Die
Siegesbeute der Schlacht in Masuren
Berlin,
7. März. (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier wird der "Frankfurter Zeitung"
über den Untergang der russischen Zehnten Armee folgendes geschrieben:
Am 21. Februar hatten die Reste der Zehnten Armee im Augustower Forste
die Waffen gestreckt, nachdem alle Versuche des russischen Armeeführers
Generals Sievers, mit den ihm verbliebenen über den Bobr und nach Grodno
entkommenen Armeeteilen die eingekesselten vier Divisionen herauszuhauen,
unter schwersten Verlusten gescheitert waren. Der Wald von Augustow barg
nun eine ungeheure Beute. Sie zu bergen war keine Kleinigkeit, da die
deutsche Truppe auch in den auf die Kapitulation folgenden Tagen eine
Anzahl russischer Angriffe abzuwehren hatte, die von frischen feindlichen
Truppen aus der Festung Grodno heraus und über den Bobr hinweg geführt
wurden. Trotzdem trafen schon vom 23. Februar ab die ersten erbeuteten
Geschütze in Suwalki und Augustow ein, deren Zahl sich von Tag zu Tag
vermehrte, so daß hier große Parks von je 80 bis 100 Geschützen jeden
Kalibers entstanden. Längere Zeit beanspruchte die Bergung der übrigen
Beute. Da lagen ungeheure Mengen in dem Waldgebiete östlich von Augustow
bis hinaus nach Makakze. Auf der großen Straße nach Grodno zwischen Augustow
und Lipszk waren allein etwa 50 vollgefüllte russische Munitionswagen
stehen geblieben.
Auch der Weg über Czarnybrod-Radafka-Supotzkin zeigte auf Schritt und
Tritt die Spuren des russischen Rückzuges. Nahe diesen beiden Straßen
begegnet man im Forste überall flüchtig aufgeworfenen russischen Schützengräben
sowie notdürftig errichteten Erdhütten oder Erdlöchern. Schier unermeßlich
wurde die Beute in dem Grodno zugelegenen südöstlichen Teil des Augustower
Forstes, wo die eingekesselten vier Divisionen die letzten Tage zugebracht
und wo sie schließlich auch kapituliert haben. Bei dem Vorwerke Ljubinowo
zählte man allein 100 Kriegsfahrzeuge aller Art. Losgerissene Artillerie-
und Bagagepferde umschwärmten zu Dutzenden das Vorwerk, viele davon trugen
noch ihre ganzen Geschirre, andere hatten sich dieser schon entledigt.
Ähnliche Bilder waren bei den Dörfern Markowitz und Bogatyri zu beobachten.
Bei Wolkusch betrug die Zahl der liegengebliebenen Munitionswagen und
Fahrzeuge der Gefechtsbagage mehrere hundert. Ganze Stapel russischer
Gewehre waren hier aufgeschichtet, daneben lagen Fernsprechgerät und Geschirre
in großer Zahl.
Am größten aber war das Bild der Zerstörung in dem Waldgelände zwischen
Gut Wolkusch und Vorwerk Mlyneck. Hier lagen ganze russische Bagagekolonnen,
die vom deutschen Artilleriefeuer niedergemacht worden waren. Bei Vorwerk
Mlyneck erlitt eine anscheinend im Übergang über den Wolkuschbach begriffene
Munitionskolonne ein gleiches Schicksal. Die gefüllten Munitionswagen
lagen hier teilweise umgestürzt rechts und links des Weges beiderseits
des Baches.
Einige Fahrzeuge wurden von den durchgehenden Pferden bis ins Wasser gezogen
und kippten hier um. In dem tiefen Mühlenschachte hingen zwei Pferde,
die in ihrer Verzweiflung hineingesprungen und hinuntergestürzt waren,
da sie anscheinend die Brücke selbst versperrt vorgefunden hatten. Bei
Bartinicki und Staroshintzy findet man die Spuren des letzten russischen
Widerstandes in Gestalt von Schützengräben und Erdlöchern. Von hier aus
machten die Russen die letzten Versuche, den eisernen deutschen Ring zu
durchbrechen. Auf der Wegstrecke zwischen Mlyneck und Bartinicki lagen
Hunderte schwerer russischer Granaten, die hier von den Kanonieren entweder
fortgeworfen oder bei der Kapitulation liegengeblieben waren.
Von nicht unerheblichem Interesse ist eine Reihe russischer Befehle, die
in den Befehls- und Telegraphenbüchern der Bagagen der höheren Stäbe gefunden
wurden. Wir geben den Wortlaut von einigen dieser Befehle hier wieder:
Das Oberkommando der russischen Zehnten Armee erließ am 5. Dezember den
folgenden Befehl: "Der Oberbefehlshaber hat pünktliche Befolgung
des Befehls der Obersten Heeresleitung angeordnet, wonach beim Angriff
alle männlichen Landeseinwohner im arbeitsfähigen Alter vom zehnten Lebensjahre
ab vor sich herzutreiben sind."
Befehl vom 5. Dezember: "Der Oberbefehlshaber der Nordwestfront teilt
telegraphisch mit, daß bei ihm täglich Klagen der Landeseinwohner über
Plünderung einlaufen. Es sollen dagegen die schärfsten Maßnahmen ergriffen
werden. Es sind Fälle vorgekommen, daß feindliche Truppen unsere Dörfer
durchzogen und diese völlig unberührt ließen, während unsere eigenen Truppen
diese Dörfer hinterher ausgeplündert haben. Es ist sehr bedauerlich, daß
solche Fälle in unserer Armee vorkommen."
Befehl vom 7. Februar: "Der Höchstkommandierende hat befohlen, auf
die sich häufenden Fälle des Fehlens jeder Verbindung längs der Front
und bei den hintereinanderliegenden Truppenteilen hinzuweisen. In dieser
Hinsicht ist die Nachlässigkeit so weit gegangen, daß letzthin zwei zum
Angriff angesetzte Truppenteile statt gegen den Feind gegeneinander selbst
vorgegangen sind und sich im Feuergefecht Verluste zufügten, wobei sie
erst auf Entfernung eines Bajonettangriffs Halt machten."
Befehl vom 9. Februar (Rückzugsbefehl): "Geschütze, die nicht mitgenommen
werden können, sind zu vergraben, Verschlüsse und Aufsätze sind herauszunehmen
und wenn möglich in den nächsten See zu versenken. Die Geschosse sind
mitzuführen und wenn dies unausführbar, zu versenken." (Nach Gefangenenaussage
wurden in Ostpreußen schwere Geschütze vergraben und die betreffende Stelle
mit einem Holzkreuz versehen, um ein Russengrab vorzutäuschen.)
Der Chef der Gendarmerie des Kreises Suwalki ordnete an: "In letzter
Zeit beginnen Briefe unserer Kriegsgefangenen einzutreffen. Es ist aufgefallen,
daß Briefschreiber, um ihre Briefe schneller zum Ziele gelangen zu lassen,
zu der List greifen, das Leben in der Gefangenschaft in günstigem Lichte
erscheinen zu lassen. Die unintelligenten Empfänger dieser Briefe können
sich hierdurch eine verkehrte Vorstellung der wie bekannt sehr schweren
Lebensbedingungen unserer in feindlicher Gefangenschaft befindlichen Soldaten
machen und auf diese Weise eine verführerische Wirkung auf unsere Truppen
ausüben. Die Verbreitung solcher der Wahrheit nicht entsprechenden Mitteilungen
bei den Truppen und Dienstpflichtigen erscheint unerwünscht."
Dieselbe Stelle erließ am 29. Januar folgende als ganz geheim bezeichnete
Weisung über die Behandlung deutscher kriegsgefangener Offiziere: "Nach
Mitteilungen, die dem Stab des Dünaburger Militärbezirks zugegangen sind,
sind in letzter Zeit wieder Fälle beobachtet worden, in denen Kriegsgefangenen,
besonders Offizieren, zu weitgehende Aufmerksamkeiten und Vergünstigungen
zuteil wurden. Der Oberkommandierende des Bezirks befiehlt daher die strengste
Befolgung folgender Vorschriften: 1. Kriegsgefangene Offiziere sind in
Wagen dritter Klasse, aber getrennt von den Mannschaften, zu befördern.
Sie dürfen ihre Burschen nicht bei sich behalten; diese sind vielmehr
mit den übrigen Mannschaften zu befördern. 2. Als Offiziersquartiere sind
die gleichen Räume wie für Mannschaften auszusuchen, aber getrennt von
diesen. 3. Die Offiziere erhalten dasselbe Essen wie die Mannschaften.
Besondere Vergünstigungen sind durchaus unstatthaft. Unterschrift (unleserlich)
Oberst."
|