Der Weltkrieg am 23. Juni 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Verfolgung der Russen östlich von Lemberg - Eine Höhe in den Vogesen erstürmt

Großes Hauptquartier, 23. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Gestern nahmen wir die Festung Dünkirchen sowie feindliche Truppenansammlungen bei den Ortschaften Bergues, Hondschoote, Furnes und Cassel unter Feuer.
Bei Givenchy dicht nördlich des Kanals von La Bassée und bei Neuville wurden Angriffe durch unser Artilleriefeuer im Keime erstickt. Südlich von Souchez machten wir im Grabenkampf gute Fortschritte.
Auf den Maashöhen setzten die Franzosen ihre Durchbruchsversuche ohne den geringsten Erfolg fort, sämtliche Angriffe wurden unter erheblichen Verlusten für den Feind abgeschlagen. Bisher machten wir 280 unverwundete Franzosen, darunter 3 Offiziere, zu Gefangenen und erbeuteten 7 Maschinengewehre sowie 20 Minenwerfer.
Die Vorpostengefechte östlich von Lunéville dauern noch an. In den Vogesen stürmten wir die seit Monaten heiß umstrittene, die Umgebung beherrschende Höhe 631 bei Ban de Sapt. 193 Gefangene, 3 Maschinengewehre, 1 Minenwerfer und anderes Material waren unsere Beute. Feindliche Wiedereroberungsversuche blieben erfolglos.
Südlich von Neuville brachte eines unserer Kampfflugzeuge einen feindlichen Flieger zum Absturz.
Die amtliche französische Meldung, daß sich belgische Truppen im Südwesten von St. Georges eines deutschen Schützengrabens bemächtigt hätten, ist glatt erfunden.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Nichts Neues.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Lemberg wurde gestern nachmittags durch österreichisch-ungarische Truppen im Sturme genommen, daran anschließend nachts die Szczerekstellung zwischen dem Dnjestr bei Mikolajow und Lemberg. Weiter nördlich ist in der Verfolgung die Linie östlich von Lemberg-Zoltance-Turynka (nordöstlich von Zolkiew) erreicht. Bei Rawa-Ruska und westlich davon ist die Lage unverändert.
Im San-Weichsel-Winkel und links der oberen Weichsel beginnen die Russen zu weichen.

Oberste Heeresleitung. 1)

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier: 
Erstürmung der Höhe von Ban de Sapt in den Vogesen

 

Generalfeldmarschall von Mackensen

Mackensen

August von Mackensen

Danzig, 23. Juni. 
Wie die "Danziger Zeitung" zuverlässig erfährt, ist Generaloberst v. Mackensen anläßlich der Siege in Galizien zum Generalfeldmarschall ernannt worden.
1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Der Rückzug der Russen in Südpolen - 
Die bisherigen Mißerfolge der Italiener

Wien, 23. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Nordwest- und die Westfront des Gürtels von Lemberg waren im Zuge der russischen Verteidigungsstellung Zolkiew-Mikolajow von starken russischen Kräften besetzt. Um 5 Uhr vormittags des 22. Juni erstürmte Wiener Landwehr das Werk Rzezna an der Straße Janow-Lemberg. Von Nordwest drangen zu dieser Zeit unsere Truppen über die Höhen östlich des Mlynowkabaches vor und erstürmten einige Schanzen vor Höhe Lysa Gora. Im Laufe des Vormittags wurden im weiteren Vordringen gegen die Stadt die übrigen Werke und Verteidigungsanlagen der Nordwest- und der Westfront in blutigem Kampfe genommen. Hierdurch war die russische Front neuerdings durchbrochen, der Feind, der abermals schwere Verluste erlitt, zum Rückzuge gezwungen. Unsere Truppen drangen in der Verfolgung bis über die Höhen östlich und nordöstlich der Stadt vor und überschritten südlich Lemberg die Straße, die nach Mikolajow führt. Unter dem Jubel der Bevölkerung zog General der Kavallerie Boehm-Ermolli um 4 Uhr nachmittags mit Truppen der zweiten Armee in Lemberg ein.
Auch bei Zolkiew und östlich Rawa-Ruska sind die Russen im Rückzuge. Vereinzelte Vorstöße des Gegners am Tanew wurden abgewiesen.
Heute nacht trat der Feind zwischen San und Weichsel sowie im Berglande von Kielce den weiteren Rückzug an, überall verfolgt von den verbündeten Truppen.
Am Dnjestr ist die allgemeine Lage unverändert
Italienischer Kriegsschauplatz:
In dem nun abgelaufenen ersten Kriegsmonat haben die Italiener keinen Erfolg erzielt. Unsere Truppen im Südwesten behaupten, wie zu Beginn des Krieges, ihre Stellungen an oder nahe der Grenze. An der Isonzofront am befestigten Grenzraum Flitsch-Malborghet, am karnischen Kamm und an allen Fronten von Tirol brachen sämtliche Versuche feindlichen Vordringens unter schweren Verlusten zusammen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Abgeschlagener englisch-französischer Angriff bei Sed-ül-Bahr

Konstantinopel, 23. Juni.
Das türkische Hauptquartier meldet:
An der Dardanellenfront unternahm der Feind mit Unterstützung seiner großkalibrigen Kanonen und der jüngst erhaltenen Verstärkungen am Morgen des 21. Juni mehrere Angriffe gegen unsere Gruppe südlich von Sed-ül-Bahr, doch scheiterten auch diese Angriffe, welche bis nach Mitternacht dauerten, vollständig. Der Feind, der sehr blutige Verluste erlitt, wurde vertrieben und nach seinen früheren Stellungen zurückgedrängt. Am 20. Juni beschädigte eine unserer der Gruppe nördlich von Ari Burun angehörenden Batterien mit ihrem wirksamen Feuer zwei große feindliche Transportschiffe, welche in dieser Gegend der Küste kreuzten, und zwang sie, sich zu entfernen. Am 21. Juni morgens zerstörte unsere Artillerie vollständig eine Batteriestellung, die der Feind aufzubauen im Begriff war.
Von den anderen Fronten wird nichts Wichtiges gemeldet. 

 

Die siegreiche Schlacht bei Sed-ül-Bahr

Konstantinopel, 23. Juni, abends. 
An der Kaukasusfront bemächtigten sich unsere Truppen, die sich in der Richtung Olty befinden, gestern nach erbittertem Kampfe des zweitausendneunhundert Meter hohen Karadagh, der in der Gegend von Kale Boghazi zwei Stunden von unserer Grenze entfernt liegt. Wir erbeuteten von dem nach Osten flüchtenden Feind mehrere hundert Kisten Munition und eine Menge Material der Pioniere. An der Dardanellenfront wurde am 22. Juni ein am Ufer bei Ari Burun vorüberfahrendes feindliches Torpedoboot durch zwei von unserer Feldartillerie abgefeuerte Granaten getroffen, worauf es sich entfernte.
Die Schlacht bei Sed-ül-Bahr am 21. Juni, die fast 24 Stunden dauerte und mit einer Niederlage des Feindes endete, verlief folgendermaßen: Der Feind bereitete einen wirksamen Angriff vor, indem er besonders während fünf Tagen ohne Unterbrechung mit seiner schweren Artillerie unsere Schützengräben bombardierte, die einen Teil des linken Flügels unserer Gruppe bei Sed-ül-Bahr bildeten. Am 21. Juni, morgens 5 Uhr, hatte der Feind, nachdem er dieses Feuer noch verstärkt hatte, indem er hundertfünfzig Granaten in der Minute abfeuerte, infolge eines Sturmangriffs und dank beständig bei ihm eingetroffener Verstärkungen einen Teil unserer Schützengraben auf unserem linken Flügel besetzt, die übrigens sehr dicht an ihn herangeschoben waren. Diese Schützengräben gingen aus unseren Händen mehrere mal in die des Feindes infolge wiederholter Gegenangriffe über. Gegen Abend blieb nur noch ein 100 Meter langes Stück Schützengraben in den Händen des Feindes. In der Nacht vom 21. zum 22. Juni nahmen unsere Truppen, die während des Kampfes am Tage großen Heldenmut gezeigt hatten, durch energischen Angriff und nächtliche Überraschung dieses Stück Schützengraben dem Feinde wieder ab, der schließlich trotz großer Munitionsverschwendung und unter großen Verlusten für ihn in Unordnung in seine alten Stellungen zurückgeworfen wurde. Gestern versuchte der Feind keine Kampfhandlung, nur am Morgen und am Abend dauerte der Artilleriekampf mit Unterbrechungen auf unserem linken Flügel an. Auf den übrigen Fronten ereignete sich nichts von Bedeutung. 
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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