Der Weltkrieg am 10. Januar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

 Französische Angriffe an der ganzen Front abgewiesen

Großes Hauptquartier, 10. Januar. 
Westlicher Kriegsschauplatz:
Das schlechte Wetter hielt auch gestern an; die Lys ist an einzelnen Stellen bis zur Breite von 800 Meter aus den Ufern getreten.
Feindliche Versuche, uns aus unseren Stellungen in den Dünen bei Nieuport zurückzudrängen, schlugen fehl. 
Nordöstlich Soissons wiederholten die Franzosen ihre Angriffe, die gestern sämtlich unter großen Verlusten für sie abgewiesen wurden, über 100 Gefangene blieben in unserer Hand; die Kämpfe dortselbst sind heute wieder im Gange.
Westlich und östlich Perthes (nordöstlich des Lagers von Chalons) griffen die Franzosen erneut heftig an. Die Angriffe brachen unter sehr schweren Verlusten für die Franzosen zusammen; wir machten etwa 150 Gefangene.
In den Argonnen gewannen wir weiter Gelände, hier wie in Gegend Apremont nördlich Toul dauern die Kämpfe noch an. 
Am 8. Januar abends versuchten die Franzosen erneut, das Dorf Ober-Burnhaupt im Nachtangriff zu nehmen. Der Angriff scheiterte gänzlich. Unsere Truppen machten weitere 230 Franzosen zu Gefangenen und erbeuteten ein Maschinengewehr, so daß sich die Beute von Ober-Burnhaupt auf zwei Offiziere, 420 Mann Gefangene und ein Maschinengewehr erhöht. Die Franzosen hatten auch hier augenscheinlich schwere Verluste, eine große Menge an Toten und Verwundeten liegt vor der Front und in den angrenzenden Wäldern. 
Gestern fanden nur kleinere Gefechte im Oberelsaß statt. Gegen Mitternacht wiesen unsere Truppen bei Nieder-Aspach einen französischen Angriff ab.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Witterung hat sich noch nicht gebessert; auf der ganzen Ostfront blieb die Lage unverändert. Kleinere russische Vorstöße südlich Mlawa wurden abgewiesen.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

 Mißglückte Vorstöße der Russen in Galizien

Wien, 10. Januar. 
Amtlich wird verlautbart: 
Südlich der Weichsel beschossen die Russen gestern unsere Stellungen ohne jeden Erfolg. Sie richteten ihr Feuer namentlich gegen eine von uns besetzte Höhe nordöstlich Zakliczyn. 
Nördlich der Weichsel stellenweise heftiger Geschützkampf. Ein Versuch des Gegners, mit schwächeren Kräften die Nida zu passieren, mißlang.
In den Karpathen herrscht Ruhe. Zwei Aufklärungsdetachements des Feindes, die sich in der Bukowina zu nahe an unsere Vorpostenlinie heranwagten, wurden durch Artillerie- und Maschinengewehrfeuer zersprengt. 
Am südlichen Kriegsschauplatz kurzer Geschützkampf bei den östlich Trebinje bis an die Grenze vorgeschobenen eigenen Stellungen.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

 Der Vormarsch der Russen in der Bukowina

Aus Dornawatra in der Bukowina wird der "Frankfurter Zeitung" geschrieben:
In der letzten Zeit machen die Russen verzweifelte Anstrengungen, tiefer in die Bukowina einzudringen. Sie verfolgen damit strategische und politische Absichten. In strategischer Hinsicht wollen sie erstens durch einen Einbruch nach Ungarn von der Bukowina, dem östlichen Kampfterritorium, die rechte Flanke der in den Karpathen kämpfenden österreichisch - ungarischen Truppen umgehen, zweitens decken sie durch ein tieferes Eindringen in die Bukowina die Flanke ihrer eigenen in den Czornahora- und anderen Waldkarpathenpässen kämpfenden Truppen. In politischer Hinsicht wollen die Russen durch den Vormarsch in den an Rumänien grenzenden Ländern Bukowina und Siebenbürgen dieses noch vorläufig unschlüssige Königreich an der Westgrenze umfassen, um es so allmählich der Verbindung mit Österreich zu berauben und es durch militärische Demonstrationen auf ihre Seite zu bringen.
Es ist ein offenes Geheimnis, daß sich Rußland bei seinen Operationen in der Bukowina zum großen Teile von Rücksichten auf Rumänien leiten läßt. Die forcierten Angriffe auf Czernowitz mit dem ungeheuren Aufwande von Menschenmaterial und Geschützen in den letzten Tagen des November, um diese durch die Österreicher im Oktober besetzte Stadt wieder zurückzugewinnen, hatten hauptsächlich ihre Ursache in dem Bestreben der Russen, dem am 1. Dezember zusammengetretenen rumänischen Parlamente zu zeigen, daß das rumänische Kulturzentrum Czernowitz wieder in russischem Besitze sei, um so die rumänische Volksvertretung zu einer Stellungnahme für Rußland zu veranlassen.
Am 29. November zogen die Russen in Czernowitz ein. Dies wurde ihnen nur dadurch ermöglicht, daß sie in weitem Bogen die längs des Pruth sich dahinziehende Verteidigungsstellung der österreichisch-ungarischen Truppen umfingen. Um der Gefahr der Umzingelung zu entgehen, mußten sich die Österreicher rasch in das Innere der Bukowina zurückziehen. Nun rückten die Russen auf drei Linien vor. Eine Linie war die Karpathenreichsstraße Czernowitz - Terescheny, die zweite Linie Hlinica - Storozynetz und dann weiter auf der verdeckten Karpathenreichsstraße gegen Czudin; die dritte Linie war am Rande der Bukowina längs des Ceremosz, von Nepolokouz nach Wiznitz, Rostocki und Putilla. Die erste Linie führt durch rein rumänisches Gebiet, die dritte durch rein ruthenisches Huzulengebiet und die zweite durch nationale Grenzgebiete. Die unter Führung des Obersten Fischer stehenden verhältnismäßig sehr schwachen Bukowiner Waldkarpathentruppen, die sich zum größten Teil aus Landstürmern zusammensetzten, verteidigten das Gelände gegen den in vielfacher Mehrheit vorrückenden Feind so tapfer, daß die Russen auf der ersten Linie nur bis zum Serethflusse vordringen konnten. Auf der zweiten Linie mußten sie beim dichtbewaldeten Schurdinpasse infolge der guten Verteidigung der Österreicher Halt machen. Auf der dritten Linie gelangten die Russen zum Putillatal; weiter konnten sie nicht, weil ihnen die huzulischen freiwilligen Legionäre große Schwierigkeiten bereiteten. Die Kräfte der etwa 50000 Mann setzten sich aus Kaukasustruppen, die für dieses Gebiet besonders geeignet sind, Fußsoldaten aus Zentralrußland und Reichswehrleuten zusammen. Als die Russen sahen, daß sie nicht weiter kamen, und sich auch bei den russischen Soldaten wegen der Schwierigkeiten des Vormarsches Unzufriedenheit bemerkbar machte, zogen sie neue Verstärkungen - nach Meldungen des Bukarester russenfreundlichen Blattes "Adeverul" etwa 90000 Mann - heran und rückten vor. Die Österreicher und Ungarn, die bisher den Russen ziemlich schwere Verluste beigebracht hatten, mußten sich infolge dieser großen Übermacht in die Bukowinapässe zurückziehen und räumten freiwillig das Flach- und Hügelland der Bukowina. Die Russen zogen von Terescheny und Deutsch - Tereblesti über den Serethfluß und besetzten Sereth. Nach der Erstürmung des Schurdinpasses kamen sie nach Radautz und von da nach dem Salzbergwerk Kaczyka, um dann auf der Karpathenstraße nach Kimpolung, den Mestikanestipaß, nach Dornawatra und über den Borgopaß nach Siebenbürgen zu gelangen. Nach der Eroberung des Putillatales besetzten sie Storonetz Putilla, zogen nach Seletin, um von hier aus über den Luczynapaß nach Kirlibaba und dann weiter über den Priloppaß in das Vissotal zu gelangen, um so den österreichisch-ungarischen Truppen, die bei Körösmezö kämpften, in den Rücken zu fallen. Es ist ausgeschlossen, daß die Russen diese Pässe überwinden werden, denn die österreichisch-ungarischen Truppen verteidigen sich mit großer Tapferkeit. Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß die Russen bei den anderen Karpathenübergängen es nur mit einem einzigen Passe zu tun hatten, während sie hier zwei schon von der Natur sehr wild geartete Pässe zu überschreiten haben.

 

 Die Behandlung der Kriegsgefangenen in Frankreich

Paris, 10. Januar. (Priv.-Tel.) 
Das Kriegsministerium teilt der Presse eine offizielle Note mit, die besagt:

"Infolge der harten Behandlung der französischen Kriegsgefangenen in Deutschland, die durch amtliche Dokumente festgestellt ist, hat die französische Regierung energisch in Berlin auf diplomatischem Wege Protest erhoben und Reziprozitätsmaßregeln gegenüber den deutschen Gefangenen in Frankreich ergriffen. Künftig wird die Heimbeförderung der deutschen Ärzte und Krankenwärter von der Heimbeförderung des französischen Sanitätspersonals abhängig gemacht. Nach dem Beispiel Deutschlands, so sagt die Note, haben wir die tägliche Zuwendung von fünf Centimes an die Soldaten und Unteroffiziere sowie die Verteilung von Tabak aufgehoben. Wir haben den Sold der gefangenen subalternen und höheren Offiziere auf 60 und 100 Mark herabgesetzt. Wir haben das Ernährungssystem geändert. Diese Bestimmungen haben bereits Resultate gezeitigt, besonders in Bezug auf die Erleichterung der Korrespondenz mit den französischen Gefangenen in Deutschland. Die Regierung ist fest entschlossen, diese Mittel beizubehalten und konsequent den deutschen Kriegsgefangenen diejenige Behandlung angedeihen zu lassen, welche die französischen Gefangenen erfahren."

Die "Frankfurter Zeitung" bemerkt dazu: 
"Diese Note spricht von amtlichen Dokumenten über die harte Behandlung der Gefangenen in Deutschland. Auch die famose belgische Untersuchungskommission, auch die französischen Kriegsgerichte, die einen Vernichtungskampf gegen Unschuldige hinter der feindlichen Front eröffnet haben, und die Kommissionen, die deutsche Grausamkeit und Zerstörungslust in Frankreich nachzuweisen suchen, sie alle haben amtliche Dokumente. Uns bleibt nichts übrig, als unseren guten Weg unbeirrt und ungestört weiter zu gehen!

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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