Der Weltkrieg am 22. Februar 1916

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Heftiger Artilleriekampf an der ganzen Westfront

Französische Stellungen bei Souchez gestürmt - Starker Geschützkampf nördlich Verdun - Ein deutsches Luftschiff verloren

Großes Hauptquartier, 22. Februar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Das nach vielen unsichtigen Tagen gestern aufklarende Wetter führte zu lebhafter Artillerietätigkeit an vielen Stellen der Front; so zwischen dem Kanal von La Bassée und Arras, wo wir östlich von Souchez im Anschluß an unser wirkungsvolles Feuer den Franzosen 800 Meter ihrer Stellung im Sturm entrissen und 7 Offiziere, 319 Mann gefangen einbrachten.
Auch zwischen der Somme und der Oise, an der Aisnefront und an mehreren Stellen der Champagne steigerte sich die Kampftätigkeit zu größerer Heftigkeit. Nordwestlich von Tahure scheiterte ein französischer Handgranatenangriff.
Endlich setzten auf den Höhen zu beiden Seiten der Maas Artilleriekämpfe ein, die an mehreren Stellen zu beträchtlicher Stärke anschwollen und auch während der letzten Nacht nicht verstummten.
Zwischen den von beiden Seiten aufgestiegenen Fliegern kam es zu zahlreichen Luftgefechten, besonders hinter der feindlichen Front.
Ein deutsches Luftschiff ist heute nacht bei Revigny dem feindlichen Feuer zum Opfer gefallen.
Östlicher und Balkankriegsschauplatz:
Die Lage ist im allgemeinen unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

K. u. k. Flieger über dem Gardasee und der Lombardei

Wien, 22. Februar.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer und Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Nichts Neues.
Italienischer Kriegsschauplatz:
An der Isonzofront waren die Artilleriekämpfe im allgemeinen, namentlich aber bei Plawa, recht lebhaft.
Eines unserer Flugzeuggeschwader unternahm einen Angriff auf Fabrikanlagen in der Lombardei. Zwei Flugzeuge drangen hierbei zur Erkundigung bis Mailand vor. Ein anderes Geschwader griff die italienische Flugzeugstation und die Hafenanlagen von Desenzano am Gardasee an. Trotz heftigen feindlichen Artilleriefeuers kehrten alle Flugzeuge wohlbehalten zurück.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Der amtliche türkische Bericht über den Fall von Erzerum

Konstantinopel, 22. Februar.
Unsere Armee hat sich aus militärischen Rücksichten ohne Verlust in westlich von Erzerum gelegene Stellungen zurückgezogen, nachdem sie die 15 Kilometer östlich der Stadt befindlichen Stellungen sowie 50 alte Kanonen, die nicht weggeschafft werden konnten, an Ort und Stelle zerstört hatte. Die von den Russen verbreiteten phantastischen Nachrichten, wonach sie in Erzerum 1000 Kanonen erbeutet und 80000 Gefangene gemacht hätten, widersprechen der Wahrheit. In Wirklichkeit hat, abgesehen von den in den erwähnten Stellungen vorgekommenen Kämpfen, kein Kampf in der Umgebung von Erzerum stattgefunden. Im Grunde genommen war Erzerum keine Festung, sondern eine offene Stadt. Die in der Umgebung befindlichen Forts hatten keinen militärischen Wert. Aus diesem Grunde wurde es auch nicht in Erwägung gezogen, die Stadt zu halten.

 

Sasonows Dumarede über die Kriegslage

Russland im 1. Weltkrieg: Sasonow
Sasonow

Petersburg, 22. Februar.
Der Minister des Äußeren Sasonow hielt in der heute wieder eröffneten Reichsduma eine Rede über die politische Lage, in der er unter anderem sagte:
Der Kampf geht weiter, ein Kampf, wie es noch nie einen gegeben hat, ein Weltkampf. Weniger als je ist es möglich, das Ende abzusehen, aber ich kann erklären, daß die Regierung, wie bisher, unerschütterlich bleibt in dem Entschlusse, den Kampf bis zur Besiegung des Feindes
fortzusetzen. Das war und das ist der Entschluß des russischen Volkes wie unserer treuen Alliierten. Dieser Krieg ist das größte Verbrechen gegen die Menschheit, diejenigen, die ihn verschuldet haben, tragen eine schwere Verantwortung, und in der gegenwärtigen Stunde sind sie zur Genüge entlarvt. Wir dagegen und unsere Alliierten sind in diesen Krieg zur Verteidigung unserer heiligsten Rechte hineingezogen worden. Die Gewähr unseres Erfolges liegt in dem engen Bündnis mit unseren Alliierten und in der völligen Übereinstimmung in unseren Anstrengungen. Diese Übereinstimmung war schwer zu erzielen infolge der Entfernung, die Rußland von seinen westlichen Alliierten trennt. Es sind jedoch alle Maßregeln getroffen worden, um zu diesem Ziele zu gelangen. Die deutsche Regierung gleicht ihrem Volke gegenüber ihren Generalen, die ihre Soldaten bei Angriffen berauschen, um sie ungestümer zu machen. Die deutsche Regierung bemüht sich, um den kriegerischen Eifer der Massen aufzustacheln, diese glauben zu machen, daß ihre Gegner eine vollständige Vernichtung des deutschen Volkes wollen. Die Alliierten haben niemals einen solchen Gedanken gehabt. Der Erhaltungstrieb fordert nur, daß sie dem unerbittlichen Egoismus und dem raubgierigen Appetit, den kennzeichnenden Zügen des Preußentums, das nicht immer die Sympathien Deutschlands gehabt hat, ein Ende machen. Dieses Preußentum muß ein für allemal zur Machtlosigkeit gezwungen werden. Traurige Nachrichten gelangen zu uns aus den zeitweilig vom Feinde besetzten Gebieten. Die deutsche Presse ist besonders stolz auf die Gründung der polnischen Universität in Warschau. Das ist eine Falle, mit der man das Vertrauen des durch die Deutschen zerstörten Polen zu gewinnen rechnete. Aber man muß nicht vergessen, daß die Autonomie Polens, die hier auf dieser selben Tribüne auf Befehl des Kaisers vom Chef der kaiserlichen Regierung proklamiert worden ist, polnische Nationalschulen aller Grade, den Universitätsunterricht eingeschlossen, mit sich bringt.
Ich komme zu unseren gegenwärtigen Beziehungen zu den Neutralen. Unglücklicherweise gibt es auf der anderen Seite des Bottnischen Meerbusens noch Leute, die durch die Macht eingewurzelter Vorurteile und unter einem gewissen Einfluß von Verleumdungen unserer Feinde, Vorurteile und Mißtrauen gegen uns hegen. Es ist indessen ganz klar, daß Rußland und Schweden von der Natur selbst dazu bestimmt sind, im Frieden miteinander zu leben. Was sollte uns in der Tat in dieser Hinsicht die Skandinavische Halbinsel bieten? Einen eisfreien Hafen im Eismeer? Wir haben einen auf eigenem Gebiet. Nicht nach den skandinavischen Gestaden fühlt sich Rußland durch seine Geschichte hingezogen. Nach einer ganz anderen Richtung muß es einen Ausgang zum freien Meere gewinnen.
Die Ungewißheit, ob Griechenland die Verpflichtungen seines Vertrages ausführen würde, zwang die Serben, sich eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen, um sich der Mitwirkung Griechenlands nicht zu berauben. Das serbische Oberkommando hatte die Möglichkeit, die bulgarische Mobilisation durch eine rasche Offensive zu verhindern. Trotzdem wollte die serbische Regierung nicht die Verantwortung auf sich nehmen, einen brudermörderischen Krieg begonnen zu haben. Aber diese Seelengröße fand in Griechenland kein Echo.
Man hat der Diplomatie der Alliierten vorgeworfen, daß es ihr nicht gelungen sei, Bulgarien auf ihre Seite zu bringen. Ich gebe zu, daß die Diplomatie nicht den kürzesten und sichersten Weg gewählt hat. Die Besetzung von Dedeagatsch hätte das bulgarische Volk beeinflussen und veranlassen können, einen Koburgen, der ihm fremd ist, von der schiefen Ebene brudermörderischer Gelüste zurückzuhalten. Aber selbst in diesem Falle wäre es den Alliierten vielleicht nicht gelungen, Serbien die Katastrophe zu ersparen, denn übereinstimmende militärische Unternehmungen der Alliierten auf dem Balkan bieten immer außerordentliche Schwierigkeiten dar.
Sasonow spricht sodann von der angeblichen Absicht Deutschlands und der Türkei, ein ungeheures germanisch-muselmanisches Reich zu gründen, das von der Mündung der Scheide bis zum Persischen Golf reichen würde, und sagt: Dieses Reich, welches in den alldeutschen Träumen als ein neues Kalifat erscheint, welches den Namen Kalifat von Berlin verdienen würde, soll nach Ansicht der Alldeutschen dem Bestand Rußlands und Großbritanniens einen tödlichen Stoß versetzen. Ein erschreckender Traum, aber Gott ist barmherzig. Die Berliner Politiker, welche diese kühnen Pläne hegen, vergessen nur eine Sache, die uns und unseren englischen Freunden einigen Trost verschafft: Wenn dieses Reich unter dem deutschen Hammer geschmiedet werden könnte, dann würde es nicht einen Tag dauern, nicht bloß wegen seiner inneren Schwächen, sondern vor allem, weil ihm das Unerläßliche zur Behauptung seiner Existenz fehlen würde: die Herrschaft über das Meer, die glücklicherweise in den starken Händen unseres ruhmreichen Verbündeten, Großbritanniens, ruht. Solange dem so ist, wird das Kalifat von Berlin unsere Existenz nicht bedrohen.
1)

 

Beschießung kleinasiatischer Küstenplätze

London, 22. Februar.
"Daily Mail" meldet aus Athen vom 19. Februar:
Verschiedene Punkte der kleinasiatischen Küste, namentlich der Eingang des Golfes von Smyrna, werden regelmäßig von Schiffen der Verbündeten beschossen. Am 29. Januar wurde Ameliki gegenüber von Castellorizo, westlich des Golfs von Adalie, von den Franzosen angegriffen. Das Gefecht dauerte 10 Stunden. Ephesus wurde am 28., 29. und 30. Januar beschossen.

Amsterdam, 21. Februar.
Einem hiesigen Blatte zufolge melden die "Times" aus Mytilene, daß Vurla im Golfe von Smyrna im Wilajet Aidin und die türkischen Batterien an diesem Golf wieder heftig von den Alliierten beschossen wurden.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Februar 1916

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 4
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

© 2005 stahlgewitter.com