Schluß
des Preußischen Landtags
Berlin,
27. Juni. (Priv.-Tel.)
Durch die heute erfolgte Vertagung des Preußischen Landtags bis
Mitte November ist die Sommerpause unserer Parlamente eingetreten,
denn der Reichstag hat sich, wie bekannt, schon vor Pfingsten
vertagt und wird sich wahrscheinlich erst Ende September wieder
versammeln.
Der Landtag hat zuletzt das Budget und erhöhte Zuschläge zur
Einkommen- und Vermögenssteuer bewilligt; er hätte viel eher
fertig werden können, und die Session ist auch nur deshalb bis in
den Sommer hinein ausgedehnt worden, weil die im Preußischen
Abgeordnetenhause herrschenden Konservativen, die gelegentlich, auch
trotz des Reichstages sich bemühen, wie eine Art Kontrollinstanz über
die auswärtige Politik und in Verbindung damit über die Kriegführung
und über das verantwortliche Tun des Reichskanzlers zu wachen, sich
diesmal in den Kopf gesetzt hatten, die steuerpolitische Tätigkeit
des Reichsparlaments zu kontrollieren und ein Zurückgreifen der
Reichsfinanzverwaltung auf direkte Steuern dadurch zu verhindern, daß
sie ihre Zustimmung zu den erhöhten Zuschlägen der preußischen
direkten Steuern nicht eher aussprechen wollten, als bis der
Reichstag die Beschlüsse über die Kriegssteuern gefaßt habe.
Dieser Kontrollversuch ist der von den Konservativen geführten
Mehrheit des Abgeordnetenhauses mißglückt. Das Reich hat auf
direkte Steuern zurückgegriffen und den formalen Ausweg gewählt,
die Besteuerung des Vermögens als eine Besteuerung des Vermögenszuwachses
zu frisieren. Viel unnütze Zeit ist durch diesen Kontrollversuch
des Preußischen Abgeordnetenhauses vergeudet worden. Es hat sich
unter der Führung des Herrn v. Heydebrand auch noch dadurch eine
besondere Niederlage geholt, daß es versuchte, die von der
Regierung für die Dauer des Krieges, d. h. bis zum nächsten
Friedensetat verlangten höheren Steuerzuschläge nur auf ein Jahr
zu bewilligen. Im Abgeordnetenhaus fand sich dafür leicht eine
Mehrheit, denn die Parteien der Linken sind grundsätzlich für einjährige
Steuerbewilligung, während die Konservativen selbst von
"solcher Quotierung" der Steuer nichts wissen wollen; sie
sind von dem Grundsatze nur abgewichen, um einen Druck auf die preußische
Finanzverwaltung ausüben zu können, der sie ausgesprochenermaßen
in Sachen der direkten Reichssteuern nicht trauen. Das Herrenhaus,
sonst so willfährig, wenn es darauf ankommt, gegen Wünsche der
Regierung wie gegen die ihm nahestehende Mehrheit des
Abgeordnetenhauses, hat dieses Manöver nicht mitgemacht. Es hat die
Steuervorschläge, trotz des "Unannehmbar" des Herrn v.
Heydebrand, für die Dauer des Krieges bewilligt, wie die Regierung
es vorschlug, und Herr v. Heydebrand hat mit seinen Leuten den Rückzug
antreten müssen. Er ist vor den Konservativen des Herrenhauses erst
in der Sache vollständig zurückgewichen, dann in der Form durch
die jetzt als Kompromiß beschlossene Bewilligung der Steuerzuschläge
auf zwei Jahre und, wenn dann der Krieg noch nicht zu Ende sein
sollte, auf ein weiteres Jahr. Es ist also genau dasselbe, was die
Regierung und mit ihr das Herrenhaus verlangt hatte. Eine immerhin
bemerkenswerte Tatsache: die stolzen konservativen Herren des
Abgeordnetenhauses in einem taktisch-politischen Unternehmen
geschlagen vom Herrenhaus oder mit Hilfe des Herrenhauses, das sich
bei dieser Gelegenheit finanzpolitisch weniger engherzig, vor allem
gegen die Reichsregierung und die preußische Regierung weniger mißtrauisch
erwiesen hat. Hat es doch auch, nebenbei bemerkt, trotz mancher
verlockenden Vorstöße gegen den Reichskanzler als Leiter der auswärtigen
und inneren Politik nicht mitgemacht. 2)
|