Thiaumont
und Fleury
Die
Sprache des deutschen Tagesberichts vom 24. Juni, der von einem neuen
siegreichen Sturm deutscher Regimenter Kunde gibt, hat den alten Rhythmus.
Vollkommene Zuversicht und Sicherheit: Es war ein großer Tag vor Verdun,
wir sind bereit für den nächsten!
Fleury ist ein kleines Dorf, auf einer plateauartigen Höhe zentral
gelegen, 344 Meter hoch. Es liegt zwischen den zwei inneren Fortsgürteln
des Nordostsektors von Verdun, zwischen der Befestigungskette der Linie
Cote de Froide Terre (Kalte Erde-Rücken) - Fort Douaumont - Fort Vaux und
der inneren Linie der Forts Belleville - Souville - Tavannes. Fort
Souville liegt etwa 1200 Meter südöstlich von Fleury und überragt das
Plateau um rund 50 Meter. Im äußeren Gürtel, der bei Douaumont stark
gewinkelt ist, ziehen sich auf dem westlichen Schenkel des Winkels die
schweren Panzerwerke und Batterien auf dem kahlen Rücken von der Froide
Terre bis Fort Douaumont hin, während der östliche Schenkel, die Strecke
Douaumont - Fort Vaux, durch die Waldparzellen des Caillette- Chapitre-
Fumin-, Chenois- und Lauffeewaldes besonders stark geschützt sind. Der
deutsche Angriff hat sich im Zentrum dieser Linie durch die Erstürmung
des Forts Douaumont Bahn gebrochen und die Lücke systematisch nach beiden
Seiten erweitert, bis unsere Truppen in die allgemeine Linie: Wald von
Haudromont - Thiaumont Ferme - Fort Vaux gelangt waren. Die obengenannten
Waldparzellen des Abschnitts Douaumont - Damloup wurden bald zum
Schauplatz erbitterter Kämpfe, während gleichzeitig auf den anderen
Schenkel des Winkels, im Abschnitt des Thiaumont-Gehöftes, ein mit dem
ersten konzentrischer Druck ausgeübt wurde. Nach schweren Kämpfen faßten
wir in jenen französischen Hauptstellungen Fuß und verteidigten sie
gegen äußerst erbitterte Gegenangriffe, wobei die Franzosen den Vorteil
hatten, in permanenten oder diesen gleichwertigen Gräben zu kämpfen, während
die Angreifer sich oft nur notdürftig eingraben und decken konnten. Die
Bresche in der französischen Linie wurden immer breiter: ein Stück
sprang nach dem anderen heraus, bis nun gestern nach stärkster Beschießung
ein großer Sturmangriff, bei dem die Bayern an der Spitze kämpften, das
südlich des Gehöfts von Thiaumont gelegene große und mit schwerem Geschütz
bestückte Panzerwerk, die Ouvrages de Thiaumont, in unsere Hände
brachte. Dies Werk liegt in der Mitte der "Kalte Erde - Douaumont -
Linie und deckt die beiden Straßen, die vom Dorf Douaumont und aus dem
Maastal nach Fleury und weiter nach Verdun führen. (Das Zentrum der Stadt
Verdun ist von der Mitte des Dorfes Fleury etwa 5 Kilometer in südwestlicher
Richtung entfernt.)
Der glückliche Vorstoß nach Fleury, der überdies durch neuen, im
deutschen Bericht nach nicht näher bezeichneten Geländegewinn "südlich
der Feste Vaux" in seinem Wert noch vermehrt worden sein dürfte, ist
ein neuer großer Fortschritt unserer vor Verdun seit vier Monaten mit
ausgezeichneter Tapferkeit kämpfenden Truppen. Ein Blick auf die Karte
zeigt, daß es sich um einen neuen tiefen Einbruch in die feindliche Linie
handelt. Das ist nach Westen und nach Osten hin taktisch von erheblicher
Bedeutung, wenn auch nach Westen hin Fleury von der äußersten Kuppe der
Côte de Froide Terre durch eine tiefeingeschnittene Mulde getrennt ist.
Es sind neue Winkelungen in der Front entstanden. Mit dieser nach Fleury
vorgeschobenen Spitze stehen unsere Truppen vor der nächsten und letzten
Sperrlinie, dem Fortgürtel von Souville (südöstlich von Fleury), nur
noch etwa 1200 Meter entfernt. Freilich ist anzunehmen, daß diese letzte
Linie aufs äußerste befestigt ist, und überdies beherrschen die
Fortanlagen von Souville, da sie 388 Meter hoch liegen, das ganze Plateau
von Fleury. Es wird härtester Arbeit und sorgfältigster Vorbereitung bedürfen,
um auch diese Mauer noch zu durchbrechen. Aber ist es nicht gerade das
Unerhörteste an dieser Schlacht vor Verdun, daß unser Feind seit Monaten
weiß: hier oder dort ist der Angriff zu erwarten, hier muß er erfolgen,
und daß es trotzdem den Deutschen gelingt, Schritt für Schritt eine
Sperre nach der andern mit furchtbaren Schlägen zu zerschmettern? 2) |