Der Weltkrieg am 20. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die deutsche Offensive südlich Plozk

Großes Hauptquartier, 20. November, vormittags.
In Westflandern und Nordfrankreich keine wesentlichen Änderungen. Der aufgeweichte, halb gefrorene Boden und Schneesturm bereiteten unseren Bewegungen Schwierigkeiten. Ein französischer Angriff bei Combres südöstlich Verdun wurde abgewiesen.
An der Grenze Ostpreußens ist die Lage unverändert. Östlich der Seenplatte bemächtigten sich die Russen eines unbesetzten Feldwerkes und der darin stehenden alten unbeweglichen Geschütze. Die über Mlawa und Lipno zurückgegangenen Teile des Feindes selten ihren Rückzug fort. Südlich Plozk schritt unser Angriff fort. In den Kämpfen um Lodz und östlich Czenstochau ist noch keine Entscheidung gefallen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Siegreicher Fortgang der Schlacht in Polen

Wien, 20. November, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Auch gestern hatten die Verbündeten in Russisch-Polen überall Erfolge. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Zahl der gefangenen Russen nimmt zu. Vor Przemysl erlitt der Feind bei einem sofort abgeschlagenen Versuch, stärkere Sicherungstruppen näher an die Südfront der Festung heranzubringen, schwere Verluste.

 Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.

Wien, 20. November.
Vom südlichen Kriegsschauplatz wird amtlich gemeldet:
20. November: Die partiellen Kämpfe an der ganzen Front dauern fort. Der Angriff auf die befestigte Stellung von Lazarevatz macht günstige Fortschritte. Gestern wurden 7 Offiziere und 660 Mann gefangengenommen. Es herrscht eine ungünstige Witterung; auf den Höhen liegt der Schnee ein Meter hoch. Die Niederungen sind überschwemmt.
1)

 

 Der türkische Heeresbericht:

Erfolge der türkischen Flotte

Konstantinopel, 20. November. (W. B.)
Amtlicher Bericht des Hauptquartiers:
Eine russische Flotte von zwei Linienschiffen und fünfzehn Kreuzern hat sich, verfolgt von unserer Flotte, nach Sewastopol geflüchtet. Eine Flottille von Torpedobooten ist in einen russischen Hafen geflüchtet.
2)

 

Der "Tennessee"-Zwischenfall

New York, 20. November. (Priv.-Tel.)
Der Marinesekretär instruierte die Kriegsschiffe, im Mittelmeer keine Aktion zu unternehmen, welche der Regierung Verlegenheiten bereiten könnte. Die baldige Beilegung des Tennessee-Zwischenfalles wird erwartet.

Amsterdam, 20. November. (Priv.-Tel.)
Aus Washington wird gemeldet: Die Regierung beauftragte den amerikanischen Botschafter in Konstantinopel, Aufklärung wegen der Beschießung der "Tennessee" zu verlangen. Die "Tennessee", die vor einigen Tagen in den Hafen von Smyrna einlaufen wollte, sandte eine Schaluppe aus, um die Behörden der Stadt von ihrer Ankunft zu benachrichtigen. Die Schaluppe aber wurde von den Forts unter Feuer genommen und mußte umkehren.
Der Zwischenfall im Hafen von Smyrna wird, wenn ihn auch vielleicht die Engländer aufzubauschen suchen, leicht beizulegen sein. Die türkischen Forts in Smyrna haben eine einfahrende Schaluppe des amerikanischen Kriegsschiffes "Tennessee" beschossen, ganz augenscheinlich deshalb, weil sie das Fahrzeug für zur feindlichen englisch-französischen Flotte gehörig ansahen. Das sind bedauerliche Vorkommnisse, die in jedem Kriege geschehen und die durch eine formelle Aufklärung und Entschuldigung aus der Welt geschafft werden. Die Absicht, die amerikanische Flagge anzugreifen, hat dem türkischen Kommandanten natürlich ferngelegen. Deshalb darf man unbedingt erwarten, daß die amerikanische Regierung, sobald der Sachverhalt aufgeklärt ist und die erforderlichen Schritte getan sind, sich für befriedigt erklärt.
2)

 

Die Kämpfe in Ostafrika


Lord Crewe

London, 20. November (W B.)
Im Oberhause sprach Lord Crewe am 18. November über die Kämpfe in Ostafrika. Er sagte: Es war im Anfang des Krieges deutlich, daß die britische Regierung dort nicht völlig sicher war und daß es frühzeitig notwendig wurde, Verstärkungen zu senden. Der Kampf begann im Westen und dauerte an verschiedenen Punkten mit wechselndem Ergebnis an. Als man Genaueres über die deutschen Vorbereitungen wusste, wurde es notwendig, Verstärkungen aus Indien zu senden. Nicht weniger als sieben kleine Aktionen fanden auf dem britischen Gebiet mit wechselndem Ergebnis statt. Die Operationen waren mit beträchtlichen Verlusten verbunden. In einem Falle wurde ein Angriff auf eine wichtige, von dem Feinde mit einer Anzahl Leute und Maschinengewehren gehaltene Stellung gemacht, bei dem unsere Truppen schwere Verluste erlitten haben, ohne ihr Ziel zu erreichen. Die Gesamtverluste in Ostafrika betrugen in zwei Monaten etwa 900 Mann. Obwohl das Schicksal des Krieges vom Endergebnis abhängt, ist es doch notwendig, die britische Stellung als Vormacht in Süd- und Zentralafrika zu erhalten, und in Ostafrika ist es notwendig, die deutschen Angriffe mit allen verfügbaren Mitteln abzuwenden und bei günstiger Gelegenheit zu erwidern.
2)

 

Deutschland und Irland


Sir Roger Casement

Berlin, 20. November. (W. B.)
Die "Nordd. Allg. Ztg." schreibt unter der Überschrift "Deutschland und Irland": Der bekannte irische Nationalist, Sir Roger Casement, der kürzlich aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Berlin gekommen ist, wurde im Auswärtigen Amt empfangen. Sir Roger Casement wies darauf hin, daß in Irland anscheinend von der britischen Regierung autorisierte Darstellungen des Inhalts veröffentlicht würden, ein deutscher Sieg würde dem irischen Volke großen Schaden zufügen, da sein Land, seine Wohnstätten, seine Kirchen und seine Priester auf Gnade und Ungnade dem Heere der Eindringlinge preisgegeben sein würden, die nur Raub und Eroberungssucht leiteten. Neue Äußerungen des Herrn Redmond gelegentlich seiner Rekrutierungsreise durch Irland sowie namhafte Auslassungen der britischen Presse über diesen Gegenstand hätten, so betont Sir Roger, eine weitere Verbreitung gefunden und unter den Iren natürlich Befürchtungen hervorgerufen bezüglich der Haltung Deutschlands gegenüber Irland im Falle eines deutschen Sieges. Sir Roger bat um die Abgabe einer überzeugenden Erklärung über die Absichten Deutschlands Irland gegenüber, die seine Landsleute in der ganzen Welt und besonders in Irland und Amerika angesichts der beunruhigenden von verantwortlicher britischer Seite stammenden Darstellungen zu beruhigen vermöchte. Der Stellvertreter des Staatssekretärs des Auswärtigen hat darauf im Auftrage des Reichskanzlers folgende amtliche Erklärung abgegeben:
Die Kaiserliche Regierung weist die böswilligen Absichten, die ihr in den von Sir Roger angeführten Darstellungen untergeschoben werden, auf das entschiedenste zurück und benutzt diese Gelegenheit, um die kategorische Versicherung abzugeben, daß Deutschland nur Wünsche für die Wohlfahrt des irischen Volkes, sein Land und seine Einrichtungen hege. Die Kaiserliche Regierung erklärt in aller Form, daß Deutschland niemals mit der Absicht einer Eroberung oder Vernichtung irgend welcher Einrichtungen in Irland einfallen würde. Sollte im Verlaufe dieses Krieges, den Deutschland nicht gesucht hat, das Waffenglück jemals deutsche Truppen an die Küste Irlands führen, so würden sie dort landen nicht als eine Armee von Eindringlingen, die kommen, um zu rauben und zu zerstören, sondern als Streitkräfte einer Regierung, die von gutem Willen gegen ein Land und ein Volk beseelt ist, dem Deutschland nur nationale Wohlfahrt und nationale Freiheit wünscht.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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