Note
Deutschlands an die Neutralen
(Zur
Antwort der Entente auf die deutsche Friedensnote)
Berlin,
11. Januar. (Amtlich.)
Den hiesigen Vertretern der neutralen Regierungen ist eine Note
der Deutschen Regierung zugestellt worden, die unter anderem besagt:
Die Gegner lehnen den Friedensvorschlag vom 12. Dezember mit der Begründung
ab, daß es ein Vorschlag ohne Aufrichtigkeit und ohne Bedeutung
sei. Die Form, in die sie ihre Mitteilung kleiden, schließt eine
Antwort an sie aus.
Deutschland und seine Verbündeten, die zur Verteidigung ihrer Freiheit
und ihres Daseins zu den Waffen greifen mußten, betrachten dieses
ihr Kriegsziel als erreicht. Dagegen haben die feindlichen Mächte
sich immer weiter von der Verwirklichung ihrer Pläne entfernt, die
nach den Erklärungen ihrer verantwortlichen Staatsmänner unter
anderem auf die Eroberung Elsaß -Lothringens und mehrerer preußischer
Provinzen, die Erniedrigung und Verminderung der Österreichisch-
Ungarischen Monarchie, die Aufteilung der Türkei und die Verstümmelung
Bulgariens gerichtet sind. Angesichts solcher Kriegsziele wirkt das Verlangen
nach Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaft im Munde der Gegner
überraschend.
Die Gegner bezeichnen den Friedensvorschlag der vier verbündeten
Mächte als Kriegsmanöver. Deutschland und seine Bundesgenossen
müssen auf das nachdrücklichste Verwahrung dagegen einlegen,
daß ihre Beweggründe auf diese Weise gefälscht werden.
Die Gegner, in deren Hand es lag, das Angebot auf seinen Gehalt zu prüfen,
haben weder die Prüfung versucht, noch Gegenvorschläge gemacht.
Statt dessen erklären sie einen Frieden für unmöglich,
solange nicht die Wiederherstellung der verletzten Rechte und Freiheiten,
die Anerkennung des Grundsatzes der Nationalitäten und der freien
Existenz der kleinen Staaten gewährleistet sei. Die Aufrichtigkeit,
die der Gegner dem Vorschlag der vier verbündeten Mächte abspricht,
wird die Welt diesen Forderungen nicht zubilligen können, wenn sie
sich das Geschick des irischen Volkes, die Vernichtung der Freiheit und
Unabhängigkeit der Burenrepubliken, die Unterwerfung Nordafrikas
durch England, Frankreich und Italien, die Unterdrückung der russischen
Fremdvölker und schließlich die ohne Vorgang in der Geschichte
dastehende Vergewaltigung Griechenlands vor Augen hält.
Auch über die angeblichen Völkerrechtsverletzungen der vier
Verbündeten sind diejenigen Mächte nicht befugt, Beschwerde
zu führen, die von Beginn des Krieges an das Recht mit Füßen
getreten und die Verträge, auf denen es beruht, zerrissen haben.
England sagte sich schon in den ersten Wochen des Krieges von der Londoner
Deklaration los, deren Inhalt seine eigenen Delegierten als geltendes
Völkerrecht anerkannt hatten, und verletzte im weiteren Verlauf des
Krieges auch die Pariser Deklaration aufs schwerste, sodaß durch
seine willkürlichen Maßregeln für die Kriegführung
zur See der Zustand der Rechtlosigkeit eintrat. Der Aushungerungskrieg
gegen Deutschland und der in Englands Interesse ausgeübte Druck auf
die Neutralen steht mit den Regeln des Völkerrechts nicht minder
in schreiendem Widerspruch wie mit den Geboten der Menschlichkeit. Ebenso
völkerrechtswidrig und mit den Grundsätzen der Zivilisation
unvereinbar ist die Verwendung farbiger Truppen in Europa und das Hineintragen
des Krieges nach Afrika, das unter Bruch bestehender Verträge erfolgt
ist und das Ansehen der weißen Rasse in diesem Weltteil untergräbt.
Die unmenschliche Behandlung der Gefangenen, besonders in Afrika und in
Rußland, die Verschleppung der Zivilbevölkerung aus Ostpreußen,
Elsaß-Lothringen, Galizien und der Bukowina sind weitere Beweise,
wie die Gegner Recht und Kultur achten.
Am Schluß ihrer Note vom 30. Dezember verweisen die Gegner auf die
besondere Lage Belgiens.
Die Kaiserliche Regierung vermag nicht anzuerkennen, daß die Belgische
Regierung immer die Pflichten beobachtet hat, die ihr ihre Neutralität
auferlegte. Schon vor dem Kriege hat Belgien unter der Einwirkung Englands
sich militärisch an England und Frankreich angelehnt und damit den
Geist der Verträge selbst verletzt, die seine Unabhängigkeit
und seine Neutralität sicherstellen sollten. Zweimal hat die Kaiserliche
Regierung der Belgischen Regierung erklärt, daß sie nicht als
Feind nach Belgien komme, und sie gebeten, dem Lande die Schrecken des
Krieges zu ersparen. Sie hat sich für diesen Fall erboten, Besitzstand
und Unabhängigkeit des Königreichs in vollem Umfange zu garantieren
und allen Schaden zu ersetzen, der durch den Durchzug der deutschen Truppen
verursacht werden könne. Es ist bekannt, daß die Königlich
Großbritannische Regierung im Jahre 1887 entschlossen war, sich
der Inanspruchnahme eines Wegerechts durch Belgien unter diesen Voraussetzungen
nicht zu widersetzen.
Die vier verbündeten Mächte werden den Kampf in ruhiger Zuversicht
und im Vertrauen auf ihr gutes Recht weiterführen, bis ein Friede
erstritten ist, der ihren eigenen Völkern Ehre, Dasein und Entwickelungsfreiheit
verbürgt, allen Staaten des europäischen Kontinents aber die
Wohltat schenkt, in gegenseitiger Achtung und Gleichberechtigung gemeinsam
an der Lösung der großen Kulturprobleme zu arbeiten.
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