Der Weltkrieg am 21. August 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Bielsk von der Armee Gallwitz genommen


v. Gallwitz

Großes Hauptquartier, 21. August.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Bei den Kämpfen östlich von Kowno wurden 450 Gefangene gemacht und 5 Geschütze erbeutet.
Südlich von Kowno gab der Gegner auch seine Stellung an der Jesia auf und wich nach Osten zurück.
Bei Gudele und Sejny wurden russische Stellungen erstürmt.
In den Kämpfen westlich von Tykocin verloren die Russen 610 Gefangene (darunter 5 Offiziere) und 4 Maschinengewehre.
Die Armee des Generals v. Gallwitz nahm Bielsk und warf südlich davon die Russen über die Biala.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Erneuter feindlicher Widerstand wurde gestern abend und wahrend der Nacht gebrochen. Der Gegner ist seit heute früh im weiteren Rückzuge. Es wurden über 1000 Gefangene gemacht.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Nachdem der linke Flügel über den Koterka-Abschnitt und den Bug an der Pulwaeinmündung vorgedrungen war, setzte der Feind auch auf dieser Front den Rückzug fort.
Vor Brest-Litowsk und östlich von Wlodawa wurden weitere Fortschritte gemacht.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Ostfront 1915: Festung Kowno
Trichter der "Dicken Berta" in den Befestigungsanlagen der Festung Kowno

Die Erstürmung der Festung Kowno

Berlin, 21. August. 
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns gemeldet: 
Seit 17. August ist das Hauptbollwerk der Njemenlinie, die Festung ersten Ranges Kowno, in unserer Hand. Im Juli bereits wurden die der Festung westlich vorgelagerten ausgedehnten Forsten vom Feinde gesäubert und hierdurch die Möglichkeit für Herstellung brauchbarer Annäherungswege und der notwendigen Erkundungen geschaffen. Mit dem 6. August begann der Angriff gegen die Festung. Nachdem durch kühnes Zugreifen der Infanterie die Beobachtungsstellen für die Artillerie gewonnen und das in dem wegelosen Waldgelände äußerst schwierige Instellungbringen der Geschütze gelungen war, konnte am 8. August das Feuer der Artillerie eröffnet werden. Während sie die vorgeschobenen Stellungen und gleichzeitig die ständigen Werke der Festung unter überwältigendes Feuer nahm, arbeiteten sich Infanterie und Pioniere unaufhaltsam in Tag und Nacht andauernden heftigen Kämpfen vorwärts. Nicht weniger als acht Vorstellungen wurden bis zum 15. August im Sturm genommen. Jede eine Festung für sich, in monatelanger Arbeit, mit allen Mitteln der Ingenieurkunst unter sichtlich ungeheurem Aufwand an Geld und Menschenkräften ausgebaut. Mehrsache, sehr starke Gegenangriffe der gegen gegen Front und Südflanke der Angriffstruppen wurden unter schweren Verlusten für den Gegner abgewiesen. Am 16. August war der Angriff bis nahe an die permanente Fortslinie vorgetragen. Durch äußerste Steigerung des mit Hilfe von Ballon- und Flugbeobachtung glänzend geleiteten Artilleriefeuers wurden die Besatzungen der Forts, Anschlußlinien und Zwischenbatterien derartig erschüttert, die Werke selbst derartig beschädigt, daß auch auf diese der Sturm angesetzt werden konnte. In unwiderstehlichem Vorwärtsdrängen durchbrach die Infanterie zunächst Fort 2, erstürmte dann durch Einschwenken gegen dessen Kehle und Aufrollen der Front beiderseits die gesamte Fortlinie zwischen Jesia und Njemen. Die schleunigst nachgezogene eigene Artillerie nahm sogleich die Bekämpfung der Kernumwallung der Westfront und nach deren Fall am 17. August die Bekämpfung der auf das Ostufer des Njemen zurückgewichenen feindlichen Kräfte auf. Unter dem Schutz der unmittelbar an den Njemen herangeführten Artillerie wurde im feindlichen Feuer der Strom zunächst durch einzelne kleinere Abteilungen, dann mit stärkeren Kräften überwunden. Schnell gelang danach als Ersatz für die durch den Feind zerstörten Brücken ein zweifacher Brückenschlag.
Im Laufe des 17. August fielen die auch von Norden bereits angegriffenen Forts der Nordfront sowie die Ost- und zuletzt die gesamte Südfront. Neben über 20 000 Gefangenen gewannen wir eine unermeßliche Beute, über 600 Geschütze, darunter zahllose schwersten Kalibers und modernster Konstruktion, gewaltige Munitionsmassen, zahllose Maschinengewehre, Scheinwerfer und Heeresgerät aller Art, Automobile und Gummibereifungen, Millionenwerte an Proviant. Bei der großen Ausdehnung dieser modernen Festung ist restliche zahlenmäßige Feststellung der Beute naturgemäß eine Arbeit vieler Tage. Sie erhöht sich von Stunde zu Stunde. Hunderte von Rekruten wurden in der vom Feinde verlassenen Stadt aufgegriffen, nach deren Angaben erst im letzten Augenblick 15000 unbewaffnete Ersatzmannschaften fluchtartig aus der Stadt entfernt worden sind.
Neben den verzweifelten Gegenangriffen der Russen, die auch nach dem Fall der Festung - erfolglos wie die früheren - von Süden her noch einmal einletzten, ist dies ein augenscheinlicher Beweis, daß die russische Heeresleitung einen schnellen Fall dieser stärksten russischen Festung für außer dem Bereich der Möglichkeit liegend erachtete. Wie hohen Wert sie auf den Besitz der Festung legte, beweist neben dem starken Ausbau der Festung und ihrer
außergewöhnlich starken Ausstattung mit Artillerie die Tatsache, daß der Widerstand der - nicht eingeschlossenen - Besatzung bis zum letzten Augenblick fortgesetzt wurde, sowie daß eine unter diesen Umständen verhältnismäßig große Anzahl von Gefangenen in unsere Hand fiel.
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Siegreiches Seegefecht im Rigaischen Meerbusen

Berlin, 21. August.
Unsere Seestreitkräfte in der Ostsee sind in den Rigaischen Meerbusen eingedrungen, nachdem sie sich durch zahlreiche, geschickt gelegte Minenfelder und Netzsperren, unter mehrtägigen schwierigen Räumungsarbeiten Fahrstraßen gebahnt hatten. Bei den sich hierbei entwickelnden Vorpostengefechten wurde ein russisches Torpedoboot der "Emir-Bucharskij"-Klasse vernichtet. Andere Torpedoboote, darunter "Novik", und ein größeres Schiff, wurden schwer beschädigt.
Beim Rückzug der Russen am Abend des 19. August in den Moonsund wurden die russischen Kanonenboote "Ssiwutsch" und "Korejetz" nach tapferem Kampfe durch Artilleriefeuer und Torpedobootsangriffe versenkt. 40 Mann der Besatzungen, darunter 2 Offiziere, konnten, teilweise schwerverwundet, durch unsere Torpedoboote gerettet werden.
Drei unserer Torpedoboote wurden durch Minen beschädigt. Von ihnen ist ein Boot gesunken, eins konnte auf Strand gesetzt, eins in den Hafen gebracht werden. Unsere Verluste an Menschenleben sind gering.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabes.
gez.
Behncke. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Engere Einschließung von Brest-Litowsk

Wien, 21. August, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Der Feind leistete gestern an der unteren Pulwa und westlich Wysoko-Litowsk erneuert heftigen Widerstand gegen die nachdrängenden österreichisch-ungarischen Truppen. Er ließ es an vielen Stellen auf den Bajonettsturm ankommen; so bei der Verteidigung des an der Straße nach Wysoko-Litowsk gelegenen Dorfes Tokary, das nach heftigem Ringen genommen wurde, und im Kampf um einen Stützpunkt bei Klukowiczy, dessen sich siebenbürgische Infanterie um Mitternacht bemächtigte. Mehrfach durchbrochen und durch deutsche Truppen auch bei Tymianka geworfen, räumten die Russen heute früh die Pulwastellung und wichen gegen den Lesniaabschnitt zurück, vor Brest-Litowsk zogen wir den Einschließungsring abermals enger. Während die Verbündeten an die Krznamündung vordrangen, warf Feldmarschalleutnant v. Arz den Feind beiderseits der von Biala heranführenden Straße gegen den Gürtel zurück. Unsere brückenkopfartige Stellung nördlich Wladimir-Wolynskij wurde erweitert, wobei unsere Truppen stärkere feindliche Abteilungen aus dem Feld schlugen.
In Ostgalizien blieb die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
In Tirol standen ein Teil unserer Tonale-Stellung und die Werke auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria auch gestern unter schweren Dauerfeuer. Ein italienisches Infanterieregiment, verstärkt durch Bersaglieri, griff den Monte Coston zweimal vergeblich an. Ebenso wurde im Gebiete von Schluderbach der Versuch einer Alpiniabteilung, auf die Forameschächte vorzudringen, abgewiesen. Im Kärntner Grenzgebiete dauern die gewohnten Geschützkämpfe fort. Die wiederholten Vorstöße starker italienischer Kräfte gegen den küstenländischen Abschnitt Flitsch-Tolmein blieben wieder ohne Erfolg. Ein Angriff auf unsere Vorstellung am Vrsic scheiterte an dem unerschütterlichen Ausharren der braven St. Pöltener Landwehr und unserer Batterien. Vor dem Mrzli-Vrh verlor der Feind mindestens 800 Mann. Der Brückenkopf von Tolmein stand bis heute mitternacht unter sehr heftigem Geschützfeuer, worauf dann bei Kozarsce vier, gegen die Höhen südlich dieses Ortes drei gegnerische Vorstöße folgten, die sämtlich an der zähen Tapferkeit unserer Truppen zerschellten. Auch gegen unsere Stellungen am Rande der Hochfläche von Doberdo unternahmen die Italiener einen vereinzelten ergebnislosen Vorstoß. Sonst dauert dort und beim Görzer Brückenkopf der Artilleriekampf fort.
Eines unserer Flugzeuggeschwader belegte Udine mit Bomben und Brandpfeilen; sämtliche Flugzeuge kehrten wohlbehalten heim.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Der türkische Heeresbericht:

Türkischer Erfolg vor Aden

Konstantinopel, 21. August.
Am Ufer von Anaforta griff der Feind mit geringen Kräften an, aber er erlitt Verluste, ließ einige Gefangene in unserer Hand und zog sich in seine früheren Stellungen zurück. Bei Ari Burun und Sed ul Bahr nichts von Bedeutung.
Unsere Truppen im Yemen nahmen nach örtlichen Gefechten die Stadt Lahadsch und ihre Umgebung ein, die bis dahin einige Zeit in der Hand der Engländer war. Während des heftigen, 15 Stunden währenden Kampfes hatten die Engländer hunderte Tote und Verwundete. Wir erbeuteten 4 Geschütze und 5 Maschinengewehre und eine Menge Kriegsmaterial. Der Feind wurde geschlagen und schloß sich in Aden ein. Von den übrigen Fronten nichts von Bedeutung.
An der Dardanellenfront nichts von Bedeutung. Der Feind, der am 19. August zurückgeschlagen worden war, hat 90 Gewehre mit aufgepflanzten Bajonetten, eine Menge Munition, Maschinengewehre, Pioniermaterial, Stacheldraht und Werkzeuge zurückgelassen. Wir machten außerdem 5 Verwundete zu Gefangenen.

 

Kriegserklärung Italiens an die Türkei

Konstantinopel, 21. August.
Der italienische Botschafter in Konstantinopel Marquis Garroni hat gestern der Pforte eine Note überreicht, worin erklärt wird, daß Italien sich als mit der Türkei im Kriegszustand befindlich betrachte. Zugleich hat der Botschafter seine Pässe verlangt. Als Gründe für Italiens Kriegserklärung werden angegeben, die Unterstützung des Aufstandes in Libyen durch die Türkei und die Verhinderung der in Syrien ansässigen Italiener an der Abreise.
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Der 1. Weltkrieg im August 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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