Der Weltkrieg am 26. Juni 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Armee Linsingen im Kampfe nördlich des Dnjestr - Russische Stellungen bei Prasznysz erstürmt - Abgeschlagene französische Angriffe

Großes Hauptquartier, 26. Juni.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Die seit Tagen ununterbrochen geführten Nahkämpfe um die noch in der Hand des Feindes befindlichen Teile unserer Stellungen nördlich von Souchez und halbwegs Souchez - Neuville sind abgeschlossen. Heute nacht wurden die letzten Franzosen aus unseren Gräben geworfen. Zu ihrer Unterstützung hatte der Feind noch gestern abend frische Kräfte sowohl beiderseits der Lorettohöhe wie südlich Souchez zum Angriff vorgeführt, sie wurden abgeschlagen.
In der Champagne bei Souain sprengten wir Teile der feindlichen Stellung, östlich Perthes vernichteten die Franzosen eigene Verteidigungsanlagen durch Fehlsprengungen.
Auf den Maashöhen westlich von Combres wurde hart gekämpft. Dort setzte der Gegner beiderseits der Tranchée viermal mit stets neuen Truppen in einer Frontbreite von etwa drei Kilometer zu tiefgegliederten Angriffen an. Wo der Feind in unsere Gräben drang, wurde er unter großen Verlusten im Handgemenge zurückgeworfen. Im Nachstoß eroberten wir westlich der Tranchée eine vorgeschobene feindliche Stellung, östlich derselben hält der Feind noch ein kleines Stück des am 20. Juni eroberten Grabens. - Angriffe des Gegners auf unsere Vorposten bei Leintrey (östlich von Lunéville) schlugen fehl.
Seit Beginn des großen Ringens bei Arras kämpfen dort unsere Flieger mit ihren Gegnern um die Vorherrschaft in der Lust. Beiden Teilen hat der Kampf Verluste gekostet, die unsrigen waren nicht vergeblich; seit einigen Tagen haben wir sichtlich die Oberhand gewonnen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Württembergische Regimenter erstürmten südöstlich Oglenda (nördlich Prasznysz) beiderseits des Murawkabaches russische Stellungen und hielten sie gegen mehrere, auch nächtliche Gegenangriffe. Die Beute beträgt 636 Gefangene und 4 Maschinengewehre.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Die Armee des Generals v. Linsingen ist im fortschreitenden Angriff auf dem nördlichen Dnjestrufer; das rechte Ufer wird vom Gegner noch bei Halicz gehalten. Seit Beginn ihres Angriffs über diesen Fluß am 25. Juni nahm die Armee 3500 Mann gefangen.
Zwischen Dnjestr und der Gegend östlich von Lemberg wird weiter verfolgt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Sozialdemokratische Friedenswünsche - Eine Regierungserklärung

Berlin, 26. Juni. 
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt in ihrem politischen Tagesbericht:
Der Vorstand der sozialdemokratischen Partei Deutschlands veröffentlicht unter der Überschrift "Sozialdemokratie und Frieden" eine Kundgebung, in der dargelegt wird, wie die deutsche Sozialdemokratie im Kampfe um die nationale Unabhängigkeit und Selbständigkeit Deutschlands ihre Pflicht getan hat und wie ihre friedlichen Bemühungen von den Sozialdemokraten der feindlichen Länder aufgenommen worden sind. Als Tatsache wird festgestellt, "daß die große Masse der dem Internationalen Sozialistischen Bureau angeschlossenen Sozialisten Englands und Frankreichs, ihre Organisationen und Leitungen, mit ihren Regierungen den Krieg fortführen wollen bis zur völligen Niederwerfung Deutschlands".
Trotz dieser Feststellungen fordert der sozialdemokratische Parteivorstand unter Kennzeichnung seiner eigenen Kriegsziele, gestützt auf die durch die Tapferkeit unserer Volksgenossen geschaffene günstige Kriegslage, die Regierung auf, ihre Bereitwilligkeit kundzutun, in Friedensverhandlungen einzutreten, um dem blutigen Ringen ein Ende zu machen.
Der "Vorwärts" ist wegen dieser Kundgebung mit Rücksicht auf die noch für die Erörterung von Kriegszielen bestehenden Zensurvorschriften verboten worden. Sie ist in hohem Maße zu bedauern, weil dieser Versuch, den Entschließungen der Regierung vorzugreifen, im Auslande einen wahrscheinlich auch der Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie höchst unerwünschten Eindruck machen wird. Nach bewährten Mustern wird das Manifest allgemeinen Friedenswunsches als Beweis einer in Deutschland tatsächlich nicht bestehenden flauen Kriegsmüdigkeit ausgenutzt werden. Das Manifest ist somit geeignet, die Hoffnungen unserer Feinde erneut zu beleben.
Sobald der Fortgang der militärischen Ereignisse und die politische Lage Aussicht bietet,
erfolgreich in Friedenserwägungen einzutreten, wird die Regierung von selbst das ihre tun.
Bis dahin aber gibt es für das deutsche Volk nur die Parole: Durchhalten.
1)  

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russischer Durchbruch am Dnjestr vereitelt

Wien, 26. Juni.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Ostgruppe der Armee Pflanzer schlug zwischen Dnjestr und Pruth den Ansturm weit überlegener russischer Kräfte neuerdings ab. Im Verlauf dieser Kämpfe gelang es dem Feinde, unsere Front an einer Stelle zu durchbrechen. In mehreren Reihen nachts zum Angriff vorgehend, kam die vorderste feindliche Linie, da sie vollkommen unbewaffnet war, die Hände als Zeichen der Ergebung hoch erhoben hielt, daher nicht beschossen wurde, bis an unsere Stellungen heran. Unmittelbar vor diesen warfen die Russen die in den Monturtaschen verborgen gehaltenen Handgranaten gegen unsere Schützengräben, worauf die rückwärtigen Reihen des Feindes vorstürmten. Eingetroffene Verstärkungen von uns warfen nach schwerem Kampfe die Russen aus den Stellungen wieder zurück und nahmen mehrere Hundert gefangen. Tagsüber und auch heute nacht wiederholte der Feind die Sturmangriffe an verschiedenen Stellen der Front. Alle diese Vorstöße der Russen wurden unter schweren Verlusten des Gegners zurückgeschlagen. Unsere Gefechtsfront ist vollkommen unverändert. Das Honved-Husaren-Regiment Nr. 6 und kroatische Landwehr haben sich in diesen Kämpfen besonders ausgezeichnet.
Vor der übrigen Front der Armee Pflanzer herrscht Ruhe.
Auf den Höhen nordöstlich Zurawno und bei Chodorow dauern die Kämpfe fort. Die verbündeten Truppen erstürmten mehrere Ortschaften und wiesen russische Gegenangriffe ab.
Die sonstige Lage in Galizien ist unverändert.
In Russisch-Polen haben sich an der Linie Zawichost-Sienne-Ilza Kämpfe entwickelt.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Das feindliche Artilleriefeuer an der Isonzofront hält an. Mehrere Angriffe auf unseren Brückenkopf von Görz wurden wieder unter großen Verlusten der Italiener abgeschlagen. Im Kärntner und Tiroler Grenzgebiete hat sich nichts von Bedeutung ereignet.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der Reichskanzler in Wien

Wien, 26. Juni.
Der Reichskanzler von Bethmann Hollweg und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow sind zu Besprechungen mit dem österreichisch-ungarischen Minister des Äußeren von Burian aus dem Großen Hauptquartier hier eingetroffen. Der Reichskanzler ist auch von seiner Majestät dem Kaiser Franz Josef empfangen worden.
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Neue Beschießung Dünkirchens

Paris, 26. Juni. 
"Phare du Nord" berichtet, daß am Dienstag 45 Granaten auf Dünkirchen und seine Umgebung fielen. Nach den ersten Granaten näherten sich deutsche Flugzeuge der Stadt, um die Wirkung der Beschießung festzustellen. Die Mehrzahl der Geschosse schlug in Dünkirchen ein. Die Vororte wurden nur wenig beschädigt. Die Erregung in der Stadt war ungeheuer.
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Der 1. Weltkrieg im Juni 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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