Der Weltkrieg am 9. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Neuer Kampf mit den Russen an der Miazga

Großes Hauptquartier, 9. Dezember, vormittags.
Westlich Reims mußte die Pêcherie-Ferme, obgleich auf ihr die Genfer Flagge wehte, von unseren Truppen in Brand geschossen werden, weil dort durch Fliegerphotographie einwandfrei festgestellt war, daß sich dicht hinter der Ferme eine französische schwere Batterie verbarg.
Französische Angriffe in der Gegend von Souain und gegen die Orte Varennes und Vauquois am östlichen Argonnenrande wurden unter Verlusten für den Gegner zurückgeworfen. Im Argonnenwalde selbst wurde an verschiedenen Stellen Boden gewonnen; dabei machten wir eine Anzahl Gefangene.
Bei den gestern gemeldeten Kämpfen nördlich Nancy hatten die Franzosen starke Verluste. Unsere Verluste sind verhältnismäßig gering.
Aus Ostpreußen liegen keine neueren Nachrichten vor.
In Nordpolen stehen unsere Truppen in enger Fühlung mit den Russen, die in einer stark befestigten Stellung westlich der Miazga Halt gemacht haben. Um Lowicz wird weiter gekämpft.
In Südpolen haben österreichisch-ungarische und unsere Truppen Schulter an Schulter erneut erfolgreich angegriffen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Das Befinden des Kaisers

Berlin, 9. Dezember. (W. B.) 
S. M. der Kaiser hat das Bett auch heute noch nicht verlassen können, aber den Vortrag des Chefs des Generalstabs des Feldheeres über die Kriegslage entgegengenommen.

Berlin, 9. Dezember. (Priv.-Tel.) 
Die Abreise des Kaisers nach dem Hauptquartier kann sich noch um wenige Tage verzögern, sie hängt lediglich von seinem Befinden ab. Danach richtet sich auch die Rückkehr des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg ins Hauptquartier.
2)

 

v. Falkenhayn Chef des Großen Generalstabs

Generaloberst v. Moltke
v. Moltke
Generalstabschef Falkenhayn
v. Falkenhayn

Berlin, 9. Dezember. (W. B.) 
Generaloberst v. Moltke hat seine Kur in Homburg beendet und ist hier eingetroffen. Sein Befinden hat sich glücklicherweise erheblich gebessert, ist aber doch noch immer so, daß er bis auf weiteres nicht wieder ins Feld gehen kann. Seine anderweitige Verwendung ist in Aussicht genommen, sobald sein Gesundheitszustand es gestattet. Die Geschäfte des Chefs des Generalstabs des Feldheeres sind dem Kriegsminister, Generalleutnant v. Falkenhayn, der sie mit der Erkrankung des Generalobersten v. Moltke übernahm, unter Belassung in dem Amt als Kriegsminister endgültig übertragen worden.
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vergebliche Russische Angriffe bei Piotrkow

Wien, 9. Dezember, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
In Westgalizien ist unser Angriff im Gange. In Polen dauert die Ruhe in dem südlichen Frontabschnitt an Die unausgesetzten Angriffe des Feindes in der Gegend von Piotrkow scheitern nach wie vor an der Zähigkeit der Verbündeten. Unsere Truppen allein nahmen hier in der letzten Woche 2800 Russen gefangen.
Weiter nördlich setzen die Deutschen ihre Operationen erfolgreich fort.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

Der Krieg gegen Serbien

Wien, 9. Dezember. (W. B.) 
Die "Politische Korrespondenz" schreibt: Wie bereits bekannt, verfolgt die serbische Armee seit dem Beginn ihres Rückzuges die Methode, ihre eigenen Ortschaften vor der Räumung zu plündern und zu zerstören. Nunmehr liegen Meldungen vor, die dieses neuerdings übereinstimmend bestätigen. So wurden von unseren Truppen die Ortschaften Krupanj, Zavlaka, Kamenica und Valjewo teils ganz verödet, teils geplündert, zerstört oder abgebrannt vorgefunden. Mit einzelnen zurückgebliebenen Ortsbewohnern wurden von unseren Militärbehörden Protokolle aufgenommen, die bestätigten, daß das serbische Militär vor dem Verlassen des Ortes Geschäfte und Wohnungen geplündert und Häuser in Brand gesteckt habe, während unsere Soldaten sich keinerlei Ausschreitungen zu schulden kommen ließen. Die von dem serbischen Militär verübten Plünderungen und Brandstiftungen wurden auch von einigen unseren Offiziere durch das Fernrohr beobachtet. Der Landstrich von der Drina bis Valjewo war einige Tage ganz entvölkert. Es heißt, daß die serbische Regierung befohlen habe, die Zivilbevölkerung dieser Gegend in Valjewo zusammentreiben. Später aber, als sie den Rückzug der serbischen Armee hinderten, sollen sie von den eigenen Soldaten zurückgetrieben worden sein. Nachdem unsere Militärbehörden der serbischen Zivilbevölkerung die Rückkehr zum heimatlichen Herde gestattet haben, strömte diese nun in großen Massen zurück.

Amsterdam, 9. Dezember. (Priv.-Tel.) 
"Daily Chronik" meldet aus Mailand, der serbische Premierminister habe in einem Interview erklärt, die Serben hätten bisher 100000 Mann verloren.

Budapest, 9. Dezember. (W. B.) 
Das österreichisch-ungarische Armeekommando in Serbien erließ zwei Proklamationen, nach deren erster das Waffentragen streng verboten ist; alle Waffen und Munition sind bei dem nächsten Militärkommando abzuliefern. Die zweite Proklamation ordnet an, daß mit Rücksicht auf den Umstand, daß sich serbische Soldaten in Zivilkleidung unter die zurückkehrende Bewohnerschaft gemischt und auf österreichisch-ungarische Soldaten geschossen haben, jeder waffenfähige Serbe von 15 bis 60 Jahren verpflichtet ist, sich beim nächsten Militärkommando zu melden, widrigenfalls er mit dem Tode bestraft wird.
2)

 

Der Krieg im Orient

Konstantinopel, 9. Dezember. (Priv.-Tel.) 
Zu den jüngsten Erfolgen der türkischen Truppen im Kaukasus ist noch eine wichtige Eroberung zu vermerken. Die Türken bemächtigten sich nach hartnäckigem Widerstande der bei Artwin gelegenen mächtigen Kupferbergwerke von Morgul, die einer englischen Gesellschaft gehören und von dieser ausgebeutet werden.

Konstantinopel, 9. Dezember (Priv.-Tel) 
Die Engländer schafften die wertvollsten Gegenstände des großen Museums in Kairo, die einen unschätzbaren Wert darstellen, nach Malta.
2)

 

Ägypten englisches Protektorat

Hussein Kemal
Hussein Kemal

Mailand, 9. Dezember (Priv.-Tel.) 
Dem "Corriere della Sera" wird aus Kairo gemeldet: Hussein Kemal ist im Begriff, als Sultan den ägyptischen Thron zu besteigen. Die englische Okkupation wird in ein Protektorat umgewandelt.
Der neue Staat soll von der Türkei ganz unabhängig sein. Das Ministerium des Auswärtigen wird abgeschafft. Die fremden Staaten ziehen wie es heißt, ihre diplomatischen Vertretungen zurück. Das Schicksal der Kapitulationen ist noch ungewiß.
2)

 

Eine Rechtfertigung der Schweiz

Bern, 9. Dezember. (Priv.-Tel.) 
Den in der französischen Presse immerwährend auftretenden Anklagen, die Schweiz besorge indirekt die Verproviantierung Deutschland, tritt eine offizielle Mitteilung des schweizerischen Handelsdepartements entgegen. Das Departement führt aus, die Schweiz müsse der Pflicht nachkommen, den Transit von Italien nach Deutschland über den Gotthard zu besorgen; sie führe übrigens auch die von Italien nach Frankreich bestimmten Güter. Es werde allerdings behauptet, neben diesem direkten Transit werde ein indirekter durch unzulässige Mittel an der Grenze organisiert Das Departement bestreitet das entschieden. Falsch sei namentlich, daß Getreide nach Deutschland spediert werde, im Gegenteil habe die Schweiz von Deutschland 2500 Wagen Getreide erhalten.
Die Schweiz habe seit Anfang des Jahres nur 365000 Tonnen importiert gegen 529000 im letzten Jahr. Ähnliche Verhältnisse bestehen laut angeführten Zahlen bei Hafer, Reis, Fleisch, Metallen und anderen wichtigen Importartikeln. Schon aus der bloßen Überlegung, sagt das Departement, daß der Hafen von Genua gar nicht in der Lage wäre, neben den Bedürfnissen Italiens und der Schweiz Warenquantitäten anzunehmen und weiterzuspedieren, die für die Versorgung Deutschlands irgendwie in Betracht fallen könnten, sollte man davon Abstand nehmen, gegenüber der Schweiz Beschuldigungen zu erheben, die keinen anderen Zweck und Erfolg haben können, als das gute Einvernehmen der Schweiz mit ihren Nachbarn zu trüben.
2)

 

Aus den Vereinigten Staaten

London, 9. Dezember. (W. B.) 
Aus Washington wird unterm 7. Dezember gemeldet: Der Kongreß ist heute zusammengetreten. Morgen findet eine gemeinsame Sitzung statt, in der die Botschaft des Präsidenten verlesen wird. Der Staatssekretär Mc Adoo wird an Ausgaben 1990 Millionen fordern. Der Voranschlag ist um mehr als 30 Millionen niedriger als im letzten Jahre. Das Marine-Departement fordert 145 Millionen, die Heeresverwaltung 100 Millionen. Das Flottenprogramm sieht den Bau von zwei Schlachtschiffen, einem Ölschiff, sechs Zerstörern, einem Kanonenboot und etwa acht Unterseebooten vor.
Der Senat nahm eine Entschließung an, in der der Sekretär des Handels-Departements aufgefordert wird, über die Menge der nach Kanada und an die kriegführenden Mächte in Europa zur Versendung gelangenden Waffen und Munition zu berichten. Bryan kündigte an, daß sich die Fore River-Schiffsbaugesellschaft den Wünschen des Präsidenten Wilson unterwerfen und keine Unterseeboote für die Kriegführenden in Europa bauen wolle.

Washington, 9. Dezember. (W. B.) 
Präsident Wilson erklärte sich gegen eine Untersuchung der Fragen der nationalen Verteidigung durch den Kongreß, da sie unklug wäre und einen ungünstigen internationalen Eindruck machen könnte.

Washington, 9. Dezember. (W. B.) 
In der gestrigen Botschaft an den Kongreß sagte Präsident Wilson, der Krieg vernichte eine erschreckend große Anzahl Menschenleben und wirtschaftlicher Hilfsquellen. Die europäischen Völker rechneten auf den Handel und die Industrie der Vereinigten Staaten, um ihre erschöpften Vorräte wieder zu ersetzen. Wilson sprach den Wunsch aus, daß Amerika Gelegenheit finden möge, durch sein vermittelndes Auftreten den Frieden wieder herzustellen.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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