Der Weltkrieg am 4. Januar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Kämpfe um Steinbach

Großes Hauptquartier, 4. Januar.
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Abgesehen von mehr oder weniger schweren Artilleriekämpfen herrschte an der Front im allgemeinen Ruhe. Nur bei Thann im Oberelsaß zeigte der Feind lebhafte Tätigkeit. Nach einem überwältigenden Feuer auf die Höhe westlich Sennheim gelang es ihm in den Abendstunden, unsere zusammengeschossenen Schützengräben auf dieser Höhe und anschließend das von uns hartnäckig verteidigte - in den letzten Tagen öfters erwähnte - Dorf Steinbach zu nehmen. Die Höhe wurde nachts im Bajonettangriff von uns wiedergenommene um den Ort Steinbach wird noch gekämpft.
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Die Lage im Osten hat sich nicht verändert. Unsere Angriffe in Polen östlich der Rawka werden fortgesetzt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

 Eine Rechtfertigung der Beschießung der englischen Küstenplätze

Berlin, 4. Januar. (W. B. Amtlich.)
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt:
Die Beschießung der drei englischen Küstenplätze Hartlepool, Scarborough und Whitby durch deutsche Seestreitkräfte ist in der englischen Presse als völkerrechtswidrig angegriffen worden. Es wird uns vorgeworfen, daß wir offene Plätze ohne vorherige Ankündigung beschossen und dadurch den Tod zahlreicher Zivilpersonen herbeigeführt hätten. Die Vorwürfe sind völlig unbegründet. Zunächst unterliegt es keinem Zweifel, daß wir bei einer Beschießung durch Seestreitkräfte an völkerrechtliche Vertragsbestimmungen nicht gebunden sind, denn der einzige in Betracht kommende Vertrag, das neunte Haager Abkommen, betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten, vom 18. Oktober 1907, findet in dem gegenwärtigen Kriege an sich keine Anwendung, da er nicht von sämtlichen Kriegführenden ratifiziert worden ist und mithin gemäß Art. 8 auch die Vertragsmächte nicht bindet.
Die Bestimmungen des Abkommens müssen daher nur insoweit beachtet werden, als sie den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Ob hiernach die Beschießung unverteidigter Plätze verboten ist, steht nicht ohne weiteres fest, da beispielsweise englische Seestreitkräfte im Krimkriege offene russische Küstenplätze bombardiert haben. Gleichwohl haben sich die deutschen Seestreitkräfte streng an die Bestimmungen des Haager Abkommens gehalten. Nach Art. 1 und 2 unterliegen der Beschießung alle verteidigten Plätze sowie alle militärisch verwendbaren Einrichtungen in unverteidigten Plätzen. Diese Voraussetzungen treffen bei den von unseren Seestreitkräften beschossenen englischen Küstenplätzen zu. Hartlepool gehört nach der amtlichen britischen "Monchty Army List" zu den Coast Defences (Küstenbefestigungen), die in Friedens- und Kriegszeiten von britischen Landstreitkräften besetzt sind. Diese haben auch die angreifenden deutschen Schiffe aus ihren Batterien beschossen. Scarborough ist zwar nicht in der britischen Armeeliste ausdrücklich als befestigter Küstenplatz verzeichnet, doch befindet sich hart am Nordrand der Stadt eine durch Drahtverhau geschützte, von See aus deutlich erkennbare Schanze mit einer nach See gerichteten Batterie von sechs 15 Zentimeter-Schnelladekanonen, ferner auf Scaborough Rock eine Kasernenanlage (Baracke) und am Südrand der Stadt eine amtlich verzeichnete Funkenstation. Whitby hat nach der amtlichen britischen "Monthly Navy List" eine Küstenwache-Signalstation (coast guard station), die in Krieg und Frieden von der britischen Marine bedient wird. Die deutschen Seestreitkräfte haben nur auf diese Station geschossen, wie dies auch britischerseits zugegeben wird. Daß die im Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 des Haager Abkommens vorgesehenen Ankündigungen der Beschießung ohne Gefährdung der Erfolge nicht ergehen konnten und daher auch nach den angeführten Bestimmungen nicht zu ergehen brauchten, ergibt sich ohne weiteres aus der militärischen Sachlage. So bedauerlich es ist, daß den Angriffen der deutschen Schiffe auch Zivilpersonen zum Opfer gefallen sind, so nachdrücklich muß nach den vorstehenden Ausführungen betont werden, daß sich diese Angriffe durchaus in den Grenzen der völkerrechtlich erlaubten Kriegführung gehalten haben.

 

Ein Erlaß des Königs von Bayern

König Ludwig III. von Bayern

König Ludwig III.

München, 4. Januar. (W. B.)
Die Korrespondenz Hoffmann meldet:
Der König hat an den Minister des Innern Frhrn. v. Soden folgendes Handschreiben gerichtet:

"Seit vollen fünf Monaten stehen Deutschlands beste Söhne in schwerem Kampfe vor dem Feinde. In kraftvoller Entschlossenheit ist die ganze Nation geeint. Jeder Deutsche ist nur von dem einen Gedanken beseelt, freudig alle Opfer zu bringen, die der Schutz und die Ehre des Vaterlandes uns auferlegen. Unter dem mächtigen Eindruck dieser Tatsachen gehe ich in diesen Tagen einem wichtigen Lebensabschnitt entgegen. Ich habe den dringenden Wunsch ausgesprochen, daß von größeren Feierlichkeiten anläßlich meines 70. Geburtstages Abstand genommen werde. Dieser Wunsch wird überall verständnisvolle Aufnahme finden. Es liegt mir aber am Herzen, gerade am Vorabend meines Geburtstages die Empfindungen auszudrücken, die mich in dieser großen Zeit bewegen. Mit stolzer Freude und Anerkennung blicke ich auf die tapfere bayrische Armee, die in heldenmütigem Kampfe durch die herrlichen Waffentaten ihren alten Ruf beseelt und sich als würdiges Glied des deutschen Heeres bewiesen hat. Mit stiller Wehmut gedenke ich der Helden, die in dem gewaltigen Ringen ihr Blut für das Vaterland vergoßen haben, und aller Familien, die den Verlust teurer Angehöriger beklagen. Herzlichen Dank sage ich dem ganzen bayrischen Volke, das in dieser ernsten Zeit seine Liebe zum Vaterland und zum Königshause so glänzend bewährt und unter Zurückstellung aller trennenden Gegensätze nur ein Ziel vor Augen hat, dem Vaterlande zu dienen. In einem langen Leben war mein Bemühen darauf gerichtet, das Land und seine Bedürfnisse kennenzulernen und mir Erfahrungen darüber zu sammeln, was dem Volke frommt. Erst seit kurzer Zeit von der Vorsehung zur Regierung berufen, ist es mein stetes Bestreben, diese reichen Erfahrungen zum Wohle des Landes zu verwerten. Felsenfest ist meine Zuversicht, daß ein siegreiches Niederringen unserer Feinde uns einen dauernden Frieden sichert, der wert ist der schweren Opfer, und mir die Möglichkeit gibt, Land und Volk wieder vorwärts zu führen auf dem Wege wirtschaftlicher Erstarkung und kultureller Entwicklung. Gott schütze mein liebes Bayern. Er schirme Kaiser und Reich und verleihe den deutschen und den in treuer Waffenbrüderschaft verbündeten österreichisch-ungarischen Heeren den Sieg über unsere Feinde. Dies ist der innige Wunsch, mit dem ich zu meinem 70. Geburtstage meine lieben Bayern begrüße. Ich ersuche Sie, mein lieber Staatsminister, diesen Erlaß zu veröffentlichen und gleichzeitig bekannt zu geben, daß ich anläßlich meines Geburtsfestes eine Spende von 100000 Mark zur Verfügung stelle mit der Bestimmung, daß sie zur Fürsorge für die Angehörigen der Kriegsteilnehmer und zur Linderung der durch den Krieg verursachten Notlage verwendet werde."

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Kämpfe in Galizien 

Wien, 4. Januar. 
Amtlich wird verlautbart:
In den hartnäckigen Kämpfen im Raume südlich Gorlice, die sich unter den schwierigsten Witterungsverhältnissen abspielten, sicherten sich unsere braven Truppen durch Besitznahme einer wichtigen Höhenlinie eine günstige Basis für die weiteren Ereignisse.
In den Karpathen keine Veränderung;  im oberen Ungtale nur kleinere Gefechte.
Während der Kämpfe der Weihnachtszeit wurden am nördlichen Kriegsschauplatz 37 Offiziere und 12698 Mann gefangen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

 Der Papst und die Kriegsgefangenen

Papst Benedikt XV.
Papst Benedikt XV.

Wien, 4. Januar. (W. B.)
Papst Benedikt XV. hat am 31. Dezember an Kaiser Franz Josef nachfolgendes Telegramm gerichtet:

"Im Vertrauen auf die Gefühle christlicher Nächstenliebe, von der Ew. Majestät beseelt sind, bitten wir Ew. Majestät, dieses unheilvolle Jahr zu beenden und das neue zu eröffnen mit einer Handlung souveräner Großmut, indem Ew. Majestät unseren Vorschlag annehmen, daß zwischen den kriegführenden Staaten ein Austausch der für den Militärdienst künftig als untauglich anzusehenden Kriegsgefangenen stattfinden möge."

Rom, 4. Januar. (W. B.)
Wie das "Giornale d´Italia" erfährt, hat der Vatikan auf seine Anregung betreffend den Austausch kriegsuntauglicher Gefangener von Deutschland, England, Österreich, Rußland, Montenegro, Serbien und der Türkei günstige Antworten erhalten. Frankreich ließ heute durch Vermittlung des belgischen Vertreters beim Vatikan seine Zustimmung offiziös zu erkennen geben. Die offizielle Antwort Frankreichs wird für heute Abend erwartet.

Rom, 4. Januar. (Priv.-Tel.)
Auf die Bitte des Londoner "Daily Chronicle" an den Papst um eine Äußerung zu Neujahr antwortete Benedikt XV. durch den Kardinalstaatssekretär Gasparri: Da er den Krieg nicht aufhalten könne, tue er alles, um seine schmerzlichen Folgen für arme Gefangene und trostlose Familien zu lindern. Er beschwört die Regierungen der kriegführenden Staaten, dem schrecklichen Krieg ein Ende zu setzen und fordert die Presse aller Länder auf, mit aller Macht dieser Friedensmission beizustehen. - Die amerikanischen Kardinale Gibbons, Farley und O´Connell richteten an Präsident Wilson eine Denkschrift mit der Aufforderung, der päpstlichen Initiative zur Herbeiführung des Friedens und Milderung der Härten des Krieges beizutreten. Die Folge wird wahrscheinlich die Entsendung eines außerordentlichen Gesandten der Vereinigten Staaten zum Vatikan sein.

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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