Der
Wortlaut der rumänischen Kriegserklärung
Kopenhagen,
29. August.
Die Petersburger Telegraphen-Agentur verbreitet folgende Meldung
aus Bukarest:
Nach dem Kronrat wurde dem österreichisch-ungarischen Gesandten Grafen
Czernin folgende Note übermittelt:
Das zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien abgeschlossene
Bündnis hatte nach den ebenen Erklärungen der Regierungen nur
einen wesentlich erhaltenden und verteidigenden Charakter. Sein Hauptziel
war, die verbündeten Länder gegen jeden von außen kommenden
Angriff zu schützen und einen Zustand zu befestigen, der durch frühere
Verträge geschaffen worden war. In dem Wunsche, seine Politik mit
diesen friedlichen Bestrebungen in Einklang zu bringen, schloß sich
Rumänien diesem Bündnis an, mit dem Werke seiner inneren Verfassung
beschäftigt und treu seinem festen Entschlusse, in der Gegend an
der unteren Donau ein Element der Ordnung und des Gleichgewichtes zu bleiben.
Rumänien hörte nicht auf, zur Aufrechterhalte des Friedens am
Balkan beizutragen. Die letzen Balkankriege, welche den status quo zertrümmerten,
zwangen ihm eine neue Richtung für sein Verhalten auf. Sein Eingreifen
bewirkte den Frieden und stellte das Gleichgewicht wieder her. Rumänien
begnügte sich mit einer Grenzberichtigung, die ihm mehr Sicherheit
gegen einen Angriff verschaffte und zu gleicher Zeit eine Ungerechtigkeit
gut machte, die zu seinem Schaden aus dem Berliner Kongreß begangen
worden war. Aber in der Verfolgung dieses Zieles erlebte Rumänien
die Enttäuschung, feststellen zu müssen, daß es von seiten
des Wiener Kabinetts nicht der Haltung begegnete, die es mit Recht erwarten
konnte.
Als der gegenwärtige Krieg ausbrach, lehnte es Rumänien ebenso
wie Italien ab, sich der Kriegserklärung Österreich-Ungarns
anzuschließen, von der es vorher vom Wiener Kabinett nicht benachrichtigt
worden war. Im Frühjahr 1915 trat Italien in den Krieg mit Österreich-Ungarn.
Der Dreibund bestand nicht mehr. Die Gründe, welche den Anschluß
Rumäniens an dieses politische System bestimmt hatten, verschwanden
in demselben Augenblick.
An die Stelle einer Gruppe von Staaten, die durch gemeinsame Anstrengungen
an der Sicherung des Friedens und der Erhaltung der tatsächlichen
und rechtlichen Lage, wie sie durch die Verträge geschaffen war,
zu arbeiten suchten, befand man sich Mächten gegenüber, die
nur in der bestimmten Absicht Krieg führten, die früheren Verhältnisse,
die als Grundlage ihres Bündnisvertrages gedient hatten, von Grund
aus zu ändern. Diese tiefen Änderungen waren für Rumänien
der klare Beweis, daß das Ziel, welches es verfolgen sollte, als
es sich dem Dreibunde anschloß, nicht mehr erreicht werden konnte,
und daß es seine Absichten und Anstrengungen in neue Wege lenken
mußte. Dies um so mehr, als das von Österreich-Ungarn unternommene
Werk einen die wesentlichen Interessen Rumäniens ebenso wie seine
legitimsten nationalen Wünsche bedrohenden Charakter annahm. Angesichts
einer so radikalen Änderung der zwischen der österreichisch-ungarischen
Monarchie und Rumänien geschaffenen Lage hat letzteres seine Handlungsfreiheit
wiedergewonnen. Die Neutralität, welche sich die Königliche
Regierung nach einer Kriegserklärung auferlegte, die außerhalb
ihres Willens und entgegen ihren Interessen erlassen worden war, war in
erster Linie infolge der zu Anfang von der Kaiserlich-Königlichen
Regierung gegebenen Zusicherungen angenommen worden, daß die Monarchie
bei ihrer Kriegserklärung an Serbien nicht von Eroberungsdrang beseelt
gewesen sei, und daß sie in keiner Hinsicht auf Landerwerb ausgehe.
Diese Justierungen haben sich nicht verwirklicht. Heute stehen wir vor
einer tatsächlichen Lage, aus der große territoriale und politische
Umänderungen hervorgehen können, die derart sind, daß
sie eine schwere Bedrohung der Sicherheit und Zukunft Rumäniens bilden.
Das Friedenswerk, welches Rumänien, treu dem Geiste des Dreibundes,
zu schaffen versucht hatte, wurde so von denjenigen selbst unfruchtbar
gemacht, die dazu berufen waren, es zu stützen und zu verteidigen.
Als Rumänien sich 1883 der Gruppe der Mittelmächte anschloß,
hatte es, weit entfernt, die Bande des Blutes zu vergessen, welche die
Bevölkerung des Königreichs mit den rumänischen Untertanen
der österreichisch-ungarischen Monarchie verband, in den zwischen
den drei großen Mächten geschaffenen Beziehungen der Freundschaft
und des Bündnisses ein wertvolles Pfand seiner inneren Ruhe wie auch
der Verbesserung des Schicksals der Rumänen Österreich-Ungarns
ist. In der Tat konnten Deutschland und Italien, die ihre Staaten auf
der Grundlage des Nationalitätenprinzips wieder aufgebaut hatten,
nichts anderes als die Gesetzmäßigkeit der Grundlage anerkennen,
auf der ihr eigenes Dasein beruhte. Was Österreich-Ungarn betrifft,
so fand es in den freundschaftlichen Beziehungen, welche sich zwischen
ihm und dem Königreich Rumänien entwickelten, die Sicherheiten
für seine Ruhe sowohl im Innern wie an unseren gemeinsamen Grenzen;
denn es wußte sehr wohl, in welchem Grade die Unzufriedenheit der
dortigen rumänischen Bevölkerung bei uns widerhallte, indem
sie jeden Augenblick die guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten
zu stören drohte. Die Hoffnung, die wir unter diesem Gesichtspunkt
auf unsere Zugehörigkeit zum Dreibunde gesetzt hatten, wurde mehr
als 30 Jahre lang getäuscht. Die Rumänen der Monarchie haben
nicht nur niemals Reformen einführen sehen, die ihnen auch nur scheinbare
Genugtuung hätten geben können, sondern sie wurden im Gegenteil
wie eine minderwertige Rasse behandelt und dazu verdammt, die Unterdrückung
durch ein fremdes Element zu erleiden, das nur eine Minderheit inmitten
der verschiedenen Nationalitäten bildet, aus denen die österreichisch-ungarischen
Staaten begehen. All die Ungerechtigkeiten, die man so unsere Brüder
erleiden ließ, hielten zwischen unsrem Lande und der Monarchie einen
fortwährenden Zustand der Animosität aufrecht, den die Regierungen
des Königreichs schließlich nur um den Preis großer Schwierigkeiten
und zahlreicher Opfer besänftigen konnten.
Als der jetzige Krieg ausbrach, konnte man hoffen, daß die österreichisch-ungarische
Regierung wenigstens in letzter Stunde sich von der dringenden Notwendigkeit
würde überzeugen lassen, diese Ungerechtigkeit aufzugeben, die
nicht nur unsere freundschaftlichen Beziehungen, sondern sogar die normalen
Beziehungen, die zwischen benachbarten Staaten bestehen sollen, in Gefahr
brachte. Zwei Kriegsjahre, während deren Rumänien seine Neutralität
aufrecht erhielt, haben bewiesen, daß Österreich-Ungarn jeder
inneren Reform abgeneigt, die das Leben der von ihm regierten Völker
besser gestalten konnte, sich ebenso bereit zeigte, sie zu opfern, wie
ohnmächtig, sie gegen äußere Angriffe zu verteidigen.
In dem Kriege, an dem fast das ganze Europa beteiligt ist, handelt es
sich um die wichtigsten Fragen, die die nationale Entwicklung und sogar
die Existenz der Staaten berühren. Rumänien in dem Wunsche,
dazu beizutragen, daß das Ende des Konflikts beschleunigt werde
und unter dem Zwange der Notwendigkeit, seine Rasseninteressen zu wahren,
sieht sich gezwungen, an die Seite derer zu treten, die ihm die Verwirklichung
seiner nationalen Einigung sichern können Aus diesen Gründen
betrachtet es sich von diesem Augenblick an als im Kriegszustand mit Österreich-Ungarn
befindlich. 1) |