter. Unsere Angriffe schritten weiter langsam vorwärts. Südlich Ypern wurden 700 Franzosen gefangengenommen. Englische Angriffe westlich Lille wurden abgewiesen. Bei Berry-au-Bac mußten die Franzosen eine beherrschte Stellung räumen. Im Argonnerwalde nahm unser Angriff einen guten Fortgang; die Franzosen erlitten starke Verluste und ließen auch gestern wieder über 150 Gefangene in unseren Händen.
In Ostpreußen dauern die Kämpfe noch an. Bei Stallupönen wurden 500 Russen gefangengenommen, bei Soldau fiel noch keine Entscheidung. In der Gegend von Wloclawec wurde ein russisches Armeekorps zurückgeworfen, 1500 Gefangene und 12 Maschinengewehre fielen in unsere Hände.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Das Überschwemmungsgebiet von Nieuport

Die Überflutung des Küstenabschnitts von Nieuport hat in den letzten Oktobertagen den erbitterten Kämpfen um den Besitz der Ysermündung und um die Eröffnung des nächsten Weges nach Dünkirchen ein Ende gemacht. Daß die Überschwemmung zu erwarten sei, wußte man. Nicht nur das Nieuporter Gebiet, sondern auch die Umgebung von Furnes forderte die Durchstechung der Dämme der hochliegenden Wasserläufe direkt heraus. Aber ein Vorstoß über Ypern gegen Dünkirchen und Calais setzte voraus, daß jede Bedrohung unserer Flanke von der Linie Furnes-Nieuport her möglichst ausgeschlossen sei. Zudem konnte eine rasche Erstürmung gerade des Abschnitts von Nieuport unter Umständen der Überflutung zuvorkommen. Vom Standpunkt der Belgier aus durfte die Überschwemmung nur dann herbeigeführt werden, wenn der Abschnitt auf andere Weise nicht mehr zu halten war oder wenn die Öffnung der Dämme die Vernichtung des ins Flachland eingedrungenen Feindes versprach. Nicht um das Land vor der Verwüstung durch die Flut zu schonen, sondern aus strategischen Gründen. Für die Deutschen ist allein wesentlich, daß der Yserabschnitt für den Feind als Ausgangspunkt einer wirksamen Offensive ausgeschaltet ist. Die Ausfälle bei Nieuport dürften auch künftig ohne Bedeutung sein. Die Überflutung als Angriffsmittel ist bekanntlich fehlgeschlagen, denn Dank unserer vorzüglichen Disziplin und Ruhe konnte das gefährliche Gebiet in Ordnung und ohne Schaden geräumt werden.
Über die technischen Voraussetzungen der Überflutung und die Art ihrer Durchführung schreibt der Berichterstatter für den westlichen Kriegsschauplatz folgendes:

Großes Hauptquartier, 14. November. 
Die Yser mündet bei dem kleinen Badeort Nieuport. Das gleichnamige Städtchen (von 4000 Einwohnern) liegt etwas stromauf. Die Mündung der Yser ist sehr breit, und ihr Wasserstand schwankt infolge des Wechsels von Ebbe und Flut. Dieser wechselnde Wasserstand ist nun, außer für die Regulierung der auf beiden Ufern von hoben Flutdämmen eingefaßten Yser, auch für die dauernde Schiffbarmachung der beiden Kanäle benutzt worden, welche sich von Nieuport aus in nordwestlicher und südwestlicher Richtung (Furnes-Nieuport-Kanal) hinziehen. Das Niveau dieser beiden Kanäle ist ebenfalls höher als das des umgebenden Flachlandes, welches unter dem Meeresspiegel liegt. Vor Wassereinbruch ist das Flachland jedoch durch die der Nordsee vorgelagerte Dünenkette, die hohen Flutdämme der Yser und der Kanäle sowie durch ein vorzügliches Schleusensystem geschützt. Um nun die Überschwemmungen herbeizuführen, haben die Belgier in der Umgebung von Nieuport die Schleusenanlagen zerstört und die Dämme durchstochen. Sobald nun die Flut kam, staute sich die Yser und die mit ihr verbundenen Kanäle und ihr Wasser ergoß sich über das Flachland, das weithin unter Wasser geriet. Die Stadt Nieuport selbst ist vor Überflutung geschützt. Der Wasserstand der Überschwemmungsgebiete schwankt je nach Flut und Ebbe, ist aber doch derart, daß Bewegungen im Überschwemmungsgebiete für beide Teile ausgeschlossen sind.

Walter Oertel, 
Kriegsberichterstatter.
2)

 

Der polnisch-galizische Feldzug

Budapest. 14. November. (W. B.) 
Im "Pester Lloyd" veröffentlicht Feldmarschall-Leutnant Schay einen aufklärenden Artikel über die Lage auf dem russischen Kriegsschauplatz, in dem es u. a. heißt: Dem Laien ist Zurückgehen identisch mit Geschlagensein, obzwar ein Fechter, der durch einen Sprung nach rückwärts einem gefährlichen Hieb des Gegners ausweicht, gewiß nicht für besiegt erklärt wird. Der Vorteil der Rückzugsoperationen der österreichisch-ungarischen und der deutschen Armee liegt in folgendem: Den Russen fehlt jetzt zunächst die Unterstützung durch die drei mächtigen Weichselfestungen und das gewaltige Hindernis der Weichsel-San-Linie. Somit käme nur noch der große Kräfteüberschuß der Russen zur Geltung. Aber auch dieser Kräfteüberschuß wird bedeutend vermindert sein. Die Entfernung von der Weichselstrecke Nowogeorgiewsk-Iwangorod westlich bis zur deutschen Grenze beträgt rund 200 Kilometer. Auf dieser langen Strecke laufen nunmehr die naturgemäß empfindlichen Verbindungslinien der Russen, die durch namhafte Kräfte gesichert werden müssen. Durch Einschließung der vor unserer Front liegenden Festungen Przemysl und eventuell auch Krakau geben den Russen weitere Kräfte für die offene Feldschlacht verloren. Die Stellungen der Verbündeten sind ferner dadurch verbessert, daß den Russen für Kräfteverfügungen hinter ihrer Front nunmehr keine so leistungsfähigen Bahnen zur Verfügung stehen, wie östlich der Weichsel. Hervorzuheben ist auch, daß infolge des Vordringens der Russen in Polen ihr Rücken, wenn auch nur indirekt, durch die Österreicher und Ungarn in Galizien bedroht erscheint, was die Aufmerksamkeit der Russen und eventuell auch mehr Truppen als bisher in diese heikle Richtung lenkt. Durch Zurücknehmen der verbündeten Armeen hat sich also ihre Lage gegenüber den Verhältnissen an der Weichsel bedeutend gebessert, und der Nachteil des Aufgebens einer bereits erreichten Stellung wird reichlich durch die Vorteile der neuen Situation wettgemacht.
2)

 

 Der türkische Heeresbericht:

Siegreiches Vorgehen der Türken

Konstantinopel, 14. November. (W. B.)
Amtliche Mitteilung aus dem Hauptquartier:
Unsere Truppen haben die Stellung von Kotur in der persischen Provinz Aserbaidschan besetzt, die bisher von den Russen besetzt war Diese wurden geschlagen und flohen. Heute haben leichte Gefechte zwischen unseren verfolgenden Truppen und ihrer Nachhut stattgefunden. Die Kämpfe bei Köpriköi waren sehr heftig. Unsere Truppen zeigten eine wirklich außergewöhnliche Tapferkeit. Ein Regiment machte drei Bajonettangriffe gegen die Höhe 1905, in deren Verlauf der Kommandeur und die meisten Offiziere eines Bataillons fielen. Endlich drangen unsere Truppen mit einer Tapferkeit, die auch in der ruhmreichen ottomanischen Geschichte ehrenvoll hervortritt, in diese Stellungen ein. Nicht ein Mann von der feindlichen Besatzung dieser Höhe ist entkommen. Unter der sehr großen Beute befindet sich viel Befestigungsmaterial. Gegen die bei Fao an der Küste in der Provinz Bassora gelandeten Engländer wurde ein heftiger Angriff unternommen; von den Engländern fielen sechzig.

Konstantinopel, 14. November. (W. B.)
Eine Mitteilung des türkischen Hauptquartiers besagt: Die nach den türkischen Transportschiffen "Bezemialen", "Bachriaehmer" und "Midlat Pascha" angestellten Nachforschungen haben ergeben, daß diese Schiffe, die vor der Beschießung Songuldaks abgingen, um zum Truppentransport zwischen früher genannten Orten zu dienen, mit der russischen Flotte, die Songuldak bombardierte, zusammenliefen und von ihr versenkt wurden. Die Besatzungen in der Stärke von 219 Mann und einige Passagiere wurden nach russischen Berichten von den Russen gefangen genommen. Der Verlust dieser Schiffe ist bedauerlich, aber sie werden durch drei bessere den Russen weggenommene russische Schiffe ersetzt, die die Namen der drei versenkten Schiffe erhalten.
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Eine Proklamation Enver Paschas

Enver Pascha
Enver Pascha

Konstantinopel, 14. November. (W B.) 
Die "Agence Ottomane" veröffentlicht folgende vom Vizegeneralissimus Enver Pascha an die Armee gerichtete Proklamation:

Kameraden! 
Ich teile Euch hierdurch das erhebende Irade unseres geliebten Oberkommandanten, Sr. Majestät des Kalifen, unseres erlauchten Herrn mit. Unsere Armee wird mit Hilfe Gottes und dem Beistand des Propheten und durch die frommen Gebete unseres Souveräns unsere Feinde vernichten. Der bis heute von den Offizieren und Soldaten, unseren Kameraden, zu Lande und zu Wasser bezeugte Heldenmut ist der beste Beweis dafür, daß unsere Feinde werden vernichtet werden. Kein Offizier, kein Soldat darf vergessen, daß das Schlachtfeld das Feld des Opfers ist. Die Geschichte ist Zeuge dafür, daß es keine so standhafte, so opferbereite Armee gibt, wie die ottomanische. Wir alle müssen daran denken, daß über uns die Seelen des Propheten und aller übrigen Heiligen schweben, und daß unsere ruhmreichen Vorfahren unsere Taten verfolgen. Wenn Ihr beweisen wollt, daß wir ihre wahren Kinder sind, wenn Ihr dem Fluch der Nachwelt entrinnen wollt, dann laßt uns arbeiten. 300 Millionen Muselmanen beten für unseren Sieg. Niemand kann dem Tode entrinnen. Wie glücklich sind diejenigen, die vorwärts stürmen. Wie glücklich sind diejenigen, die als Märtyrer fallen auf dem Wege für Glauben und Vaterland. Vorwärts, immer vorwärts, Sieg, Ruhm und das Paradies sind vor uns, Tod und Schande hinter uns. 
Es lebe unser Padischah!"
2)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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