Die
siegreichen Kämpfe in Ostpreußen
Berlin,
15. Februar, 5.45 Uhr. (Priv.-Tel.)
Über die Kämpfe in Ostpreußen geht dem "Lokalanzeiger" folgender
Bericht zu:
Insterburg,
den 15 Februar.
Den monatelangen andauernden Positionskämpfen, die an die Nervenkraft
unserer Truppen so große Anforderungen stellten, hat die deutsche Armeeleitung
durch eine gründlich vorbereitete Operation ein Ende bereitet. Die vollständige
Tragweite für die zukünftige Gestaltung der Ereignisse läßt sich momentan
noch nicht überblicken, doch so viel steht bereits fest, daß der Alpdruck
der russischen Okkupation, der durch lange Monate auf dem schwergeprüften
ostpreußischen Lande gelastet hat, beseitigt ist. Die Offensive der deutschen
Armeen kam der russischen Armeeleitung unerwartet zu einer Zeit, da die
gegnerischen Streitkräfte durch die in der letzten Zeit wiederholten Angriffe
unserer Verteidigungsstellung bei der Angerapplinie und der masurischen
Seenplatte ihre offensiven Absichten vermuten ließen. Wie die früheren
Offensiven bei Tannenberg und dann an den masurischen Seen zweier mächtiger
gegnerischer Armeen geendet haben, so endete diese neu aufgenommene Offensive
des Gegners mit einem gänzlichen Zusammenbruch dessen volle Größe momentan
zwar noch nicht überblickbar ist, jedoch zu den Hoffnungen berechtigt,
dass der Erfolg durchschlagend zu dem beabsichtigten Resultate führen
wird.
Die Gruppierung der deutschen Streitkräfte war am 7. Februar in der Nacht
beendet und bereits am 8. Februar begann der Vormarsch des rechten Flügels
in der Richtung nach Johannisburg. Am selben Tage Nachmittags ist Johannisburg
bereits in unserem Besitz und die 57. russische Division, die sich hartnäckig
verteidigt, beinahe vernichtet. Bei diesen Kämpfen fallen 5000 Gefangene
in unsere Hände. Die Zahl der Gefangenen und Verwundeten ist sehr groß,
insbesondere durch Artilleriefeuer hat diese Division viel verloren. Die
kümmerlichen Reste der Division flüchten sich in den Schußbereich der
Festung Ossowiec.
Die Gruppierung unserer in der Gegend von Gumbinnen in Aktion tretenden
Kräfte vollzog sich vom Gegner vollkommen unbemerkt und wurde von der
in dieser Linie stehenden Kavalleriedivision verschleiert. Unsererseits
wurden ziemlich starke Kräfte in der Richtung nach Pillkallen und Lasdehnen
in Bewegung gesetzt, um den Feind, der im Raum von Lasdehnen, Pillkallen,
Gumbinnen und Stallupönen sich befand, durch einen überraschenden Angriff
in die südöstliche Richtung bei Schirwindt - Wladislawow - Wilkowski anzugreifen
und ihm die Rückzugsstraße von Stallupönen nach Kowno zu verlegen. Während
dieser Operationen kam es zu Kämpfen gegen die 56. russische Division,
die vollständig zersprengt wurde. Spullen und Henskischen wurden im Sturmangriff
genommen. Nachdem Pillkallen von unseren in Eilmärschen vorgehenden Truppen
besetzt war, zogen sich die Russen zwar in der Richtung auf Stallupönen
zurück, doch schon zu spät, nachdem starke deutsche Truppenteile Schirwindt
und Wirballen erreicht hatten und demzufolge die beabsichtigte Umfassung
dieser gegnerischen Kräfte bereits vollzogen war.
Das Gelingen dieser Umfassung war nur infolge der übermenschlichen Anstrengungen
möglich, die alle an diesen Operationen beteiligten Kräfte mit beispiellosem
Elan überwunden haben. Gerade zu Beginn der Operationen setzte starker
Frost mit Schneetreiben ein, so daß die Infanterie bis an die Knie im
Schnee vormarschieren musste. Die Fortbewegung der Geschütze erforderte
die ganze Energie ihrer Truppen, die unter unsagbaren Schwierigkeiten
Hindernisse in Eilmärschen überwindet. Um die Schwierigkeiten der Fortbewegen
zu beleuchten, will ich erwähnen, daß ich mit meinem Wagen gleichzeitig
mit der Truppe zur Gefechtslinie abfuhr und in sechs Tagen nicht imstande
war, die Gefechtslinie zu erreichen, da die Truppe mit dem großen riesenhaften
Train der Armeen schneller vorging, als ich mit meinem Wagen nachkommen
konnte. Am dritten Tage der Operationen setzte Tauwetter ein, das die
unendlichen Schneemassen zum Schmelzen brachte, so daß die Wege, insbesondere
in Rußland, eher einem See als einer Chaussee glichen. Trotzdem gingen
die Truppen, manchmal ohne daß sie den ganzen Tag etwas zu essen bekommen
hatten, in der besten Stimmung gegen den Feind. Die belebende Wirkung
des Bewegungskrieges nach den monatelangen Kämpfen in den Schützengräben
zeigte sich in der leichten und fröhlichen Überwindung der größten Anstrengungen.
Auf dem Wege von Kibarty nach Wirballen und Wilkowski sah man die deutlichen
Spuren des regellosen Rückzuges. Der ganze Weg ist voll von verlassenen
Munitionswagen, Schlitten, Tausenden von Infanteriegewehren. In der Nähe
von Kibarty, vor einem aufgelassenen Friedhof, wurde eine komplette Batterie
auf dem Marsch überrascht. Die Wirkung unseres Feuerüberfalles war verheerend.
Die ganze Mannschaft und alle Pferde der Batterie mit den dazugehörenden
Munitionskolonnen wurden vom Feuer der deutschen Batterien, die südlich
Wladislawow und vor Eydtkuhnen angefahren waren, niedergemacht. Als ich
vorgestern diese Straße fuhr, lag die ganze Leichenhekatombe noch am Wegesrande.
Die Umgehung der russischen Truppen erfolgte so überraschend. daß z. B
in Kibarty eine russische Brigade ganz gemütlich in den Häusern saß, als
das Dorf von schwachen deutschen Kräften umzingelt wurde, so daß sie gezwungen
war, sich ohne Schuß zu ergeben. Die Gewehrpyramiden liegen noch jetzt
in schöner Ordnung auf dem Rand der Dorfstraße. Unserer Kavallerie gelang
es, bis nach Pilwischki vorzudringen, wo sie die große Eisenbahnbrücke
auf der Linie Wirballen-Kowno sprengte. Hierdurch ist der weitere Abtransport
russischer Kräfte nach Kowno verhindert worden. Dieser gelungenen Sprengung
ist es zu verdanken, daß wir da 11000 Gefangene und großes Kriegsmaterial
erbeutet haben. Ein Vorstoß der Besatzung von Kowno mit Unterstützung
von Kavallerie unter dem General der Kavallerie Leontowitsch wurde ohne
erhebliche Verluste abgewiesen.
Die Kämpfe, die sich an den ganzen Linien abgespielt haben, brachten unseren
Unternehmungen vollen Erfolg. Es wurden in diesen Kämpfen elf russische
Divisionen teilweise geschlagen, teilweise vernichtet. Die Entwickelungsmöglichkeiten
sind noch groß, da die Operationen noch nicht beendet sind. Einstweilen
steht der eine materielle und moralische Erfolg fest, daß Ostpreußen von
russischen Truppen vollkommen frei ist, und die Kampfesfreude unserer
Truppen läßt für die kommenden Unternehmungen das Beste erhoffen. Die
Freude über die Befreiung ist in ganz Ostpreußen außerordentlich groß,
und nach langen Monaten atmet die vielgeprüfte Bevölkerung wieder erleichtert
auf. 2)
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