Der Weltkrieg am 22. Februar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Gesamtbeute der Winterschlacht in Masuren - Völlige Vernichtung der russischen 10. Armee

Großes Hauptquartier, 22. Februar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Östlich von Ypern wurde gestern wieder ein feindlicher Schützengraben genommen. Feindliche Gegenangriffe auf die gewonnenen Stellungen blieben erfolglos.
In der Champagne herrschte auch gestern verhältnismäßige Ruhe. Die Zahl der von uns in den letzten der dortigen Kämpfe gefangengenommenen Franzosen hat sich auf 15 Offiziere und über 1000 Mann erhöht. Die blutigen Verluste des Feindes haben sich als außergewöhnlich hoch herausgestellt.
Gegen unsere Stellungen nördlich Verdun hat der Gegner gestern und heute Nacht ohne jeden Erfolg angegriffen. In den Vogesen wurden die Orte Hohrod und Stoßweier nach Kampf genommen.
Sonst nichts Wesentliches.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Verfolgung nach der Winterschlacht in Masuren ist beendet. Bei der Säuberung der Wälder nordwestlich von Grodno und bei den in den letzten Tagen gemeldeten Gefechten im Bobr- und Narew-Gebiet wurden bisher ein Kommandierender General, zwei Divisionskommandeure, vier andere Generäle und annähernd 40000 Mann gefangen, 75 Geschütze, eine noch nicht festgestellte Anzahl von Maschinengewehren nebst vielem sonstigen Kriegsgerät erbeutet.
Die Gesamtbeute aus der Winterschlacht in Masuren steigt damit bis heute auf 7 Generäle, über 100000 Mann, über 150 Geschütze und noch nicht annähernd übersehbares Gerät aller Art einschließlich Maschinengewehren.
Schwere Geschütze und Munition wurden vom Feind mehrfach vergraben oder in den Seen versenkt. Es sind gestern bei Lötzen und im Widminner See acht schwere Geschütze von uns ausgegraben oder aus dem Wasser geholt worden.
Die 10. russische Armee des Generals Baron Sievers kann hiermit als völlig vernichtet angesehen werden.
Neue Gefechte beginnen sich bei Grodno und nördlich Suchawola zu entwickeln. Die gemeldeten Kämpfe nordwestlich Ossowiez und Lomza sowie bei Prasznysz nehmen ihren Fortgang. In Polen südlich der Weichsel nichts Neues.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der große Sieg in Masuren

Zur Meldung über das Endergebnis der Schlacht in Masuren schreibt die "Frankfurter Zeitung":
In tagelangen Verfolgungskämpfen haben die siegreichen Armeen Hindenburgs die volle Ernte der Winterschlacht in Masuren eingebracht. Unerhörte Zahlen geben uns jetzt eine Ahnung von dem Umfange der Katastrophe, die eine ganze russische Armee vernichtet hat. Über 100000 Mann sind gefangen, mit ihnen sieben Generäle. In der Schlacht von Tannenberg, wo annähernd gleich starke russische Streitkräfte den Deutschen gegenüberstanden, blieb die Gefangenenzahl noch um einige Tausend hinter der zurück, die uns heute gemeldet wird. Man muß auf Beispiele aus früheren Kriegen zurückgreifen, um die fast ungeheuerliche Größe dieses Geschehnisses zu begreifen. Bei Mukden, wo eine größere russische Armee gegen die Japaner kämpfte als in Masuren gegen die Deutschen, konnte der Sieger etwa 20000 Gefangene machen; der ganze Feldzug in Ostasien kostete die Russen noch nicht die Hälfte der Gefangenen, die sie in den letzten Tagen in Masuren und darüber hinaus in Russisch-Litauen eingebüßt haben. Daß die blutigen Verluste des Feindes ebenfalls sehr hoch sind, hat uns schon der erste Bericht der Heeresleitung über die Winterschlacht gemeldet; bei der Anlage der Vernichtungskämpfe und der Art des Geländes, das überall mit dichten Wäldern durchzogen ist, wird man kaum zu hoch greifen, wenn man die Zahl der Toten ebenso hoch ansetzt wie die der Gefangenen. Das macht zusammen einen Verlust an Menschen, den auch das "unerschöpfliche" Rußland nur sehr schwer ertragen kann.
Gewaltig sind auch die Zahlen der Siegesbeute an Kriegsmaterial. Die 150 Geschütze, die unsere Heere den Russen abgenommen haben, scheinen zwar wenig im Vergleich zur Siegesbeute von Tannenberg, wo ein halbes Tausend russischer Feuerschlünde auf der Walstatt liegen blieb. Aber auch hier liegt ein Vergleich mit Mukden nahe, wo die Japaner der damals gewiß reich ausgestatteten russischen Armee im ganzen 53 Geschütze wegnehmen konnten. Die Einbuße an Artillerie, die das russische Heer schon im ersten Halbjahr des Krieges erlitten hat, ist so groß, daß sicherlich nur ein Teil durch die Lieferungen, die aus Japan und Amerika eintreffen mochten, gutzumachen war. Außerdem dürften die Russen unverhältnismäßig große Teile ihres Artillerieparks vor unserer Front im mittleren Polen vereinigt haben. Daß dadurch die artilleristische Ausstattung der einzelnen Armeen viel schwächer wird als sie zu Beginn des Krieges war, ist eigentlich selbstverständlich. Es ist kaum anzunehmen, daß es den wenigen versprengten russischen Truppen, die sich noch hinter die schützende Njemen-Linie retten konnten, gelungen sei, auch nur einen Teil der Artillerie der zehnten Armee in Sicherheit zu bringen. Die Verhältnisse, die sich während der Flucht und der letzten Verzweiflungskämpfe herausgebildet haben, gehen deutlich daraus hervor, daß die Russen ihre eigenen Geschütze vergruben oder im Wasser versenkten, daß sie selber also an der Hoffnung verzweifelten, noch etwas davon in Sicherheit zu bringen. Der Verlust des ganzen übrigen Kriegsgeräts, das für Deutschland schon seinem materiellen Wert nach einen reichen Gewinn bedeuten dürfte, ist für die Russen nicht minder empfindlich. Ihre eigenen Fabriken und Werkstätten können die Lücken nur zum allergeringsten Teil wieder auffüllen; die westlichen Verbündeten Rußlands haben mit ihren eigenen Armeen vollauf zu tun. Die "neutralen" und die befreundeten Lieferanten aus Amerika und Japan aber verlangen bare Bezahlung für jedes Stück, das sie herstellen.
Den strategischen Gewinn des Sieges in Masuren einzuschätzen, ist noch nicht möglich. Daß er hinter dem materiellen der Siegesbeute, hinter den wuchtigen Schlägen der Vernichtung nicht zurückbleiben wird, dafür bürgt uns das Genie der großen Führer unserer Heere im Osten.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

40000 russische Gefangene aus den Karpathenkämpfen

Wien, 22. Februar, vormittags.
Amtlich wird verlautbart:
An der Front in Russisch-Polen und Westgalizien Artilleriekämpfe und Geplänkel. Vereinzelte Vorstöße des Feindes wurden mühelos abgewiesen.
In den Karpathen zahlreiche russische Angriffe, die im westlichen Abschnitt auch während der Nacht andauerten. Alle diese Versuche, bis zu unseren Hindernislinien vorzugehen, scheiterten unter großen Verlusten für den Feind.
Südlich des Dnjestr entwickeln sich Kämpfe im größeren Umfange. Eine starke Gruppe des Feindes wurde gestern nach längerem Kampfe geworfen. 2000 Gefangene wurden gemacht, vier Geschütze und viel Kriegsmaterial erbeutet.
Die in einem offiziellen russischen Communiqué als falsch bezeichnete Summe von 29000 Mann Kriegsgefangenen, die unsere Truppen bis vor einigen Tagen in den Karpathen seit Ende Januar eingebracht haben, hat sich mittlerweile vergrößert und ist auf 64 Offiziere, 40806 Mann gestiegen. Hinzu kommen 34 Maschinengewehre und 9 Geschütze.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Ein "Zeppelin" über Calais

Paris, 22. Februar. (Priv-Tel.)
Die "Agence Havas" meldet:
Ein deutsches Luftschiff hat heute morgen 4.10 Uhr Calais in der Richtung nach Osten überflogen. Es hat Bomben abgeworfen, die das Bahngeleise der Bahnlinien St. Omer nach Hazebrouck und Dünkirchen beim Bahnhof von Foutinettes beschädigten. Der Schaden ist bereits ausgebessert. Drei abgeworfene Bomben haben keinen Schaden verursacht. Zwei Bomben fielen dagegen in einer Straße beim Bahnhof nieder und beschädigten zwei Gebäude. Es gab fünf Opfer.

Die "Frankfurter Zeitung" bemerkt zu dieser Meldung:
Die Tatsache dieses Luftbesuchs und der Bombardierung, die auch in den französischen Tagesberichten erwähnt sind, dürfte in Wirklichkeit den Verbündeten beträchtlich unangenehmer sein, als man zunächst aus dieser Meldung schließen könnte. Es ist bekannt, daß beträchtliche englische Truppentransporte in diesen Tagen gelandet sind und an die Front geschickt werden sollen. Ihre Fahrt dürfte durch die Zerstörungen, die durch die Zeppelinbomben angerichtet worden sind, immerhin gestört worden sein, selbst wenn es den Franzosen wirklich gelungen sein sollte, die Schäden auf den Bahnlinien rasch wieder auszubessern. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß für die Bombardierung ein äußerst günstiges Gebiet ausgewählt worden ist. St. Omer ist ein außerordentlich wichtiger Knotenpunkt, über den unter anderen die Hauptverbindung von Calais und Dünkirchen nach Bethune und dem ganzen weiteren Kampfraum von Lille, sowie die Linie nach Hazebrouck und Armentieres führt. In dem dicht südöstlich von St. Omer gelegenen Bahnhof von Les Fontinettes mündet auch die direkte Linie, die von Boulogne über St. Omer zur englischen Front läuft. Man begreift darum, warum die Franzosen es nicht nur eilig haben, den Schaden wieder auszubessern, sondern auch das Publikum diesseits und jenseits des Kanals zu beruhigen.

 

Der russische Bericht über die gewaltige Niederlage in Masuren
Stanislau von österreichisch-ungarischen Truppen besetzt

Petersburg, 22. Februar.
Der Große Generalstab veröffentlicht folgendes Communique:
Als die Deutschen nach einer Reihe außergewöhnlich heftiger und hartnäckiger Angriffe, die sie unzählige Opfer kosteten, die Unmöglichkeit erkannt hatten, unsere Stellung auf dem linken Weichselufer einzudrücken, schritten sie Anfang Januar dazu, einen neuen Plan ins Werk zu setzen. Nachdem sie im Innern des Landes die Formationen mehrerer neuer Armeekorps beendet hatten und sich dazu entschlossen hatten, weitere Truppen von ihrer Westfront abzutransportieren, um sie gegen uns operieren zu lassen, warfen sie unter Benutzung ihres außerordentlich entwickelten Eisenbahnnetzes bedeutende Streitkräfte nach Ostpreußen und versuchten, unsere 10. Armee, die stark organisierte Stellungen längs der Angerapp und der Masurischen Seen besetzt hielt, zu schlagen. Um den Erfolg dieses Planes sicherzustellen, transportierten die Deutschen auch einen Teil ihrer Kontingente von der Bzura- und Rawkafront auf das rechte Weichselufer. Die Ansammlung der deutschen Kräfte in Ostpreußen wurde bereits am 4. Februar entdeckt, aber der Umfang dieser Ansammlung konnte mit Sicherheit erst einige Tage später festgestellt werden. Unsere Oberbefehlshaber entschlossen sich, da sie keine Eisenbahnen hatten, um mit der nötigen Schnelligkeit an der Front in Ostpreußen die Kräfte zu vereinigen, die unerläßlich waren, um in gebührender Weise dem Vorstoße des Feindes standzuhalten, die obenerwähnte Armee aus Ostpreußen gegen die Grenze und noch weiter bis gegen den Njemen und den Bobr zurückzuführen. Bei dieser Bewegung des rechten Flügels wurde die 10. Armee von bedeutenden feindlichen Kräften bedrängt und mit einer Umgehung der rechten Flanke bedroht. Sie war also zu einer schleunigen Frontänderung in der Richtung Kowno gezwungen. Diese schleunige Bewegung entblößte die Flanke des nachfolgenden Korps, das sich infolgedessen in äußerst bedrängter Lage befand. Nur einzelne Abteilungen konnten entrinnen. Die anderen Korps der 10. Armee, die den Feind ununterbrochen mit Heftigkeit bekämpften, wurden langsam in die ihnen befohlenen Richtungen zurückgenommen. Dabei ergriffen sie selbst die Offensive, drängten den Feind kräftig zurück und brachten ihm furchtbare Verluste bei, wobei sie die unglaublichen Schwierigkeiten überwanden, die durch den tiefen, alles einhüllenden Schnee entstanden waren. Die Straßen waren ungangbar, Automobile konnten nicht vorwärts kommen, der Train hatte Verspätung und konnte oft seinen Bestimmungsort nicht erreichen. Schritt für Schritt langsam zurückweichend, hielten diejenigen unserer Korps, die den linken Flügel der 10. Armee bildeten, den Feind durch neun Tage aus einer Strecke zurück, die man gewöhnlich in vier Tagen durchmißt. Diese Korps wurden am 19. Februar über Augustow zurückgenommen, aus der Kampflinie gebracht und bezogen die ihnen anbefohlenen Plätze. Gegenwärtig entwickeln sich die Aktionen an der deutschen Front in der Gegend von Ossowiec, auf den Straßen von Lomza, nach Edvabno, nördlich von Kadzidlo, auf dem halben Wege von Plock nach Glonsk. Stellenweise sind diese Kämpfe sehr hartnäckig. Rechts von der Weichsel auf der Straße von Plock wurden österreichische Abteilungen zwischen den deutschen Truppen entdeckt. In den letzten zwei Tagen machten wir ungefähr 1000 Deutsche zu Gefangenen. In Galizien ging der Feind am 19. und 20. Februar nach einem vorbereitenden Artilleriefeuer, das äußerst heftig war, im Norden von Zakliczyn zur Offensive über, wurde jedoch nach einem dreimaligen wiederholten Angriff zurückgeschlagen. Die Kämpfe zwischen Mezölaborcz und dem unteren San dauern unter fortwährendem Wechsel von Angriff und Abwehr an. Neue Angriffe der Deutschen gegen die Höhen von Koziovka und in der Gegend von Neurozanka wurden alle zurückgeschlagen. Unsere Truppen bemächtigten sich nach erbitterten Kämpfen der Höhen südöstlich von Dukla, nordwestlich von Beneczow. In Südgalizien besetzte der Feind Stanislau.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Februar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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