Der Weltkrieg am 31. Oktober 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Siegreiche Sturmangriffe bei Neuville und Tahure

Großes Hauptquartier, 31. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Bayrische Truppen setzten sich nordöstlich von Neuville in Besitz der französischen Stellung in einer Ausdehnung von 1100 Metern, machten etwa 200 Gefangene und erbeuteten 4 Maschinengewehre, 3 Minenwerfer. Ein feindlicher Gegenangriff wurde abends abgeschlagen.
In der Champagne ist ein weitvorspringendes deutsches Grabenstück nördlich von Le Mesnil in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober durch überwältigenden Angriff gegen die dort stehenden Kompagnien an die Franzosen verloren gegangen.
Bei Tahure griffen nachmittags unsere Truppen an. Sie stürmten die Butte de Tahure (Höhe 192 nordwestlich des Ortes). Der Kampf dauerte die Nacht hindurch an. 21 französische Offiziere (darunter 2 Bataillonskommandeure), 1215 Mann wurden gefangengenommen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Durch unser konzentrisches Feuer wurden die Russen gezwungen, den Ort Platanen auf dem Nordufer der Misse wieder zu räumen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Die Lage ist unverändert.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Der Angriff westlich von Czartorysk erreichte die Linie Ostrand von Komarow-Höhen östlich Podgacie. Die erreichten Stellungen wurden gegen wiederholte russische Nachtangriffe in teilweise erbitterten Kämpfen gehalten. Etwa 150 Russen von elf verschiedenen Regimentern sind gefangengenommen.
Balkankriegsschauplatz:
Deutsche Truppen der Armee des Generals v. Koeveß haben Grn. Milanovac genommen. Nordöstlich davon wurde der Feind an der Straße Satornja-Kragujevac aus seinen Stellungen südlich der Srebrnica geworfen.
Die Armee des Generals v. Gallwitz drängte beiderseits der Morawa den Gegner weiter zurück. 600 Gefangene wurden eingebracht.
Von der Armee des Generals Bojadjieff liegen keine neuen Nachrichten vor.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Eroberung der Butte de Tahure

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
"Die vom heutigen Tagesbericht gemeldete Erstürmung der Butte de Tahure durch deutsche Truppen, hat die Franzosen eines der wertvollsten lokalen Gewinne beraubt, die der große und allgemeine Angriff unseren Gegnern während der letzten fünf Wochen in der Champagne eingebracht hat. Der 192 Meter hohe, im Nordwesten des Dorfes Tahure gelegene Hügel überragt ein gut Teil des umliegenden Geländes und gehörte nach Angabe der französischen Heeresleitung zu dem System der zweiten deutschen Verteidigungslinie in jenem Abschnitt. Tahure selbst liegt vollkommen in der Feuerlinie; wer das zerschossene Dorf besitzt, hat schwerlich Nutzen davon. Von großem Wert ist dagegen der darüber emporragende Kopf von Tahure. Unsere Stellungen in der Champagne haben sich auch ohne den Besitz dieser Höhe als stark und den gewaltigen Angriffen gewachsen erwiesen. Aber die Wiederbesetzung des Gipfels verstärkt naturgemäß unsere Front erheblich. Die eigentliche Bedeutung unseres Erfolges bei Tahure, ebenso wie des glücklichen Sturms bayerischer Gruppen nordöstlich von Neuville, also im Raume der vielgenannten Vimyhöhe, liegt weniger in dem gewiß sehr nützlichen Raumgewinn und der beträchtlichen Beute, als in dem ganz außerordentlich wertvollen moralischen Erfolg: Eines der am meisten von den Franzosen gerühmten Stücke ihrer Siegesbeute aus jenem in ganz kolossalen Maßstäben angelegten Generalangriff, aus einem Angriff, der alles bisher Dagewesene durch seine Wucht und seine technischen Mittel in den Schatten gestellt hat, ist durch einen sogenannten improvisierten und nur aus dem Erfordernis oder der Gelegenheit der Stunde heraus entstandenen Gegenstoß der Deutschen in unsere Hände zurückgefallen. Dieser klare und unbestreitbare Unterschied, diese grundsätzliche Verschiedenheit des Handelns und des Könnens ist so eindringlich und überzeugend, daß es sich wohl denken läßt, die Franzosen müßten doch allmählich irre werden im Glauben an die Unfehlbarkeit ihrer mathematischen Rechnung, in dem "der Sieg in Etappen" nicht nur ein gewisser Faktor, sondern ein sinnlos eingesetzter Götze ist.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Das siegreiche Vordringen in Nordserbien

Wien, 31. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Gegenüber unserer Strypafront legte gestern der Feind erhöhte Tätigkeit an den Tag. Er bedachte unsere Linie in verschiedenen Räumen mit starkem Artilleriefeuer und versuchte auch an einer Stelle, über die Strypa zu kommen, was wir durch unser Feuer vereitelten.
Südöstlich von Luzk wurde abermals ein feindlicher Flieger herabgeschossen. Unsere Angriffe westlich von Czartorysk gewinnen schrittweise Raum. Starke russische Gegenangriffe wurden abgewiesen. Sonst im Nordosten nichts Neues.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Auch gestern wiederholten die Italiener ihre Angriffe gegen die meistumstrittenen Punkte der Brückenköpfe von Tolmein und Görz sowie an mehreren Stellen der Karsthochfläche von Doberdo, so kam es wieder zu erbitterten Nahkämpfen, die mehrfach auch nachts andauerten und allenthalben damit abschlossen, daß unsere Truppen ihre Stellungen im Besitz behielten.
An der Tiroler Front wurden abermals feindliche Angriffe im Tonalegebiet blutig abgewiesen. Im Vorfeld unserer Befestigungen auf dem Col di Lana trat Ruhe ein. Wie überall, so ist auch hier die Hauptstellung fest in unseren Händen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Östlich von Visegrad drangen unsere Abteilungen auf serbisches Gebiet vor. Die von Valjevo südwärts vorrückenden Kolonnen des Generals v. Koeveß trieben bei Razana feindliche Reiterei zurück. Unmittelbar nordwestlich von Grn. Milanovac erstürmten österreichisch-ungarische Truppen mehrere stark besetzte feindliche Stellungen, wobei 4 Geschütze und 3 Munitionswagen erbeutet wurden. Das Egerländer Landsturmbataillon Nr. 46 hat an diesem Erfolge ruhmreichen Anteil. Gleichzeitig kämpften sich deutsche Streitkräfte von Norden und Nordosten gegen den Grn. Milanovac heran und drangen in diese Stadt ein. Auch der Angriff unserer Truppen im Gelände nordwestlich von Kragujevac gewinnt überall Raum. Die südwestlich von Lapovo aufragende Höhe Strazenica ist in deutschem Besitz.
Die Bulgaren sind in der Verfolgung allerorts gegen Westen vorgedrungen. Bei Slatina, westlich von Kjnazevac, leistete der Feind vorgestern noch Widerstand. Neuere Nachrichten fehlen. Eine von Pirot entsandte bulgarische Kolonne nähert sich zu dem gleichen Zeitpunkte Vlasotince.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Das französische U-Boot "Turquoise" versenkt

Konstantinopel, 31. Oktober.
An der Dardanellenfront versenkte unsere Artillerie heute das französische Unterseeboot "Turquoise". Wir machten die Besatzung, 2 Offiziere und 24 Mann, zu Gefangenen.
Der Feind begann auf drei Teilen der Front mit zunehmender Heftigkeit Artilleriefeuer und Bombenwerfen. Wir erwiderten kräftig. Einige feindliche Schiffe nahmen an diesem Feuer teil. Bei Anaforta traf unsere Artillerie ein feindliches Transportschiff am Vorderteil. Das Schiff entfernte sich in dichten Rauch eingehüllt. Bei Arirwarika verursachte eine unserer Bomben in den feindlichen Schützengräben einen Brand, der zwei Stunden dauerte. Bei Sed ül Bahr zerstörte unsere Artillerie zwei feindliche Minenwerferstellungen auf dem rechten Flügel und in der Mitte.

 

Die neue Regierung in Frankreich

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Als Waldeck-Rousseau mitten in den Stürmen der Affäre Dreyfus die schwierige und gefährliche Aufgabe übernahm, nach einer Reihe von gescheiterten Ministerien ein neues zu bilden, machte er, wie er später einmal sagte, die seltene Erfahrung, daß die sonst so belebten Straßen, die zur Macht führen, vereinsamt lagen. Den gleichen Anblick scheint die politische Landschaft in Frankreich jetzt abermals geboten zu haben. "Die Straßen zur Macht", schrieb der "Temps" am vergangenen Donnerstag, "sind in diesem Augenblick nicht sehr bevölkert. Nicht daß sie gänzlich verlassen wären, aber man begegnet dort nur wenigen namhaften Persönlichkeiten und wir leben in einer Zeit, in der der gute Wille nicht genügt". Viviani wäre offenbar durchaus geeignet gewesen, einem umgebildeten Kabinett vorzustehen, doch hat der Lockruf seines schwer erschütterten Ansehens nicht vermocht, beachtenswerte Bewerber anzuziehen, und so hat er sich nachträglich besonnen, daß die Abstimmung vom 13. Oktober für die heutigen Umstände, an die man den Maßstab des Burgfriedens legen muß, eigentlich doch ein Mißtrauensvotum war. Aber auch Briands Angebot haben unter den Setzen der Volksvertretung keine fieberhafte Nachfrage erweckt. Andernfalls wäre wohl Herr Malvy, der herzlich unbedeutende Minister des Innern, durch eine beträchtlichere Persönlichkeit ersetzt worden, der nicht minder wesenlose Abgeordnete Métin kaum zur Ehre der Ministerschaft gelangt und für Viviani selber vermutlich auch das Justizministerium nicht übrig geblieben Auch der ehemalige Notar Clémentel, dem das Portefeuille des Handels zufällt, zählt zu den minderen Häuptern, obwohl er schon einmal Minister war.
Von etwas höherem Range ist der neue Minister der Kolonien, Herr Doumergue, der dem Ministerium Combes und seitdem verschiedenen anderen Kabinetten angehörte.
Von Ende 1913 bis Juni 1914 stand er an der Spitze eines radikalen Ministeriums, in dem Herr Caillaux den führenden Einfluß hatte. Der radikale Abgeordnete Painlevé ist kürzlich als Vorsitzender des aus den großen Ausschüssen beider Häuser gebildeten Geheimparlaments genannt worden, dem Herr Viviani mit plötzlichem Entschluß das Versprechen brach, ihm die Wahrheit über die Lage zu enthüllen. Solche Kränkung, die unter den äußeren Ursachen von Vivianis Sturz nicht ohne Belang war, wird heute durch Herrn Painlevés Berufung in das Ministerium des Unterrichts gesühnt, dem man eine Abteilung "Erfindungen für die Landesverteidigung" angefügt hat.
Der Senator Jules Méline gehört, obwohl mit dem Ministerium des Ackerbaus betraut, mit seinen 77 Jahren und seiner reichen, in der Kommune beginnenden und mit der Führerschaft der konservativen und schutzzöllnerischen Republikaner (Progressisten) endigenden Geschichte bereits zu dem Kreis der Ehrenmitglieder, mit deren hilfreichem Glanze sich das Ministerium Briand umgibt. Unter ihnen ist der Berühmteste der im Jahre 1828 geborene Senator de Freycinet, der während des siebziger Krieges mit Gambetta die historische Ballonfahrt nach Tours machte und an dessen Seite für die Organisation der Armeen wirkte, die nach Sedan vergebens das Schicksal zu wenden suchten. Zwischen den Jahren 1876 und 1899 hat er einer Menge Regierungen mit dem Portefeuille des Auswärtigen oder des Krieges angehört, auch etwelchen selber vorgestanden. Herr Jules Combes, im Jahre 1835 geboren, begann seine Entwicklung als schon mit den niederen Weihen versehener Lehrer der Philosophie an einem geistlichen Institut, um sie als Vorsitzender des Ministeriums zu beendigen, das den Kampf gegen die Kirche aufs äußerste trieb und die Trennung von Kirche und Staat vorbereitete. Herr Léon Bourgeois, von Haus aus dem Beamtenstand zugehörig, in dem er zu hohen Posten gelangte, trat im Jahre 1888 in die politische Laufbahn ein, die ihn gleichfalls zu bedeutenden Würden führte.
Lange Jahre hindurch neben Brisson der Führer der Radikalen, hat er einer Reihe von Ministerien angehört und einem präsidiert. Er war der Vertreter der Republik auf der zweiten Friedenskonferenz im Haag und Minister des Äußern, als die Konferenz von Algeciras zum Abschluß kam. Seine Weigerung, sich als Kandidat der Linken aufstellen zu lassen war von bestimmendem Einfluß auf die Präsidentenwahl des Jahres 1912, aus der Herr Poincaré als Sieger hervorging. Der Abgeordnete Denys Cochin endlich zieht als Vertreter der äußersten Rechten in das Ministerium ein. Die Verfassungswidrigkeit seiner monarchistischen Gesinnung schloß eine politische Laufbahn aus, doch galt er seit dem Bruch der Republik mit Rom zu Zeiten als eine Art von halbamtlichem Geschäftsträger des Vatikans.
General Gallieni, der Nachfolger Millerands im Kriegsministerium, war bisher bekanntlich Gouverneur von Paris. Sein Ruf gründet sich namentlich auf die Erfolge seiner Verwaltung in Madagaskar, dessen Unterwerfung er vollendete. Der neue Marineminister Lacaze, durch den der Abgeordnete Augagneur aus seinem Posten verdrängt wird, ist ein Admiral ohne politische Vergangenheit. Ribot, Sembat und Guesde bleiben im Amt.
Der Generalsekretär im Ministerium des Auswärtigen, als dessen eigentlicher Leiter er wohl zu betrachten ist, Herr Jules Cambon, geht aus der Verwaltungslaufbahn hervor, die er mit dem Amt des Generalgouverneurs von Algerien glänzend abschloß, um als Botschafter der Republik nach Washington, später nach Madrid und endlich nach Berlin zu gehen. Man sagt von ihm, daß er sich dort eine Zeitlang ebenso eifrig um eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich zu bemühen schien, wie sein Bruder Paul Cambon in London für die Vertiefung des Einvernehmens zwischen Frankreich und England wirkte.

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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