Eine
Rechtfertigung der Beschießung der englischen Küstenplätze
Berlin, 4.
Januar. (W. B. Amtlich.) Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
schreibt: Die Beschießung der drei englischen Küstenplätze Hartlepool,
Scarborough und Whitby durch deutsche Seestreitkräfte ist in der englischen
Presse als völkerrechtswidrig angegriffen worden. Es wird uns vorgeworfen, daß
wir offene Plätze ohne vorherige Ankündigung beschossen und dadurch den Tod
zahlreicher Zivilpersonen herbeigeführt hätten. Die Vorwürfe sind völlig
unbegründet. Zunächst unterliegt es keinem Zweifel, daß wir bei einer
Beschießung durch Seestreitkräfte an völkerrechtliche Vertragsbestimmungen nicht
gebunden sind, denn der einzige in Betracht kommende Vertrag, das neunte Haager
Abkommen, betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten, vom
18. Oktober 1907, findet in dem gegenwärtigen Kriege an sich keine Anwendung, da
er nicht von sämtlichen Kriegführenden ratifiziert worden ist und mithin gemäß
Art. 8 auch die Vertragsmächte nicht bindet. Die Bestimmungen des Abkommens
müssen daher nur insoweit beachtet werden, als sie den allgemeinen
völkerrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Ob hiernach die Beschießung
unverteidigter Plätze verboten ist, steht nicht ohne weiteres fest, da
beispielsweise englische Seestreitkräfte im Krimkriege offene russische
Küstenplätze bombardiert haben. Gleichwohl haben sich die deutschen
Seestreitkräfte streng an die Bestimmungen des Haager Abkommens gehalten. Nach
Art. 1 und 2 unterliegen der Beschießung alle verteidigten Plätze sowie alle
militärisch verwendbaren Einrichtungen in unverteidigten Plätzen. Diese
Voraussetzungen treffen bei den von unseren Seestreitkräften beschossenen
englischen Küstenplätzen zu. Hartlepool gehört nach der amtlichen britischen
"Monchty Army List" zu den Coast Defences (Küstenbefestigungen), die in
Friedens- und Kriegszeiten von britischen Landstreitkräften besetzt sind. Diese
haben auch die angreifenden deutschen Schiffe aus ihren Batterien beschossen.
Scarborough ist zwar nicht in der britischen Armeeliste ausdrücklich als
befestigter Küstenplatz verzeichnet, doch befindet sich hart am Nordrand der
Stadt eine durch Drahtverhau geschützte, von See aus deutlich erkennbare Schanze
mit einer nach See gerichteten Batterie von sechs 15
Zentimeter-Schnelladekanonen, ferner auf Scaborough Rock eine Kasernenanlage
(Baracke) und am Südrand der Stadt eine amtlich verzeichnete Funkenstation.
Whitby hat nach der amtlichen britischen "Monthly Navy List" eine
Küstenwache-Signalstation (coast guard station), die in Krieg und Frieden von
der britischen Marine bedient wird. Die deutschen Seestreitkräfte haben nur auf
diese Station geschossen, wie dies auch britischerseits zugegeben wird. Daß die
im Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 des Haager Abkommens vorgesehenen Ankündigungen der
Beschießung ohne Gefährdung der Erfolge nicht ergehen konnten und daher auch
nach den angeführten Bestimmungen nicht zu ergehen brauchten, ergibt sich ohne
weiteres aus der militärischen Sachlage. So bedauerlich es ist, daß den Angriffen
der deutschen Schiffe auch Zivilpersonen zum Opfer gefallen sind, so
nachdrücklich muß nach den vorstehenden Ausführungen betont werden, daß sich
diese Angriffe durchaus in den Grenzen der völkerrechtlich erlaubten
Kriegführung gehalten haben. |