Der Verlust
von Erzerum
Konstantinopel,
16. März. In ihrem Bericht vom 29. Februar 1916 und in den folgenden
Berichten stellen die Russen die Einnahme von Erzerum als einen
großen Sieg dar und sprechen mit Prahlerei von der Bedeutung dieses
von ihnen für sehr modern gehaltenen festen Platzes. Wir erkennen
an, daß die Russen sich in die Notwendigkeit versetzt sehen, ihrem
Lande und den Aliierten die nach dem einzigen Wort "Sieg", unter
welcher Form immer, dürsten, glänzende Bulletins mitzuteilen. Wir
aber erklären entschieden, daß Erzerum eigentlich kein befestigter
Platz ist, daß die Bodenbeschaffenheit es nicht gestattet, die Stadt
als festen Platz zu benützen, und daß wir es unserseits nicht für
nützlich hielten, Erzerum stärker zu befestigen, als es seiner Natur
entspricht. Die Tatsache allein, daß wir hinter den zerfallenen
Mauern der Stadt eine große Zahl alter Kanonen, ehrwürdige Überreste
aus dem türkisch-russischen Feldzug des Jahres 1876 zurückgelassen,
und daß sich dort Lebensmittel für nur zwei Tage befunden haben,
beweist unumstößlich, daß wir nicht die Absicht hatten, Erzerum
als festen Platz auszunützen. Was die Russen mit großem Pomp als
moderne Festung bezeichnet haben, besteht aus einigen in 12 Kilometer
Entfernung von Erzerum angelegten Feldverschanzungen, und die mächtige
Artillerie, von der sie sprechen, besteht aus unbespannten Kanonen,
die wir im Stich ließen, nachdem wir sie unbrauchbar gemacht hatten.
Wir überlassen dem russischen Generalstab die Sorge, die Vorteile,
die dieser Platz den Russen vom strategischen Gesichtspunkte aus
für diesen Krieg sichert, und die Ergebnisse zu würdigen, die aus
seiner Preisgabe und Räumung für sie erwachsen können. Entgegen
den Behauptungen der Russen hat keine offene Feldschlacht in der
Umgebung Erzerums stattgefunden, und in keinem Abschnitt haben die
Russen eine Artillerievorbereitung eingeleitet. Trotzdem gelang
es ihnen nicht, wie sie behaupten, sich in fünf Tagen Erzerums zu
bemächtigen, sondern erst nach örtlich getrennten Kämpfen in der
Dauer von einem Monat. Obwohl unsere Armee den Platz zwei Tage und
unsere Nachhuten einen Tag vorher geräumt haben, sind die Russen
erst am Tage darauf in die Stadt eingezogen. Wir haben in der Stadt
nur 300 Schwerkranke zurückgelassen. Seit unserer Räumung von
Erzerum und unserem Rückzug in neue Stellungen bis zum heutigen
Tage haben die Russen, die noch unter der Nachwirkung ihrer schweren
Verluste stehen, keine Bewegung von irgendwelcher Tragweite ausführen
können. Unser linker und rechter Flügel sind infolge der neuen Lage
gleichfalls auf erhaltenen Befehl in die für sie vorgesehenen Stellungen
zurückgegangen, indem sie in einigen Abschnitten einige unbedeutende
Nachhutgefechte lieferten, in anderen Abschnitten, ohne überhaupt
einen Flintenschuß abgegeben zu haben. Gegenwärtig hält unsere Armee
die Stellungen besetzt, die sich von dem Teil des linken Flügels
von Bitlis-Musch-Aschkalee bis zu den Stellungen erstrecken, die
sich einige Kilometer
westlich von Ispir und Rize befinden. Wir können mit Recht stolz
sein auf den Mut und die Selbstverleugnung, von denen die Russen
nach ihrem eigenen Geständnis Proben erhalten haben, und von denen
sie in ihren Berichten sprechen, auf den Mut und die Selbstverleugnung,
die unsere Truppen in den gegen überlegene Kräfte des Feindes gelieferten
Kämpfen, sei es im Osten von Erzerum, sei es in den Stellungen dieser
Stadt, bewiesen haben, und wir sind sicher, daß sie Beweise derselben
militärischen Tugenden geben werden, sobald wir infolge einer Änderung
der Lage, die sich jeden Tag mehr zu unseren Gunsten gestaltet,
zur Offensive übergehen werden. Unsere Armee ist frei von all den
Makeln, die ihr Verleumder andichten wollen. Die Meldungen, wonach
zwischen türkischen und deutschen Offizieren Meinungsverschiedenheiten
und Mißverständnisse entstanden sein sollen, sind Lügengewebe, würdig
derer, die sie erfunden haben.
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