Der Weltkrieg am 7. Juni 1917

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - BULGARISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Infanterieschlacht in Flandern

Neue englische Offensive 

Erfolgreicher Sturmangriff am Chemin-des-Dames

Großes Hauptquartier, 7. Juni. 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht: 
Zwischen Ypern und Armentières tobt seit gestern der Artilleriekampf in unverminderter Kraft; heute früh ist nach umfangreichen Sprengungen und stärkstem Trommelfeuer mit Infanterieangriffen der Engländer die Schlacht in Flandern entbrannt. 
In außergewöhnlicher Heftigkeit hielt auch vom La-Bassée-Kanal bis auf das Südufer der Scarpe die Feuertätigkeit an. 
Bei Hulluch, Loos, Liévin und Roeux sind heute vor Tagesanbruch starke englische Teilangriffe gescheitert. 
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz: 
Bald nachdem niederrheinische Füsiliere an der Straße Pinon-Jouy in erbittertem Handgemenge eine Anzahl Gefangene aus den französischen Gräben geholt und die Aufmerksamkeit des Gegners dorthin gelenkt hatten, setzten sich frühmorgens südlich von Pargny-Filain Teile von meiningischen, hannoverschen, schleswig-holsteinischen und brandenburgischen Regimenter in Besitz der feindlichen Stellungen am Chemin-des-Dames in fast 2 Kilometer Ausdehnung. Durch Artillerie, Minenwerfer und Flieger wirksam unterstützt, begleitet von Pionieren und Trupps des in den Kämpfen der letzten Wochen besonders bewährten Sturmbataillons 7 nahmen die Kompagnien trotz hartnäckigen Widerstandes des Gegners das befohlene Angriffsziel. 
Gegen die gewonnene Linie richteten sich nach heftigen Feuerwellen starke feindlichen Gegenangriffe bis in die Nacht hinein; sie sind sämtlich abgewiesen worden. 14 Offiziere, 543 Mann wurden als Gefangene, 1 Revolverkanone, 15 Maschinengewehre und mehrere Granatenwerfer als Beute eingebracht. 
Gestern wurden 8 englische Flugzeuge im Luftkampf abgeschossen, davon 1 durch Leutnant Voß, der damit den 34. Luftsieg errang.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz und an der mazedonischen Front keine größeren Gefechtshandlungen.

Der Erste Generalquartiermeister
    Ludendorff.
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Der Kampf im Wytschaete-Bogen in vollem Gange

Berlin, 7. Juni abends. (Amtlich.) 
Im Wytschaete-Bogen ist der Gegner in unsere vorderste Stellungszone eingebrochen. Der hin und her wogende Kampf ist noch in vollem Gange.
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Die neue englische Offensive in Flandern

Berlin, 7. Juni. 
Nachdem die Frühjahrsoffensive der Engländer und Franzosen, die Durchbruch und Aufrollung der deutschen Westfront zum Ziel hatte, vollkommen scheiterte und sich verblutete, haben die Engländer am 7. Juni eine neue Offensive in Flandern begonnen.
Bereits vor Mitte Mai steigerte sich die Feuertätigkeit im Wytschaete-Bogen, wo südlich des Ypern-Kanals die deutschen Stellungen halbkreisförmig in weitem Bogen in die feindlichen Linien vorspringen. Nach einer kurzen Feuerpause vom 16. bis 21. Mai setzte die systematische englische Feuervorbereitung am 22. Mai pausenlos ein, um sich vom 1. Juni an zu außerordentlicher Heftigkeit zu steigern, die an verschiedenen Tagen bereits den Charakter von Trommelfeuer trug. Häufige Erkundungsvorstöße des Feindes bestätigten die Angriffsabsicht. Bereits ab Abend des 5. Juni wurden mehrere starke nächtliche Patrouillenvorstöße zurückgewiesen und da und dort eingedrungene Engländer im Nahkampfe geworfen. Vergeblich brachten die Engländer Flammenwerfer zur Anwendung, von denen ihnen einer abgenommen wurde. Am gleichen Abend wurde eine etwa mit zwei Kompagnien unternommene gewaltsame Erkundung gegen unsere Stellungen südlich des Douvebaches verlustreich zurückgewiesen. Am frühen Morgen des 6. Juni stießen südlich Messines zwei englische Patrouillen vor, die ebenfalls verjagt wurden. Am Vormittage des 6. Juni lag nur zeitweise starkes Feuer auf der Angriffsfront und auf dem Hintergelände, wo die englischen Granaten die belgischen Orte Warneton, La Bassée-Ville und besonders Menin stark mitnahmen. Am Nachmittage ging das Feuer zum stärksten Trommelfeuer über, und die ganze Nacht zum 7. Juni hindurch tobte ununterbrochen der schwerste Artilleriekampf. Zahlreiche feindliche Patrouillen wurden abgewiesen und Gefangene eingebracht. Um 4 Uhr morgens ließen die Engländer an mehreren Punkten Minen aufstiegen. Diesen Sprengungen folgte eine Feuerwelle von allergrößter Gewalt, und um 5 Uhr morgens gingen die englischen Sturmtruppen auf der ganzen Front des Wytschaete-Bogens zum Angriff vor. Die Infanterieschlacht tobt in dem größtenteils flachen, teilweise sumpfigen, von Hecken und kleinen Wäldern durchzogenen Gelände hin und her. Die Artillerie- und Fliegertätigkeit ist gesteigert. Unsere Truppen schlagen sich mit alter Tapferkeit.
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Karte zum 1. Weltkrieg

Die Schlacht am Wytschaetebogen

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 5. August 1917

I.

Das Dorf Wytschaete, welches, südlich Ypern auf einem Höhenzug gelegen, zahlreiche Straßen aus Norden, Westen und Süden zusammenlaufend verknüpft, hat einer Schlacht den Namen geliehen, die durch den bis dahin unerhörten Aufwand an technischen und menschlichen Energien in der Kriegsgeschichte denkwürdig ist. Die Erstarrung der Fronten nach den Kämpfen in Flandern hatte im Herbst 1914 einen Keil gebildet, der sich aus der deutschen Linie bedrohlich in die englische Front hineinschob. Ein Bogen von 15 km Länge verließ bei der Doppelhöhe 60 östlich Zillebeke die von Nord nach Süd gestreckte Front und spannte sich, den Ypern-Lyskanal überschreitend, um die Dörfer Wytschaete und Messines, um südwestlich Warneton in die gerade Linie wieder einzumünden. Vom Lys-Fluß und vom Kanalbett allmählich ansteigend, führt ein von Flecken und Höfen, Waldstücken, Alleen, Äckern und Triften, Baumgruppen und Hecken reich gemustertes Gelände auf den Höhenzug, der auf beiden Flanken von den zu Bastionen umgeschaffenen Dörfern gekrönt, ebenso allmählich sich in die englischen Linien senkt. Drüben in der Tiefe der feindlichen Stellungen erhebt sich der Kemmelberg zu einer den Umkreis beherrschenden Höhe. An seinem Fuß entspringt der Douvebach, schlängelt sich durch ein Wirrsal englischer Gräben um den Berg Rossignol und läuft südlich Messines zu den Deutschen über; Hügelland und Ebene im südlichen Bogen schneidend, mündet er bei Warneton in die Lys. Gegen Osten begrenzen Eisenbahn und Kanal nebeneinanderlausend das Schlachtfeld, gabeln sich jedoch bei Hollebeke; die Bahn verläßt, zwischen den Höhen 59 und 60 durchgleitend, die deutschen Linien, der Kanal krümmt ein Knie und tritt südlicher zum Engländer über. Das so umschlossene Gelände ist 50 qkm groß; es ist Bauernland, etwa 50 bis 60 Einzelhöfe, jeder ein kleines Fort, durchsetzen das Schlachtfeld.
Der Wille des Engländers war seit 1914 auf den Wytschaetebogen gerichtet. Lille beschützend, Ypern bedrohend, erschien ihm der Keil ein bedeutendes Hindernis. Deutsche Batterien, hinter die Höhen von Wytschaete geduckt, haben aus soweit vorgeschobenen
Stellungen ihre Reichweite verlängernd die feindlichen Gräben in der Ypernbucht und nördlich Armentières flankierend bestrichen. "Diesen bösen Geist des Wytschaetebogens", sagen englische Kritiker, galt es zu bannen. So begann, da kein anderes Mittel angesichts dieser natürlichen Festung zu fruchten schien, schon Ausgang 1914 der Feind den unheimlichen und mühevollen Krieg unter der Erde. Tiefer liegend um 5 bis 10 m als der Deutsche unterfährt er mit seinen bis zu 20 m tiefen Stollen unseren vordersten Graben und zwingt zur Abwehr. Die deutschen Pioniere haben schweren Stand. Ehe der wasserführende Schwemmsand durchstoßen und abgeteuft ist, bohrt sich der Engländer, der nur wenige Meter Diluvialschicht zu überwinden hat, bereits in den fetten Ypernton. Im Luftkampf gewinnt, wer von oben kommt, umgekehrt gilt die Regel unter der Erde. Trotzdem gelingt es, den Gegner an mehreren Punkten, so am Alfweg und bei Hollandsche Schuur, im Sommer 1915 zurückzuquetschen; aber hartnäckig den Vorteil des Bodens sich nutzbar machend, setzt der Engländer während des Winters die heimliche Arbeit fort. Oben im Norden bohrt er sich unter die Eisenbahnhöhen, seitwärts des Kanals werden flache Stollen vorgetrieben, bald ist die Höhe von St. Eloi unterhöhlt, zwischen Maedelstede und Backhof unterfährt er mit einer Reihe von Schächten die Stirn des Keils. Im März 1916 läßt er die Mine von St. Eloi aus 25 m Tiefe springen. Vorbereitungen über Tage lassen erkennen, daß er im Hochsommer zum Angriff schreiten will, da lenkt die Eroberung der Doppelhöhe 60 und der Hoogehöhe ihn nach Norden ab. Ununterbrochen indessen gewinnt er an Tiefe, und im Herbst zwingt die erkannte unterirdische Umfassung des Wytschaetebogens die deutschen Pioniere zur höchsten Anstrengung. Den Vorsprung eines Jahres, während unsere Mineure auf den Loretto- und Vimyflügeln, in Argonnen, Vogesen und Karpathen dringender am Werk gewesen waren, gilt es einzuholen, die Feindseligkeiten des Bodens müssen überwunden werden. Der stillen todesmutigen Arbeit der Mineure gelingt es, die flachen Stollen am Kanal und am Douvebach abzuquetschen. Mit versenkten Eisenbetonschächten wird man des Schwemmsandes Herr und sprengt in Tiefen von 40 m beim Franseckyhof, an der Spanbroekmühle und beim Noelhof den Feind zurück. Auf der Höhe von St. Eloi, bei Maedelstede und am Backhof, wo der Gegner in 50 bis 60 m Tiefe unterfahren hat, glückt es nur, ihn vom zweiten Graben abzudrücken. An den gefährdetsten Punkten, wie bei Hollandsche Schuur, wird die Stellung zurückgenommen und der Feind durch Gewaltsprengungen abgeriegelt.

II.

Im Frühjahr 1917 glaubt der Engländer die unterirdische Umfassung vollendet. Inzwischen hat er, mit unerhörtem Aufwand die technische Rüstung der Sommeschlacht weit überbietend, seine Vorbereitungen über der Erde betrieben. Lager, Stellungen und Unterstandsgruppen wachsen sich aus zu einer förmlichen Wabenstadt, ein Spinnwebnetz breit- und schmalspuriger Bahnen, so dicht und verzweigt wie Straßenbahnen einer Großstadt, rollt unablässig Munition, Material und Nahrungsmittel zu Stapelplätzen und Truppe.
Der Monat Mai wirft Zerstörung über das fruchtbare, eben zur Blüte ansetzende Land.
Eine Kette von 30,5 cm-Batterien spannt sich um den Wytschaetebogen. Mit ihren beiden Augen, dem Kemmelberg und dem Rossignol, das Gelände weit überblickend, hämmert die englische Artillerie auf den deutschen Gräben und Werken und führt Buch über die lückenlose Zerstörungsarbeit. Tief im deutschen Hintergelände werden Gefechtsstände und Knotenpunkte durch Fernkampfgruppen bekämpft, kein Bau über der Erde, der nicht Ziel eines Geschützes würde. Schwere Minenwerfer verwandeln die vorderen Gräben in Trichterstreifen. Die Elemente sich dienstbar machen, mit Erz, Feuer und Gas den Feind so vernichten, daß der Angriff zu einem Spaziergang über einen Friedhof wird, ist britischer Plan und Ehrgeiz. Auch das Wasser, auf das der deutsche Spaten in Metertiefe stößt, das uns gezwungen hat, überirdische Betonklötze aufzurichten, kommt dem Engländer zu Hilfe.
Währenddessen leisteten die deutschen Truppen übermenschliches an Widerstandskraft. Vornehmlich Ostpreußen und Sachsen, die Verteidiger von Wytschaete und Messines, dulden das Schwerste und werden auf den dem Feind zugekehrten Hängen von Schlacht zu Schlacht, von Trichter zu Trichter getrieben. Mit aufgestülpter Gasmaske schlummernd, findet der Mann auch in der Nacht nur stundenweisen Schlaf. Die beiden Dörfer, vormals mächtige Bollwerke, sind buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht, aus zerschlagenen Betonhäusern treibt es den Mann schutzsuchend ins Freie. Die deutschen Batterien, in den Keil vorgezogen und dem Gelände angezwungen, sich zu Nestern versammelnd, bieten dem Feind breites Ziel und werfen dennoch unermüdlich Hemmung und Vernichtung in die Linie des Angreifers. Wohl hat die deutsche Führung die vorderste Linie, der unterirdischen Gefahr ausweichend, gelichtet oder entblößt, dennoch finden australische und kanadische Kompanien, die zur Totenschau vorfühlen, grimmigen Widerstand und melden verwunderten Befehlshabern, daß die Deutschen immer noch nicht sturmreif sind. Was sie nicht melden können, ist, daß hier und dort im Gelände versteckt abgespaltene Maschinegewehre und versenkte Abwehrgeschütze heil auf den Angriff lauern.
Der 27. Mai 1917 leitet den allgemeinen 10 Tage langen, mit bis dahin unerhörter Stärke anhaltenden Artilleriekampf und damit die Schlacht ein. Geschossenes und geblasenes Gas vergiftet die Nächte. Erkundungstrupps von wachsender Stärke bis zum Bataillonsverband stoßen an verschiedenen Punkten vor; sie werden zurückgeworfen. Lange geschonte Divisionen schiebt der Engländer in den Ring, allmählich wächst die Angriffsarmee auf 60 bis 70000 Mann, 5 Mann auf den Meter Boden, 11 Divisionen stehen gegen 5 deutsche. Die ersten Junitage bündeln das Artilleriefeuer zu kurzen Trommelschläger bestimmt, Angriffe vorzutäuschen und den Verteidiger herauszulocken. Doch erst die unheimliche stille Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1917 bringt den Morgen des Angriffs.
Am 7. Juni Punkt 4 Uhr früh verkünden dumpfe Erschütterungen bis 25 km landeinwärts den Beginn der Schlacht. Eine grüne, durch die Morgendämmerung schwebende Leuchtkugel gab das Zeichen, und an 19 Punkten des Wytschaetebogens zerreißen Zehntausende von Zentnern Dynamit den Erdboden, schleudern haushohe Wogen von Rauch. Flammen und mächtige Brocken in die Luft. Spätere Photographien lassen 120 m breite aus 60 m Tiefe aufgewühlte Krater erkennen. Plötzliches fieberhaftes Trommelfeuer stürzt sich kurze Minuten lang auf das ganze Schlachtfeld, schiebt sich, die vorderen Gräben freigebend, 100 um 100 m vor, und von dichten künstlich gewälzten Rauchschwaden gehüllt, tritt der Engländer auf ganzer Front von Zillebeke bis St. Yvon zum Sturm an. Die Wirkung dieser gewaltigsten Sprengung des Krieges ist überschätzt worden. Infolge der heldenmütigen Anstrengung unserer Pioniere teils von unserer Linie gedrängt, teils an den vordersten Graben gefesselt, an manchen Stellen ganz, an andern zum Teil abgequetscht und unschädlich gemacht, haben die Explosionen unter der dünnen Besatzung wenig Opfer gefunden. Stark aber, wie jedes elementare Ereignis, war die seelische Wirkung auf unsere aus dem Schlaf gerissenen Truppen. Die begleitenden Tageserscheinungen, der weitgetriebene Luftdruck und die ausgestrahlten Hitzewellen verbreiten Verwirrung Auch die rückwärtigen Besatzungen wissen von dem betäubenden Eindruck der umfassenden Sprengungen zu berichten. Daß trotzdem der Engländer stundenlang um den Besitz der benachbarten Höhen ringen mußte, zeugt von erhabener Mannhaftigkeit unserer Leute die mit Worten nicht gewürdigt werden kann.

III.

Eine Stunde nach der Sprengung sind die vorderen Stellungen im Besitz des Feindes; zwischen 6 und 7 Uhr erscheint er auf der Höhe. Wie ein Schrittmacher gibt der stufenweise vorrückende Feuervorhang den Takt für die Vorwärtsbewegung der Sturmtruppen an. Nebelausquellende Panzerstreitwagen kriechen auf den strahlenförmigen Straßen, die vorausgehenden Trupps verschleiernd, gegen Wytschaete heran. Während, zwischen zwei Stützpunkten durchbrechend, die englischen Spitzen schon vorgeschobene deutsche Geschütze erreichen, toben nördlich und südlich Wytschaete und um den Besitz von Messines in ihrem Rücken erbitterte Einzelkämpfe. Grimmig klammern sich die preußischen und bayerischen Maschinengewehre an die Stützpunkte fest und ringen, obschon von allen Seiten umstell, im Vertrauen auf raschen Entsatz, um jeden Schritt Boden. Noch am späten Abend, als längst der Tag entschieden war, hört man in Messines klappernde Maschinengewehre.
Der auf den östlichen Höhen erscheinende Feind, von schnell gefaßten Geschützen im direkten Feuer empfangen, sammelt sich zum zweiten Stoß. Währenddessen ist der Angriff im Norden und Süden nicht vorwärts gekommen. Am Kanal und an der Eisenbahn waren die Sprengungen dank unseren Pionieren von geringem Erfolg, in den dichten Waldungen westlich des Kanalrains versickerten die Sturmwellen. Wohl waren im Süden, im Schutz der Douveniederung, die Angreifer in den Rücken von Messines gelangt, aber zwischen Douve und Lys zerrieb sich der Stoß an den bayerischen Reserven. Da es also nicht gelungen war, die Flügel der deutschen Front aus den Gelenken zu reißen und umfassend einzuschwenken, suchten die bei St. Eloi, Wytschaete und Messines eingedrungenen Massen, sich vereinigend, das Zentrum zu durchstoßen, um dann, den Kanal überschreitend, den nördlichen Flügel aufzurollen. Die deutsche Sehnenstellung, die, gradlinig von Hollebeke nach westlich Warneton verlaufend, die meisten Batterien verknüpfte, war das nächste Hindernis; Zielpunkte wurden die Dörfer Wambeke und Hollebeke. Mit äußerster Kraft wehren sich die deutschen Reserven, Schulter an Schulter mit den um die verschossenen oder zertrümmerten Geschütze gescharten Artilleristen, gegen die Übermacht. In manchen Feuerstellungen wird das letzte Geschütz gesprengt, Minuten ehe der Engländer anlangt. Kein deutsches Rohr ist unzerstört in Feindeshand gefallen.
Es ist Nachmittag geworden, und die rückwärts bereitgehaltenen Reserven treffen auf dem Schlachtfeld ein. Garde und Sachsen, von einem bayerischen Regiment unterstützt, gehen gegen Messines vor, die Westfalen setzen über den Kanal und werfen den schon über Wambeke hinaus gelangten Feind gegen Wytschaete zurück. Die Artilleriekampftruppen östlich Ypern und nördlich Lille streichen aus den Flanken, frische Artillerie fährt auf und die von der Übermacht in schwankenden Luftkämpfen über Comines zurückgedrängten Fliegergeschwader stoßen noch einmal heldenmütig vor, um den Batterien das Ziel zu weisen. Der Feind, dem Verstärkungen über Wytschaete zuströmen, der sogar nördlich Messines berittene Schwadronen nutzlos in unsere Maschinengewehre hetzt, sieht sich bald in dem schwierigen Gelände in blutigen Kampf verstrickt. Um Hecke und Hof, um Baum und Busch wogt das Gefecht. Als die Garde im Süden, wo der Feind nicht in gleiche Tiefe vorgestoßen war, raschere Fortschritte macht und die westfälische Division hinter sich
läßt, bietet sich das Glück dem Engländer an, er stößt in die Lücke. Aber der rechte Flügel der Garde biegt um und treibt den Feind aus der Sehnenstellung hinaus.
Der Abend verläßt den Engländer im Besitz der Höhenzüge, aber an beiden Flügeln unbeweglich, von der Sehnenstellung zurückgeworfen und gezwungen, sich einzugraben. Die deutsche Führung, Opfer und Gewinn einer neuen Schlacht um Wytschaete abwägend, nimmt die Truppen während der Nacht in eine vorbereitete Linie, die von der Doppelhöhe 60 über Hollebeke und Waasten verläuft, zurück; Artillerie geht diesseits und jenseits des Kanals in Stellung. An dieser gestreckten Front scheitern Angriffsversuche der Engländer am 11. und 13. Juni. Die Schlacht im Wytschaetebogen ist abgedämmt. Dennoch soll der Erfolg des Feindes nicht verkannt werden. Auch nicht verkleinert dadurch, daß ihm Durchbruchsabsichten untergeschoben werden, wofür die Anzahl der eingesetzten Divisionen zu schwach bemessen war. Dagegen war sein Trieb nach vorwärts noch am Nachmittage des 7. Juni unverkennbar; den Kanal zu gewinnen und seinerseits einen Block in den Norden von Lille vorzutreiben, schien das angestrebte Ziel. Dem hat der deutsche Gegenangriff die eiserne Barrikade vorgeschoben.
Auch auf deutscher Seite darf die Schlacht ins Haben gebucht werden. Physische Energien, im Dienst des Feindes zu niemals höherer Leistung versammelt, im Kampf gegen seelische Energien, in den Herzen unserer Truppen zu ebenso unfaßbarer Größe gesteigert, das ist das Gepräge. Infanterist und Artillerist, Mineure und Flieger haben den übermächtigen Elementen das Äußerste abgerungen. Das Maschinengewehr als Kampfeinheit, sich wehrend bis zum letzten Gurt und mit der letzten Handgranate, hat die englische Phalanx in hundert Einzelkämpfen ausgelöst und, wenn auch ein Teilerfolg nicht abzuwenden war, dem Feind das Blut abgezapft, mit dem der Tag teuer erkauft werden mußte. Jahrelange Vorbereitungen über und unter der Erde, die Monatsleistungen vieler Fabriken und hingeopferte Menschenübermacht haben den "bösen Geist von Wytschaete" gebannt. Der nutzbare Erfolg steht in keinem Verhältnis zu solchen Opfern.

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Westfront 1917

 

Wieder 20700 Tonnen vernichtet

Berlin, 7. Juni. 
Im Kanal und im Atlantischen Ozean sind durch die Tätigkeit der U-Boote 20500 Brutto-Registertonnen vernichtet worden. Unter den versenkten Schiffen befanden sich ein bewaffneter Dampfer mittlerer Größe und zwei englische Dampfer von etwa 2500 Tonnen.

  Der Chef des Admiralstabes der Marine. 1)

 

Abbruch der Beziehungen zu Haiti

Berlin, 7. Juni. 
Der Geschäftsträger von Haiti hat dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts eine Note übergeben, in der gegen den uneingeschränkten Unterseebootkrieg Einspruch erhoben wird. Zugleich wird Ersatz des Schadens verlangt, der dem haitianischen Handel durch die Versenkung mehrerer Schiffe erwachsen ist, bei den Versenkungen hätten auch haitianische Staatsangehörige ihr Leben verloren. Endlich werden in der Note Bürgschaften für die Zukunft verlangt.
Da die Forderungen der haitianischen Regierung in einer ungewöhnlichen Form gestellt sind und die Erfüllung binnen einer Frist verlangt wird, in der es nicht einmal möglich gewesen wäre, die angegebenen Gründe nachzuprüfen, so hat es die Kaiserliche Regierung für angezeigt gehalten, dem haitianischen Geschäftsträger sogleich seine Pässe zuzustellen.
1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Neuer italienischer Massenangriff bei Jamiano zusammengebrochen - Über 27000 Gefangene am Isonzo

Wien, 7. Juni. 
Amtlich wird verlautbart:
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Nichts Neues. 
Italienischer Kriegsschauplatz: 
Am Isonzo setzte der Feind gestern seine Versuche, die am 4. Juni ihm entrissenen Stellungen um jeden Preis zurückzuerobern, mit größter Zähigkeit fort. Das Schlachtfeld von Jamiano war abermals die Stätte heftigsten Ringens. Die Italiener unterlagen. Ihre Massenangriffe brachen überall unter schweren Verlusten zusammen. Es blieben neuerlich 30 Offiziere und 500 Mann in unserer Hand, so daß die Gesamtzahl der seit 12. Mai eingebrachten Gefangenen die Summe von 27000 Mann übersteigt. Im Gailtal wurde am 5. Juni ein italienischer Kampfdoppeldecker abgeschossen; die beiden Insassen gerieten unverwundet in Gefangenschaft. Am selben Tage stießen unsere Sturmtrupps im Dreizinnengebiet erfolgreich in die feindlichen Stellungen vor. Gestern lebhafteres italienisches Geschützfeuer im Suganatal und auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden. 
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
Im Raume südöstlich von Berat trieben unsere Sicherungstruppen feindliche Abteilungen in das Osuntal zurück.

  Der Chef des Generalstabes. 1)

 

Der bulgarische Heeresbericht:

Sofia, 7. Juni. 
Mazedonische Front: 
Auf der ganzen Front schwache Artillerietätigkeit. Auf beiden Seiten des Wardar und in der Ebene von Serres im Vorgelände Gefechte zwischen schwachen Erkundungsabteilungen und Posten. In der Gegend von Sarichaban warf ein feindliches Flugzeug Brandbomben auf die Lager. 
Rumänische Front: 
Westlich Mahmudia und bei Tulcea Feueraustausch zwischen den Posten, bei Isaccea vereinzelte Kanonenschüsse.

 

Fliegerleutnant Schäfer gefallen

Jagdflieger 1. Weltkrieg: Leutnant Emil Schäfer
Leutnant Emil Schäfer

Berlin, 7. Juni. 
Fliegerleutnant Emil Schäfer, einer unserer besten und erfolgreichsten Jagdflieger, ist an der Westfront nach Luftkampf tödlich abgestürzt.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Juni 1917

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 6
Nationaler Verlag, Berlin (1917)

2) "Dresdner Anzeiger" (1917)

 

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