Der Weltkrieg am 19. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erfolgreiche Kämpfe um den Sanübergang

Großes Hauptquartier, 19. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich von Ypern nahmen die Kämpfe auf dem östlichen Kanalufer einen für uns günstigen Verlauf. Südlich von Neuve Chapelle setzten die Engländer nach starkem Artilleriefeuer an einzelnen Stellen zu neuen Angriffen an. Sie wurden überall abgewiesen. Auf der Lorettohöhe nahmen wir einige feindliche Gräben und erbeuteten dabei zwei Maschinengewehre. Ein starker französischer Angriff gegen den Südteil von Neuville brach unter schwersten Verlusten für den Feind in unserem Feuer zusammen. Im Priesterwald versuchten die Franzosen um Mitternacht vorzubrechen, wurden aber durch unser Artilleriefeuer niedergehalten.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Auf der Linie Shagori-Frauenburg sind gestern stärkere feindliche Kräfte angetreten. Nördlich und südlich des Njemen dauern die Kämpfe weiter an.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Russen versuchten gestern das weitere Vorschreiten unserer über den San (nördlich Przemysl) vorgedrungenen Truppen durch Gegenangriff aufzuhalten. Alle diese Angriffe scheiterten unter schweren Verlusten für den Feind. Eine aus Hannoveranern und Oldenburgern bestehende Division hat in den letzten beiden Tagen bei den Kämpfen um den Sanübergang 7000 Gefangene gemacht sowie 4 Geschütze und 28 Maschinengewehre erbeutet. Zwischen Pilica und oberer Weichsel, sowie südöstlich Przemysl werden die Kämpfe fortgesetzt.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 19. Mai, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Die auf das östliche Sanufer vorgedrungenen verbündeten Truppen warfen gestern starke russische Kräfte, die sich nordöstlich Jaroslau neuerdings gestellt hatten, bis über die Lubaczowka zurück. Sieniawa wurde erobert. Der Übergang über den San auch dort erzwungen, hierbei 7000 Gefangene gemacht, 8 Geschütze erbeutet. In den Morgenstunden versuchte feindliche Gegenangriffe wurden blutig zurückgeschlagen.
Die Kämpfe am oberen Dnjestr und in der Gegend von Stryj dauern fort. Unsere Angriffskolonnen erstürmten nördlich Sambor mehrere Höhenstellungen der Russen und eroberten vom Feinde hartnäckig verteidigte Ortschaften.
An der Pruthlinie hat sich nichts Wesentliches ereignet.
In Russisch-Polen wird im Berglande von Kielce gekämpft.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Die Operationen in Galizien

Berlin, 19. Mai. 
Aus dem Großen Hauptquartier erhalten wir über den Fortgang der Operationen in Galizien folgendes Telegramm:
Nachdem Fürst Radko Dimitriew, der geschlagene russische Heerführer, in der Durchbruchsschlacht und während der anschließenden Verfolgung der Verbündeten bis zum 12. Mai 140000 Gefangene, gegen 100 Geschütze und 300 Maschinengewehre eingebüßt hatte, befahl er den Rückzug an den unteren San, der von Przemysl an bis zur Mündung gehalten und aktiv verteidigt werden sollte. Hierzu hatte sich die Armee, wie gefangene Offiziere aussagen, auf dem westlichen Flußufer aufzustellen und bis zum äußersten zu halten. Ausdrücklich soll in einem Armeebefehle auf angriffsweises Vorgehen gegen den Feind hingewiesen worden sein. Theoretisch war eine solche Verteidigungsweise wohl möglich, nachdem die Russen während der vergangenen Monate im Weichsel-San-Bogen bei Sieniava, dann bei Jaroslau und Radymno große stark ausgebaute Brückenköpfe auf dem westlichen Flußufer angelegt hatten.
Die Ausführung des Befehls sollte sich aber praktisch als unausführbar erweisen.
Die Truppe war durch die erlittene Niederlage und den Rückzug so schwer erschüttert und durcheinander geraten, daß nur eine passive Verteidigung der Sanlinie möglich wurde, fanden doch unsere gegen den San vorrückenden Truppen unter den Gefangenen immer wieder Versprengte aus allen möglichen Verbänden der russischen Front und berichteten diese Gefangenen doch übereinstimmend, daß die russischen Führer bestrebt seien, durcheinandergekommene Verbände neu zu formieren ohne jede Rücksicht auf eine Rangierung nach früherer Regiments-Zugehörigkeit. Von den verschiedensten Kriegsschauplätzen her wurden die entbehrlich scheinenden Teile herangezogen und mit der Bahn an den unteren San gebracht, so daß sich an dieser Fluglinie den Verfolgern nicht weniger als 23 verschiedene Infanteriedivisionen entgegenstellen sollten. Radko Dimitriew mußte aber wohl inzwischen das Vertrauen in die Widerstandskraft eines großen Teiles seiner bei Gorlic-Tarnow beteiligt gewesenen Truppen verloren und die am schwersten erschütterten Verbände weit hinter den San zurückgenommen haben. Denn unsere Flieger meldeten am 12. und 13. Mai den Rückmarsch langer russischer Kolonnen vom unteren San nach Osten und Nordosten.
Es blieb demnach im wesentlichen Aufgabe der neuangekommenen Verstärkungen, den San zu halten, besonders den Brückenkopf von Jaroslau, auf dessen Behauptung der russische Armeeführer viel Wert zu legen schien. Am 14. Mai begannen die Verbündeten, die Przemysl von Süden her abgeschlossen und längs der ganzen Sanlinie bis nahe an den Fluß und dessen Brückenköpfe herangerückt waren, mit dem Angriff auf Jaroslau. Der Feind hatte die Höhen westlich dieser Stadt zu einer Art Festung ausgebaut. Von langer Hand vorbereitet zogen sich hier die Schützengräben in weitem nach Westen gerichteten Bogen vom Flusse durch die westlichen Vorstädte nach dem Meierhof und Schlosse des Grafen von Schimienski und durch den Park zur Jupajowkahöhe, die mit Schloß und Meierhof den Schlüsselpunkt der Stellung bildete. Regimentern der preußischen Garde und des 6. österreichisch-ungarischen Armeekorps war es vorbehalten, sich in den Besitz von Stadt und Brückenkopf Jaroslau zu setzen. Die russischen Verteidiger bestanden aus der 62. Division, zu deren Unterstützung Teile der 41. und 45. Division beschleunigt herangeführt wurden, welche die dortigen Befestigungsanlagen besetzten und durch Neuanlage von Drahthindernissen in aller Eile noch weiter zu verstärken suchten. In zweitägigem Kampfe entriß die Garde dem Feinde die Stadt Jaroslau und warf ihn hinter den Fluß zurück, die Regimenter Elisabeth und Alexander erstürmten untermischt mit österreichisch-ungarischen Truppen im Nachtangriff Meierhof und Schloß samt Park, dessen uralte Bäume von den Granaten gleich Streichhölzern geknickt, während die umfangreichen Schloßbauten in Schutt und Asche gelegt wurden. Das österreichische Linienregiment 56 und Honveds entrissen dem Feinde den Gipfel der Jupajowkahöhe. Bei diesen Kämpfen fielen etwa 4000 unverwundete Russen in Gefangenschaft, einzelne Regimenter, wie z. B. das 247., wurden so gut wie aufgerieben und bestehen nicht mehr.
Am Abend des 15. Mai war Jaroslau und der ganze Brückenkopf in der Hand der Verbündeten. Die geräumige Stadt mit ihren alten polnischen Renaissancebauten und der prächtigen neuen, in byzantinischem Stile gehaltenen Kirche war erhalten geblieben. Die Russen brannten die Brücken hinter sich ab, nachdem sie auch die Bahnhofsanlagen den Flammen übergeben hatten. 
1) 

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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